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November 1886. STAHL UND EISEN.“ Nr. 11. 729 Königlichen mechanisch-technischen Versuchsan stalt noch nicht vorhanden; sie können auch aus den laufenden Etatsmitteln voraussichtlich nicht beschafft werden. Der Verein zur Beför derung des Gewerbefleifses wird derngemäfs eine gewisse Beisteuer für die Beschaffung der Apparate geben müssen, falls die Versuche vor dem Jahre 1888 begonnen werden sollen. Die Einrichtungen zur Erzeugung verschiede ner beständiger Wärmegrade können recht ein fache sein, so lange es sich um Kältegrade oder um Wärmegrade bis zu etwa 200° handelt. Es verlohnt daher nicht, hier über die Einzel heiten der Construclion zu berichten. Für höhere Wärmegrade dürfte am zweckmäfsigsten ein Gasofen von der in der Zeichnung (Blatt XXXV) gegebenen Form in Vorschlag zu bringen sein. Der ganze Ofen wird an die obere Einspann vorrichtung der Prüfungsmaschine angehängt und ist so eingerichtet, dafs der Probestab von unten her durch den Ofen in die obere Einspannung eingehängt werden kann. Er hat in seinem mafsgebenden Theile durchaus die Abmessungen wie der Normalrundstab der Versuchsanstalt, dessen Abmessungen auch von der Münchener Conferenz als Normalform angenommen sind. Im übrigen hat der Stab einen Durchmesser von 28 mm und eine Länge zwischen den Köpfen von etwa 700 mm; er ist an beiden Enden in Kugellagern neuerer Form gelagert. Der Ofen besteht aus zwei concentrisch angeord neten cylindrischen Muffeln aus feuerfestem Ma terial. Die innere Muffel wird von den breiten Stichflammen eines M u n sehei dsehen Gasge bläses getroffen und hierdurch erhitzt, ohne dafs die Flamme den Probestab treffen kann. Die Verbrennungsgase sind dann aus dem ringförmigen Kaum zwischen beiden Muffeln am unteren Ende des Ofens durch Schlitze in den Innenraum geführt, umspülen den Probestab und die Mefs- vorrichtungen , um am oberen Ende durch ähn liche Schlitze auszutreten. Hier werden sie durch Schutzbleche so abgeleitet und abgekühlt, dafs sie nicht mehr schädlich auf die Maschinen theile und deren Justirung einwirken können. Dadurch dafs die gleichzeitig mit dem Probestab erhitzten feuerfesten Massen ziemlich erheblich sind, dürfte die Möglichkeit gegeben sein, den einmal erreichten Wärmegrad genügend beständig zu erhalten. Ferner dürfte auch die Wärme- vertheilung in den einzelnen Theilen des Appa rates durch Anordnung des inneren, die Stich flammen aufnehmenden Cylinders eine gleich- mäfsige werden. Die als Vorbild benutzten L ö w e sehen Gasöfen gestatten eine recht gleich- mäfsige Erwärmung der Muffel. Die Wärme erzeugung geht genügend langsam vor sich und kann durch die Gas- und Luftzuführung zum Gebläse hinreichend geregelt werden. Die Wärmemessungen werden voraussichtlich bei der beabsichtigten Untersuchung am meisten Schwierigkeiten bereiten, da man von der An wendung eines Luftthermometers wegen der sehr umständlichen Montirung und Behandlung des Apparates Abstand nehmen mufs, während die elektrischen Mefsmethoden mittelst thermoelek trischer Ketten oder des Siemens sehen Wider stands • Pyrometers überhaupt ziemlich ungenaue Ergebnisse liefern und meistens die Aufstellung eines Galvanometers verlangen würden, was bei den vorhandenen grofsen Eisenmassen viele Weitläufigkeiten mit sich bringen würde. Man wird daher zweckmäfsig zunächst die Anwendung von Metallthermometern versuchen, die mittelst Spiegel abgelesen , bei bequemer Handhabung voraussichtlich hinlänglich zuverlässig arbeiten dürften. Setzt man ein solches Thermometer in der auf der Zeichnung angegebenen Form aus einer Stahl- und einer Schmiedeisenstange zusammen, so dürfte man bei den gewählten Abmessungen und unter Zugrundelegung der bekannten Ausdehnungscoefficienten zu etwa fol genden Verhältnissen gelangen können. Es dehnen sich aus für einen Wärmegrad: Schmiedeisen um 0,00001235 seiner Länge, Stahl „ 0,00001079 „ Differenz für 1 Grad 0,00000156. Die mafsgebenden Längen kann man zu etwa 300 mm annehmen; man würde derngemäfs bei 600 0 eine relative Gesammtbewegung von 0,00000156.600.300 = 0,2844 mm haben. Wendet man bei dem Spiegelapparat eine Schneidenkantenentfernung von 4 mm an und einen Skalenabstand von 1,6 m, so erhält man eine Uebersetzung von —4 800 und wurde derngemäfs einen Gesammtausschlag für 0 bis 600 0 von 0,2844.800 = 227,5 mm erzielen. Da man bei der gewählten Skalenaufstellung mit den vorhandenen Fernrohren noch 0,1 mm schätzen kann, so ist die Genauigkeit der Ab lesung mehr als ausreichend grofs, wenn man bedenkt, dafs der Ausdehnungscoefficient selbst mit den Wärmegraden sich ändert und aufser- dem es sehr unwahrscheinlich ist, dafs nament lich die nicht im Innenraum des Ofens liegenden Enden der beiden Thermometertheile sich immer im gleichen mittleren Wärmezustande befinden. Die Folge ist, dafs es auch bei sehr genauer Längenmessung nicht möglich sein wird, mit einem Metallthermometer die wahren Wärmegrade zu bestimmen. Man wird das Instrument daher zweckmäfsig überhaupt gar nicht in diesem Sinne benutzen, sondern vielmehr sich damit begnügen können, mit Hülfe desselben nur bestimmte Wärmegrade zu erzeugen, deren gegenseitiger Abstand durch bestimmte Skalenlängen des Mafs- stabes festgelegt ist, welche ungefähr einem Zwischenraum von 100 Wärmegraden entsprechen.