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Monarchie werde man dann alle möglichen Va riationen der Löhne haben. Zudem sei eine Erschwerung der Geschäfte durch das Steigen und Fallen der Löhne zu befürchten, und endlich habe man keine auf Zuverlässigkeit Anspruch machende Lohnstatistik in Deutschland, weshalb eine Vorherberechnung der dem Erwerbsleben der Nation aus der ganzen Versicherung erwach senden Belastung unmöglich sein werde. Aus diesen Gründen glaubte sich die Gruppe auf den Standpunkt der Regierungsvorlage stellen zu sollen. Dasselbe hinsichtlich der Beschaffungsart der Mittel zu thun, war dagegen ganz unmöglich. Bekanntlich hat in dieser Beziehung die Reichs- regierung an dem Kapitaldeckungsverfahren fest gehalten , während von uns schon bei Bera- thung der Grundzüge das Umlageverfahren empfohlen worden war. Der Staatssecretär Hr. v. Bötticher hat gegen das letztere noch einmal alle schon früher hervorgehobenen Bedenken, namentlich die zu grofse Belastung der Zukunft zu gunsten der Gegenwart, zur Geltung zu bringen und andererseits die Bedenken der Gegner des Kapitaldeckungsverfahrens mit Gründen zu besei tigen versucht, die doch als eigentliche Gründe kaum anzusehen sein dürften. Der Herr Staats secretär meint z. B., die Gefahr der Ansammlung grofser Kapitalien sei nicht so gar gefährlicher Natur, wie man das darzustellen beliebe. Bei den Sparkassen und Versicherungsanstalten seien schon 5 Milliarden Mark angesammelt, wobei das in milden Stiftungen, Kirchen u. s. w. an gelegte Kapital noch gar nicht in Betracht gezogen sei; demgegenüber könnten die 21/3 Milliarden der Alters- und Invaliditätsreserve gar nicht so schwer ins Gewicht fallen. Nun ist es aber doch in der That sehr schwer, daran zu glauben, dafs 5 Milliarden und 71/3 Milliarden in ihrer Wirkung auf das Wirthschaftsleben der Nation so ziemlich gleich sein sollen; denn dafs eine Summe von 21/3 Milliarden, die in pupillarisch sicheren Pa pieren angelegt, dem Erwerbsleben der Nation zum gröfsten Theil entzogen wird, auf dieses Erwerbsleben einen greifbaren Einflufs haben mufs, ist doch ganz zweifellos. Die Verfasser des Gesetzentwurfs befürchten denn auch in den »Motiven« selbst, dafs der Geldmarkt durch die voraussichtlich hierdurch erwachsende grofse Nachfrage nach sicheren Staats- oder Anlagepapieren ganz ungebührlich gestört werden könne. Es soll daher die Er werbung von Immobilien gestattet werden, welche auf lange Zeit hinaus eine sichere Anlage, wenn auch vielleicht geringe Nutzung, finden. Man könne daher beispielsweise an den Bau und die Erwerbung von Arbeiterwohnungen für Rechnung der Versicherungsanstalten denken. Dieses Aus- kunftsmiltel erscheint aber den thatsächlichen Ver hältnissen denn doch zu wenig angepafst; denn an Errichtung von Arbeiterwohnungen kann man | wohl von Seiten mehrerer Fabrik-Etablissements oder localer Verbände denken, niemals aber kann dies die Aufgabe solcher Versicherungsverbände sein, wie sie die Alters- und Invaliditäts-Gesetz vorlage für grofse Gommunalbezirke oder das Gebiet des Bundesstaates vorsieht. Die Erwerbung von Immobilien hat auch für den Fall eines Krieges oder der Verarmung eines bestimmten Bezirks, wie eine solche durch plötzliches Eingehen einer Industrie sehr wohl möglich ist, ihre schweren Bedenken. Dafs es der Bundesrath auf Widerruf auch gestatten will, die Reserven in Bergwerksantheilen anzulegen, zeugt von einer sehr guten Meinung über unsern Bergbau. Aber als Vorstandsmit glied einer Versicherungsanstalt dürfte doch kaum Jemand, auch wenn er diese Meinung theilt, die Reserven gerade in Kuxen anlegen, zumal der Bundesrath mit seinem Widerruf sofort auf der Bildfläche erscheinen würde, wenn die betreffende Zeche Zubufsen ausschreiben müfste statt Aus beute zu zahlen, oder wenn sie gar durch elementare Ereignisse an ihrem Weiterbetrieb auch nur zum Theil gehindert würde. Es bleiben somit alle die Bedenken, welche seitens der Industrie gegen das Kapitaldeckungs verfahren geäufsert worden sind, auch heute noch bestehen, um so mehr, als diese Bedenken für das Drittel des Reiches ganz und voll in den Motiven in Anspruch genommen worden sind. Was dem Reiche aber recht, das sollte doch der Industrie billig sein. Wir glaubten aber auch um so mehr an der Ansicht von der Nothwendigkeit des Umlage- verfahrens festhalten zu müssen, als wir auf die Frage, ob denn die rechnerischen Voraussetzungen, welche der Reichstagsvorlage beigegeben sind, nun auch durchaus eintreffen werden, eine be jahende Antwort durchaus zu geben nicht in der Lage sind, zumal dies, wie oben nachgewiesen, bei den Unfallberufsgenossenschaften in keiner Weise der Fall gewesen ist. Betreffs der Organisation hält die Gruppe nach wie vor die Errichtung einer Reichsver sicherungsanstalt für geboten. Betreffs einer solchen sagte der Hr. Staatssecretär v. Bötticher bei der ersten Lesung im Reichstage wörtlich: „An sich ist der Gedanke, dieses grofse social- politische Unternehmen einer Gentralanstaltzu unter stellen, welche für das ganze Reich die Leitung und Durchführung unternimmt, gewifs ein ver ständlicher und discu tabler", fügte dann aber hinzu, dafs die Durchführung der Organisation auf diesem Wege eine kostspieligere sein werde, und vertheidigte die Organisation, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dafs der wirkliche Grund des Bedenkens in particularistischen Strömungen zu suchen ist. Denn dafs die Reichsanstalt kostspieliger sein