Volltext Seite (XML)
Teufen und stets wachsenden Belegschaften die Seilfahrt eingeführt werden mufste und nunmehr auf fast allen Zechen des westfälischen Kohlen reviers thatsächlich eingeführt worden ist, ge langen die Bergarbeiter auch auf die tiefsten Sohlen ohne irgendwelchen besonderen Kraftauf wand. Somit kann die »ererbte« achtstündige Schicht nicht mit dem Zeitpunkt beginnen, wo die Bergleute sich an der Hängebank des Schachtes sammeln, sondern die Arbeitsschicht beginnt erst mit dem Momente, wo der Bergmann innerhalb des Grubengebäudes, auf welchem er angelegt ist, Kraftaufwand auszugeben hat, d. i. mit dem Momente, in welchem er das Füllort seines Schachtes verläfst, um sich an seine Arbeitsstelle zu begeben; und die 8stündige Schicht hört auf in dem Momente, wo der Bergmann, von seiner Arbeit zurückkehrend, das Füllort wieder betritt. Diese 8 stündige Schicht darf den Bergleuten allerdings nicht durch irgendwelche Mafsnahmen und Einrichtungen verlängert werden. Zur Zeit wird nun in der Regel dafür gesorgt, dafs die jenigen Bergleute, welche zuerst die Seilförderung zur Einfahrt benutzen, nach Beendigung der 8 stündigen Schicht auch zuerst wieder ausfahren können, und wo eine derartige Regel noch nicht existirt, würde sie leicht einzuführen sein. Für die Bergleute dürfte daher eine Garantie dafür genügen, dafs sie, von der achtstündigen Schicht zurückkehrend, auch ohne Verzug ausfahren können, und nicht mehr, als irgendwie nöthig ist, gezwungen werden, in erhitztem Zustande in dem kälteren einfallenden Wetterstrome am Schacht sich aufzuhalten. Dahin zielende Anordnungen würden nach § 196 des Berggesetzes vom 24. Juni 1865 Sache des Oberbergamts sein. Gegen wärtig sind die Fördereinrichtungen aller Zechen auf eine reine Förderschicht von acht Stunden disponirt, und nur die allerpeinlichste und pünkt lichste Ausnutzung dieser Förderzeit ermöglicht den Zechen ihre heutigen Leistungen, so dafs es bei den derzeitigen Einrichtungen ganz un möglich erscheint, beispielsweise in 6 1/2 Stunden ebensoviel Kohlen zu fördern, als in 8 Stunden. Wenn z. B. bei einer Fördergeschwindigkeit im Schachte von durchschnittlich 8 m pro Secunde — eine gröfsere Geschwindigkeit würde die Sicherheit des Betriebes gefährden — aus einem Schachte von 400 m gefördert werden soll, so dauert die Förderzeit vom Füllorte bis zu Tage 400 : 8 = 50 Secunden; wenn das Aufsetzen des Förderkorbes, das Abziehen der vollen und das Einwechseln der leeren Wagen, die nöthigen Signale u. s. w. aufserdem noch stark eine Minute erfordern, so lassen sich in einer Stunde — wenn gar keine Störungen Vorkommen, welche aber niemals gänzlich ausbleiben — genau 30 Züge machen; fast durchweg enthält ein Förderkorb 4 Wagen ä 10 Gentner; somit würden in einer Stunde 30 X 4 X 10 = 1200 oder in 8 Stunden 9600 Gentner Kohlen zu Tage gefördert, welche mitunter auch auf 10 000 Gentner gebracht werden können, falls Alles sehr gut und glatt abgeht. Auf den meisten Zechen nimmt heute die Menschenförderung — Einfahrt und Ausfahrt zusammen — 1 bis 11/2 Stunden in Anspruch; diese Zeit würde bei Einführung einer Schicht von acht Stunden einschliefslich Ein- und Aus fahrt für die Kohlenförderung verloren gehen, also die Leistungen der Zechen müfsten sich von 10 000 auf 8800 bis 8200 Gentner pro Förder- Schicht vermindern. Die S el b s t k o s te n beider Kohlenförderung setzen sich erfahrungsgemäfs zusammen aus 60 % Löhnen und 40 % anderen Kosten, nämlich für Zechenbahnen, Materialien, Unterhaltung der Tagesanlagen, Knappschafts gefälle, Steuern, Kosten der Unfallversicherung, Handlungsunkosten, Verwaltung u. a. Diese letzteren Kosten bleiben für eine und dieselbe Schicht in gewissem Grade die nämlichen, gleichviel ob 10000 oder nur 8200 Gentner Kohlen gefördert werden, so dafs — abgesehen von den Lohn steigerungen — die Selbstkosten, auf den Gentner repartirt, dadurch noch eine besondere unnöthige Erhöhung erfahren. Das Resultat würde also sein: Herabminderung der Leistungsfähigkeit der Zechen bei ungebührlicher Erhöhung der Selbst kosten durch weniger intensive Ausnutzung der vorhandenen Anlagen, welche in den meisten Fällen viele Millionen gekostet haben. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dafs der west fälische Kohlenbergbau aus der lange andauern den schlechten Zeit seit 1874 mit grofsen Schulden belastet ist und die Zechen fast durchweg er hebliche Zinsen und Amortisationsquoten zahlen müssen, welche bei der verminderten Förderzeit ebenfalls auf das geringere Kohlenquantum repar- tirt werden müfsten. Eine verminderte Leistungs fähigkeit der Zechen bei steigenden Selbstkosten wird aber nicht blofs für den Kohlenbergbau, sondern auch für die ganze übrige westfälische Industrie verhängnifsvoll werden und einen Zu stand herbeiführen können, wobei es zweifelhaft erscheint, ob die Zechen dauernd zu höheren Lohnzahlungen überhaupt befähigt bleiben. Gerade diese Befürchtung aber verpflichtet uns, unsere diesbezügliche Ansicht im Interesse des Arbeiter wohls unumwunden auszusprechen. Die Forde rung der Bergleute erscheint aber auch in dem Sinne nicht berechtigt, als die heutige Zeit an alle Menschen gröfsere Anforderungen stellt, als das früher der Fall war. Wo infolge besonderer Verhältnisse, z. B. bei Zechen mit ungewöhnlich hohen Temperaturgraden, eine achtstündige Ar beit gesundheitsschädlich sein würde, ist es Auf gabe der Bergbehörde, zum Schutz der Arbeiter einzugreifen. Im übrigen können wir nicht unter lassen, auch bei dieser Gelegenheit anzuerkennen, dafs seitens der Zechen durchweg für das Wohl der Arbeiter in gesundheitlicher Hinsicht durch