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geeignet (vorausgesetzt, dafs sie tüchtig sind, denn nicht alle Hochschüler sind dies), hier mögen die minderen Studien ausreichen. Das Specialisiren hat Hunderttausende von Gonstructionen und Erfindungen in die Welt ge setzt, wovon jedoch kaum 1 Procent einen wirklichen Werth besitzt, das übrige ist verlorene Geistes arbeit und daher ein directer Verlust in volks- wirthschaftlichem Sinne. Es ist aber auch theil weise Ursache, dafs der Techniker bei der ahnen stolzen Geistesaristokratie der Stände mit soge nannter humanistischer Bildung kein Ansehen besitzt, daraus folgt aber, dafs er zur Theilnahme am politischen Leben seines Volkes nur in ganz vereinzelten Exemplaren zugelassen wird, und hieraus erklärt sich folgerichtig, warum die re gierenden , mafsgebenden Kreise die eminente Wichtigkeit des technischen Wissens und Könnens bisher nicht erkannt haben und warum die Gesetz gebung eine energische Förderung der Gewerbe und Industrieen bisher nicht angestrebt hat; da zu ist eben eingehendes Fachwissen nothwendig, das aber von den jetzigen gesetzgebenden Krei sen als nebensächlich betrachtet wird. Wenn Herr Schlink in seinem Vergleich zwischen einem Hochschüler und einem jungen Manne, der mehr die praktische Lehrrichtung einschlägt, sich für den letzteren entscheidet, so könnte ich ihm wieder eine bedeutende Anzahl tüchtiger Praktiker nennen, die unbedingt nach dem Hochschüler greifen würden — immer gleichen Fleifs und gleiches Talent vorausge setzt — denn es ist eine alte Erfahrung, die mir ein alter Techniker, der sich über 50 Jahre in der Praxis getummelt und Tüchtiges geleistet hatte, mittheilte: Der Hochschüler, sagte er, benimmt sich allerdings im Anfang in der Werk stätte und den Fabriksälen in jämmerlich unge schickter Weise (er gebraucht den drastischen Vergleich mit einem jungen Hunde), so dafs er gewöhnlich Zielscheibe des Spottes der dort be schäftigten Praktiker und Minderstudirten wird und manches geringschätzige Lächeln erntet; hat derselbe aber an der Hochschule etwas ge lernt und sonst auch Fleifs und Ausdauer, so hat sich die Situation nach einem Jahre bedeu tend geändert, nach 2 oder 3 Jahren ist er über die Köpfe seiner Umgebung hoch hinaus ge wachsen und ich habe es in meiner Praxis öfter erlebt, dafs selbst die verbissensten Praktiker, scharfe Vertreter des »Probiren geht über Stu- diren«, in einen geradezu komischen Respect gegenüber diesem früher so belächelten »g’stu- dirten« Herrn verfielen; sie hatten eben mit Staunen bemerkt, dafs sich derselbe Kenntnisse und Fertigkeiten in kurzer Zeit angeeignet hatte, zu deren Erwerbung sie Jahrzehnte gebraucht haben. Die Annahme, dafs Technikern mit Hoch schulbildung Lust und Liebe zur Praxis fehlen werde, liefse sich leicht widerlegen. Es sei mir ferne, leugnen zu wollen, dafs junge Leute mit geringerer Schulbildung nicht auch äufserst tüchtige Techniker, in seltenen Fällen mit phänomenalen Erfolgen, werden können; für kleinere Fabriken und Werkstätten, welche sich auf die Verfertigung von Specialitäten ver legen und eine continuirliche Fortbildung und Ausgestaltung ihrer Arbeitsmethoden nicht an streben, sind sie ausgezeichnete Kräfte; wo es sich aber um die Leitung gröfserer Etablissements oder auch blofs Werkstätten und darum handelt, günstigere Arbeitsmethoden herauszubilden, neue Wege in der Herstellung der Producte einzu schlagen, wo es sich um administrative Mafs- regeln handelt, ist der Hochschüler — immer im allgemeinen gesprochen — als der einzig richtige am Platze. Ich habe Gelegenheit gehabt, die Centren der österreichischen. Textil - Industrie eingehend zu studiren, und kann nur constatiren, dafs die wenigen Etablissements, an deren Spitze ein ehemaliger Hochschüler steht, in technischer und administrativer Beziehung geradezu wie Leuchten über die übrigen emporragen. Die Erkenntnifs, dafs nur das Hochschul studium für die Leitung eines Etablissements, ja selbst einzelner Zweige eines solchen, geeignet mache, ist nirgends allgemeiner als im Berg- und Hüttenwesen und mit Recht, denn die un geheure Verantwortung, die der Leiter eines solchen für den Arbeiter gefährlichen Betriebes auf sich nehmen mufs, kann mit gutem Ge wissen nur Persönlichkeiten anvertraut werden, die nicht etwa in der Construction einer Fang vorrichtung oder in einer bestimmten Abbau- methode, oder etwa im Rosettiren des Kupfers Specialisten sind, sondern die ganze Manipulation und alle ineinandergreifenden Arbeitsphasen voll kommen überblicken und beherrschen. Hierzu aber gehört nicht nur ein umfassendes Wissen, sondern auch ein höherer geistiger Standpunkt, der sich — immer im allgemeinen ge sprochen — nur an der Hochschule erwer ben läfst. Der ungeheure Einflus, den die Theorie auf die Entwicklung der Industrieen und Gewerbe, auf das technische Können ausübt, und den Herr Schlink leugnen zu wollen scheint, wäre nicht so schwer nachweisbar, wenn sich Jemand die Mühe nehmen würde, den statistisch fixirten Fort schritt auf den einzelnen Productionsgebieten mit den epochemachenden Erscheinungen der technischen Literatur, den hervorragenderen Phasen an den technischen Hochschulen zu vergleichen. Wer wollte den Einflufs nicht anerkennen, den die Werke von Redtenbacher, Weisbach, Karmarsch, Grashof, Zeuner, Rebhann, G. Schmidt, Hrabak, Radinger, von Reiche u. a. m. ausgeübt? Aber wer auch dies leugnen wollte, müfste denn doch zugeben, dafs die ganze ehe-