Volltext Seite (XML)
704 Nr. 11. STAHL UND EISEN.“ November 1886. gerufen werden. Wir beschränken uns heute nur auf die Erwähnung eines besonders wichti gen Stoffes, nämlich des Braunsteins. Schon im Eingänge wurde älterer in Hirschwanger Tie geln ausgeführter Versuche gedacht, welche eine erhebliche Manganreduction aus zugesetztem Braun stein constatirten. Der heute mitgetheilte Ver such XXXI zeigt, dafs auch in Thontiegeln aus geglühtem Braunstein Mangan in den Stahl geht. Selbstredend ist hier der durch die Analyse nach weisbare Manganzuwachs nur ein Theil des auf genommenen Mangans, da ja dieses Element gleichzeitig unter SiOg-Reduction aus dem Stahl wieder an den Thon des Tiegels tritt. Wie be reits gesagt, gedenke ich diese für das Garwerden des Stahls in Thontiegeln bedeutungsvollen Pro- cesse auf Grund neuer Versuche weiter zu ver folgen. Nachdem nunmehr die wichtigsten Vorgänge beim Tiegelstahlschmelzen besprochen und, so weit es anging, erklärt sind, mufs es wünschens- werth erscheinen, zum Schlufs noch die techno logische Bedeutung der gefundenen Gesetze her vorzuheben. Wir können uns dabei für heute nur auf kurze Andeutungen beschränken. Guter Werkzeugstahl soll nach allgemeiner Erfahrung womöglich neben Kohlenstoff fremde Stoffe nicht enthalten. Namentlich äufsern sich die parasitischen Stoffe Phosphor, Schwefel, Kupfer selbst in minimalen Mengen sehr verhängnifsvoll. Dieselben haben aber mit dem Tiegelprocefs nichts zu thun und sind durch die Wahl der Tiegel materialien, sowie des Einsatzes auf ein unschäd liches Mafs zu bringen. Dagegen ist Silicium ein integrirender Bestandtheil, welcher, wenn man von basischen Tiegeln absieht, unter allen Um ständen vom Stahl aufgenommen wird. Manche Metallurgen haben noch heute eine übertriebene Furcht vor diesem Metalloid, obgleich es durch zahlreiche Analysen feststeht, dafs auch die besten englischen Gufsstahle bis 0,5 % Si ent halten können. Nachdem man angefangen, für das ursprünglich rein empiristische Tiegelschmel zen die Hülfsmittel der chemischen Wissenschaft heranzuziehen, ist kein Zweifel darüber, dafs die gar machende Wirkung des Ausschmelzens (kil- ling) lediglich auf Siliciumaufnahme zurückkommt. Beim Bessemern und Martiniren ist durch directe Versuche bewiesen, dafs durch einen geringeren Zusatz von Silicium die Ausscheidung des in allem Eisen reichlich vorhandenen Wasserstoffs verhindert wird. Auch die heute mitgetheilten Versuche enthalten die treffendsten Beweise hier für. Sahen wir nicht, wie dieselben Einsätze, welche in graphithaltigen Tiegeln unter Silicium aufnahme leicht gar werden, in Berührung mit rei nem Thon geschmolzen, siliciumarme aber poröse Ingots gaben? Das Silicium ist nach alledem der eigentliche Träger des Tiegelstahlprocesses. Es bleibt zu erwägen, ob die Reduction des SiO, vortheilhafter durch Kohlenstoff oder durch Mangan geschieht. Diese Frage läfst sich nicht allgemein entscheiden, da locale Verhältnisse, welche die Wahl der Rohmaterialien bestimmen, in betracht zu ziehen sind. Wo man mangan arme gefrischte oder cementirte Rohstahle in graphitreichen Tiegeln einschmilzt, ist die Mangan frage ohne praktische Bedeutung. Anders liegt es, wenn z. B. aus schwedischem Roheisen und Stabeisen (L) Werkzeugstahl zusammengeschmol zen wird. Hier erscheint die Reduction von SiO 2 durch Mangan einmal an und für sich günstiger, weil sie gahrend wirkt, ohne Kohlen stoffverlust und ohne Gasentbindung, zweitens, weil sie ein Zuviel von Mangan aus dem Stahl schafft. In dieser Hinsicht erscheint der Procefs des Versuchs XVII wirklich mustergültig: der Kohlenstoffgehalt bleibt unverändert, der Mangan gehalt sinkt bis auf das günstigste Mafs, während der Siliciumgehalt nur bis auf 0,142 steigt, da bei aber zum Garwerden ausreicht. Die Rolle, welche das Mangan spielen kann, wird um so entscheidender, je geringer der Graphit- resp. Kokszusatz zum Tiegelthon ist. Hier reicht die reducirende Wirkung des Kohlen stoffs bei vielen Thonen jedenfalls nicht aus, um das zum Garwerden nöthige Silicium zu reduci- ren. Hier ist es angezeigt, Mangan irgendwie dem Stahl zuzusetzen, falls solches in dem” Ein satz fehlt. Thatsächlieh enthält der in den nam haftesten englischen Fabriken gemachte Werk zeugstahl 0,25 bis 0,35 Mangan, und dieses kann nur durch einen Zusatz von Mangan, sei es in Form von Manganlegirungen, sei es in Form reducirbarer Manganverbindungen hinein gelangt sein, wenn man wirklich cementirtes schwedisches Stabeisen eingesetzt hat.