Volltext Seite (XML)
168 Nr. 3. „STAHL UND EISEN.“ März 1888. Während des regelmäfsigen Betriebes ist eine Gasexplosion von einiger Wirkung unmöglich ; um eine Erklärung zu versuchen, mufs zu Annahmen gegriffen werden und zwar ist vorauszusetzen, dafs entweder das für sich brennende Gas erlosch oder ausblieb und sich später wieder entzündete. Der erste Fall dürfte bei der hohen Entzündungstemperatur und der verhältnifsmäfsig geringen Verbrennungstemperatur bei dem einen oder anderen Kessel zeitweilig für Momente nicht fraglich sein, spricht doch auch die in Friedenshütte für nothwendig erachtete Unterhaltung eines Rostfeuers dafür, dagegen mufs es als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden, dafs das Erlöschen der Gase in sämmtlichen Feuerungen gleichzeitig oder fast gleichzeitig eintreten konnte, wenn nicht zu der ferneren Annahme geschritten wird, dafs das vorher brennbare Gas nun auf einmal unter den obwaltenden Zuständen unverbrennlich wurde, sei es durch verminderte Dichte, sei es durch unpassende Zusammensetzung. Bei einem Betriebe mit drei Hochöfen und reichlicher Maschinen kraft ist Beides nicht wohl anzunehmen und wird aus gleichem Grunde auch die Annahme unwahr scheinlich, dafs das Gas ausgeblieben sei. Wird nun trotz der vielen entgegenstehenden Gründe doch die Annahme des Ausbleibens der Gichtgase aufrecht erhalten, womit gleichzeitig dem Erlöschen der Mischung von Gichtgas und Luft Rechnung getragen wird, so kann hieraus eine Explosion von der Intensität, wie sie zur Herbeiführung der Verwüstung auf Friedenshütte nothwendig erscheint, noch nicht gefolgert werden. Wird berücksichtigt, dafs nur dann die Verbrennung eines Gasgemisches einen explosions artigen Charakter annimmt, wenn sie eine plötzliche oder wenigstens sehr rasche ist, so kann unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Dampfkessel-Feuerungen mit Hochofengichtgasen nicht die Rede davon sein, weil die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung der vorhandenen Gase eine zu geringe ist, aufserdem aber auch die Verbrennungen nicht im abgeschlossenen Raume erfolgen. Die auf Friedenshütte zur Heizung der Dampfkessel verfügbaren Gichtgase* werden pro Cubikmeter nachstehende Zusammensetzung gehabt haben : N — 0,592 cbm CO 2 — 0,057 „ H 2 O-0,123 „ CO — 0,228 „ und bedurften an theoretischer Verbrennungsluft 0,543 cbm = 0,114 cbm 0 + 0,429 cbm N. Nun hat Bunsen bei Verbrennung von GO mit O im Verhältnifs von 2 zu 1 gefunden, dafs die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung dieses Kohlenoxydknallgases bei gewöhnlicher Temperatur nur etwa 1 m pro Secunde beträgt und darf deshalb angenommen werden, dafs die Ver brennung der wahrscheinlich immer mit einem Mehrfachen der theoretisch nöthigen atmosphärischen Luft gemischten Gichtgase wegen des grofsen Ueberschusses an indifferenten Gasen noch bedeutend langsamer ausfallen mufs. Soll die Verbrennung eine raschere werden, so ist die Fortpflanzungs geschwindigkeit der Entzündung zu steigern. Hierüber belehren Untersuchungen, welche von Professor E. Mallard angeslellt worden sind und welche sich in die Relation zusammenfassen lassen, /ST — t • . dafs V= \/ ist, wenn V p t — T V = Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung, T = Verbrennungstemperatur, t — Entzündungstemperatur, t = Temperatur des Gasgemisches, p = den Umfang des Heizkanales. s = den Querschnitt des Heizkanales, bedeuten & = Goefficient, abhängig von den Wärmeverlusten, Um zur Beurtheilung der Verbrennungserscheinungen weitere Anhaltspunkte zu gewinnen, sind die calorimetrischen und pyrometrischen Eigenschaften der Friedenshütter Gase näher zu ermitteln. Ohne Berücksichtigung der mitgebrachten Wärme liefert 1 cbm Gasgemisch, d. h. Gichtgas und Luft, wenn die Luft in theoretischer Menge beigemischt ist, 444 Gal., bei doppeltem Luftquantum 329 Gal. und bei dreifachem 261 Gal. Werden 300 Gal. angenommen, entsprechend etwa gleichen * »Stahl und Eisen«, Nr. 11, Seite 804 und »Zeitschrift des Vereins deutscher Ing.« 1887, Nr. 48, S. 1058, 2. Spalte.