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August 1886. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 8. 523 Kleineisenindustrie (excl. Maschinenbau) besitzen, und deutet die Anzahl der Kreise auf die Stärke der Vertretung dieser Industrie. — Die Karte enthält ferner alle Hütten, Hämmer, Drahtzüge etc. durch rothe Punkte und ähnliche Zeichen angegeben, welche bis zum ersten Viertel dieses Jahr hunderts in Rheinland und Westfalen existirten. Sie giebt so ein klares und Vielen gewifs unerwartetes Bild von der aufserordentlich intensiven Vertheilung der heute geschilderten Industrie für die märkischen und bergischen Districte. Um nun über die Technik der Kleineisenindustrie und ihre örtliche Vertheilung einen Ueberblick zu gewinnen, habe ich mir erlaubt, Ihnen die hier vorliegende Sammlung der Fachschule zu Remscheid mitzubringen und dieselbe nach den verschiedenen Bearbeitungsweisen zu theilen. Sie finden daher hier der Reihe nach geordnet unter Angabe der Erzeugungsstätten die Objecte der Raf- finirwerke (Raffinir- und Damaststahl) , die grobe Schmiede- und Reckarbeit (Luppen, Pflugeisen, Wagenachsen etc.), ferner die groben Werkzeuge, wie Ambosse, Schraubstöcke, Hämmer, Klempner werkzeuge u. A. Hieran schliefsen sich die groben Schneidwaaren (Anfang der Breitarbeit), wie Aexte, Beile, Schlächterwerkzeuge und Maschinenmesser, und daran die eigentliche Breitarbeit: Schaufeln, Pfannen, Sensen, Sackhauer, Sägen, die kleinere Schmiedearbeit, wie Fitschen, Schlosser- Werkzeuge, Zangen- und grobe Werkzeugschmiede (Baumscheeren und Blechscheeren u. s. w.), dann die feinen Schneidwaaren, wie Klingen, Messer, Scheeren, Beitel und Hobeleisen, die Producte der Kunstschmiede, welche für Rheinland und Westfalen nur in Düsseldorf (Emil Funcke) vertreten ist, und endlich die feine Schmiedearbeit, wie Bohrer, Nägel, Kettenwerk u. s. w. Alle die bisher genannten Waaren erfordern vorzugsweise die Technik des Schmiedens und es schliefst sich an die selben als Vollendungsarbeit das Schleifen, Pliefsen und Policen, und nur nebensächlich das Feilen einerseits und das Lackiren, Vernickeln u. s. w. andererseits. Höchstens wäre noch die feine Draht arbeit einzuschieben, welche in Neroth in der Eifel ihren Sitz hat, bisher nur Mausefallen und ähnliche Geräthe lieferte und erst in jüngster Zeit durch die Bemühungen des Herrn Directors Frauberger auf das künstlerische Gebiet gehoben worden ist. Einen weit gröfseren Antheil an der Kleineisenindustrie hat die combinirte Arbeit, bei welcher zur Technik des reinen Schmiedens oder Schweifsens die des Feilens und Drehens oder eine andere Maschinenarbeit tritt, bezw. eine andere besondere Handfertigkeit. Hierher gehören in erster Linie die Feilen und Raspen, deren Herstellung geradezu eine Kunstfertigkeit erfordert. Auch die Sägen sind hierher zu rechnen, obwohl die von denselben erforderte Technik bei weitem einfacher ist. Im Ansclilufs hieran sind diejenigen (seltenen) Werkstätten zu nennen, in denen alles gefertigt wird, was nicht besondere maschinelle Thätigkeiten, wohl aber eine hervorragende Intelligenz und Vielseitigkeit erfordert. Während die bisher genannten und die folgenden Objecte sämmtlich Specialitäten sind, liefern diese Werkstätten Gegenstände der Schmiederei und Schlosserei, welche nicht in so grofsen Mengen gefordert werden, um eine Specialität daraus machen zu können (Albert Ibach & Go., Remscheid). — Wir gelangen nun zu den complicirteren Arbeiten, welche immerhin noch eine besondere Fertigkeit erfordern, aber bereits die mechanische Massenproduction gestatten. Es sind das die Schlittschuhe, die Schlösser, die Federwagen, die gröfseren Fallen, Kaffeemühlen, Beschläge aller Art, Blech geschirre, Bügeleisen, Gewehre, Bandfederarbeiten, wie Gorsets, Bandagen, dann Laubsägen, Scharniere u. s. w. Alle diese Arbeiten enthalten bei der heutigen Fabricalionsmethode bereits eine neue Technik, welche erst in den letzten Jahrzehnten zur Bedeutung gelangt ist. Es ist das die Schniltarbeit, welche das mühsame Aushauen der aus plattenförmigem Material herzustellenden Theile durch einen einzigen Druck ersetzt. Ich mache Sie hier auf die betreffenden Samm lungsstücke aufmerksam, z. B. auf diese beiden Schlittschuhe, von denen der eine nach der alten Methode und der neue auf dem heutigen Fabricationswege hergestellt ist. Auch bei den Schlössern und Scharnieren spielt dieselbe eine grofse Rolle. Eine ganz besondere Bedeutung hat die vor 27 Jahren von der Firma Funcke & Hueck (Hagen i. W.) in Deutschland eingeführte Schlagarbeit, welche die höchste Technik der Handschmiede kunst auf einen grofsen Theil des Gebietes der Kleineisenindustrie zu ersetzen imstande ist. Heute werden auf diese Weise Schraubenschlüssel, Gitterspitzen, Gewehrtheile, Schlofstheile und die Schlüssel dazu massenhaft gefertigt. Auch die Messerfabrication hat sich bereits dieser Technik bemächtigt, und die Werkzeugindustrie ist auf dem besten Wege, sich ihren Antheil mit grofser Energie zu sichern. Selbst complicirtere Formen, wie Kneifzangen u. s. w., erliegen bereits der Schlagarbeit. Gleichen Schritt mit dieser Technik hält die Temperei, zu welcher für Schneidewerkzeuge bereits das Cementiren getreten ist. Ich habe hier eine Reihe von Gegenständen, selbst Bohrer, Zangen, Feilen, ausgelegt, welche auf diesem Wege erzeugt sind und zwar nicht als Qualitätswaare, aber doch für untergeordnete Zwecke in grofser Menge hergestellt werden. Solider ist eine weitere Ersatzarbeit, die Faonwalzerei, welche im Gegensatz zur Temperei das beste Material verarbeitet und bereits Heugabeln, Schaufeln, Messer und Säbelklingen liefert. Namentlich auf letzterem Gebiete sind in den letzten Jahren aufserordentliche Fortschritte gemacht VIII.g 2