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Juni 1889. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 6. 503 Zweckmäfsigerweise würden übrigens auch die fast drei Monate langen Ferien zur Fortführung der praktischen Beschäftigung, zur Erlernung technischer Fertigkeiten, zur Bekanntmachung mit der kaufmännischen Buchführung u. s. w. auf Hüttenwerken verwendet, wenn nur eine plan- mäfsige Ausbildung erreicht werden könnte. Aber einem ordentlichen Plan setzen sich wieder die selben Schwierigkeiten entgegen, die schon öfters erwähnt sind. Ein junger Mann kann froh sein, überhaupt auf ein Werk zugelassen zu werden. Man will im allgemeinen überhaupt keine Volon täre, keine unbezahlten Hülfskräfte, aber ent schliefst man sich dazu, so nimmt man sich auch selten die Mühe, dem jungen Manne plan- mäfsig eine geeignete Schulung zu theil werden zu lassen. Darin liegt die gröfste Schattenseite in der Ausbildung der Beamten für Eisen hüttenwerke. Für einen tüchtigen, strebsamen jungen Mann ist der Weg zum Beamten viel schwieriger, als selbst für den Arbeiter zum Unterbeamten, der nach dem Besuche einer Hütten- oder Bergschule gern überall Aufnahme findet. Dafs in dem Mangel einer planmäfsigen praktischen Ausbildung für den Eisenhütten beamten ein sehr grofser Uebelstand liegt, läfst sich leicht aus dem Vergleich mit anderen Berufsarten übersehen. „Glücklicherweise“, sagt Schlink auf S. 343 dieser Zeitschrift, „ist die Sachlage derart, dafs tüchtige Ingenieure selten verkümmern.“ Ganz recht! Tüchtige Leute verkümmern überhaupt nicht. Wo aber bleibt die überwiegende Zahl der mittelmäfsig oder durchschnittlich Begabten ? Sehen wir auf die Juristen. Sie sind es, trotz der viel gröfseren Ueberfüllung des Faches, gegen über der Technik, welche alle unterkommen, sie sind es, die heutigen Tages das moderne Leben beherrschen. Wir haben neulich erst öffentlich aussprechen gehört, dafs ein andert halbjähriges Studium für das Beferendarexamen genüge, ja leider auch hören müssen, dafs geradezu ein ebenso langes Bummeln auf der Universität als unschädlich hingestellt wird. Der sich dem Staatsdienste widmende Bergmann hat drei Studienjahre bis zum Referendarexamen, eins davon geht gröfstentheils auf quantitative Analyse darauf; auch er kommt also mit zwei Jahren aus, und doch finden wir ihn in allen Verwal tungszweigen des Staats wie der Privatindustrie, wenn es einmal an freien Stellungen im Bergwesen mangelt. Nicht wegen des unvollkommenen Studiums, sondern trotz desselben erreicht dieser sein Ziel, im Gegensatz zu dem Jüngling, der Eisenhütten beamter werden will und zu diesem Zweck bei angestrengtem Fleifse mindestens drei Jahre auf das Studium verwenden mufs, wenn er sich überhaupt die nothwendigen Kenntnisse erwerben will. Davon kann nichts auf Bummeln abfallen, nichts auf einseitige Beschäftigung. Für den Gerichtsreferendar, für den Bergreferendar liegt der Grund zu ihrer Brauchbarkeit im eigenen Fache und für andere Zweige in der Vorzüglichkeit ihrer weiteren Ausbildung, in der Möglichkeit, in planmäfsiger Weise das theoretische Wissen in die Praxis zu übersetzen. Da fehlt es für den Eisenhüttenmann. Es mag nicht leicht sein, hier das Richtige zu treffen, aber es ist doch möglich. Sollte es denn der Privatindustrie nicht möglich sein, zur Ausbildung ihrer Beamten ähnliche oder wenigstens gleich wirksame Einrichtungen zu treffen, wie sie die staatlichen Behörden haben? Wohl höre ich im Geiste die zahlreichen Ein wendungen : Wir werden uns hüten, in dem jungen Mann uns einen Wettbewerber zu schaffen! Wir bilden ihn aus, damit unsere Nachbarn — von seinen Kenntnissen Nutzen ziehen! Zuschliefsen müfsten wir unsere Thore vor jenen jungen Leuten, die, ausgerüstet mit den erforderlichen theoretischen Kenntnissen, nun nur kommen, um unsere Geheimnisse auszuspähen und zum Dank für unsere Liebesmühe unsere schlimmsten Feinde werden! Nun ja, meine Herren Eisenhüttenleute, stehen denn diesen Schattenseiten, wenn sie wirklich vorhanden sein sollten, nicht mindestens ebenso- viele Lichtseiten entgegen ? Hat denn nicht jedes Eisenwerk den höchsten Antheil daran, in dem jugendlichen Nachwuchs tüchtige Beamtenkräfte heranzubilden? Denkt denn der Richter daran, wenn er seine Zeit darauf verwendet, den ihm zugetheilten Referendar zu belehren und in die praktischen Geschäfte einzuweihen, dafs dieser ihn einmal überleuchten könne, das es deshalb besser sei, ihn in Unwissenheit zu lassen, oder der Ober bergrath, der sich der Ausbildung des Bergreferen dars widmet, dafs dieser einmal sein unliebens würdiger Vorgesetzter werden könne? Was vielleicht schwieriger war, als sich die Eisenhüttenbesitzer und Leiter von Eisenwerken einzeln, fast feindlich gegenüberstanden, ist jetzt in dem Zeitalter der Vereinigungen, der Syn- dicate, wohl leicht durchzuführen. Werde es versucht! Der Zweck dieses kleinen Aufsatzes sollte allerdings eine allgemeine Antwort auf die zahl reichen Anfragen über den besten Weg für die Ausbildung des Eisenhüttenmanns sein, die nun bereits die zweite Generation zärtlicher Eltern an mich zu richten beginnt, ohne dafs doch damit etwa ausgeschlossen werden soll, dafs ich mich in jedem einzelnen Falle nach wie vor des Einzelnen mit Rath und That annehmen werde; in erster Linie aber soll die Frage nach einer plan mäfsigen praktischen Ausbildung des Eisenhütten manns angeregt werden, unter praktischer Aus bildung nicht nur die eigentliche Arbeit vor dem wissenschaftlichen Studium und in den Ferien,