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März 1888. «STAHL UND EISEN.“ Nr. 3. 161 man fährt den hochwerthigen Siegerländer Eisenstein billiger als die minderwerthige Kohle und Koks. Es ist auch volkswirthschaftlich nicht richtig, dafs man den Werth der Waare bei der Fracht nicht in Ansatz bringt, namentlich bei Artikeln wie Eisenstein und Kohle, wo bei der Versendung die Fracht eine so grofse Rolle spielt, wie ja auch soeben von Hrn. Geheimrath Jencke ausgeführt worden. Um Ihnen mir zwei Zahlen zu geben, erwähne ich, dafs heute der Doppellader gerösteten Spatheisensteins 130 6, der Doppellader Koks 90 •6 kostet, und doch fährt man den Eisenstein wesentlich billiger als den Koks. Schon aus diesen wenigen Zahlen werden Sie ersehen, wie durch die bisherigen Eisenbahntarife die Hochofenindustrie des Siegerlandes gegenüber derjenigen des Ruhrreviers künstlich benachtheiligt worden ist. Sie haben ferner in dem heutigen Referat gehört und in dem bekannten Artikel der Kölnischen Zeitung vom 27. Januar d. J. gelesen, dafs das Eisenhüttengewerbe am Niederrhein, an der Ruhr das bedeutendste sei. Das stimmt jedoch nicht ganz mit den officiellen Zahlen. Die Eisenerz förderung des Preufsischen Staates hat im Jahre 1886 betragen 3 555 493 t. Daran participiren die Reviere, welche Spath- und Brauneisenstein fördern, also das Siegerland mit 1 141 730 t, die Lahn mit ihren Rotheisensteinen u. s. w. einschliefslich des Briloner Reviers mit 666 750 t, der Oberbergamtsbezirk Dortmund mit 561 837 t. Sie ersehen aus diesen Zahlen, dafs die beiden Reviere des Sieg- und Lahngebiets, um deren Wohl es sich augenblicklich handelt, über die Hälfte der gesammten im Preufsischen Staate gewonnenen Eisenerze fördern. Ich komme nunmehr auf die Roheisenerzeugung. Es wurden producirt im Jahre 1886 im Oberbergamtsbezirk Breslau 374 493 t, im Bezirk Dortmund 1 150 546 t, und im Oberbergamts bezirk Bonn 929 422 t; es steht also in dieser Beziehung der Oberbergamtsbezirk Bonn gegen den Oberbergamtsbezirk Dortmund nur um rund 200 000 t zurück. Ob dieser Rückstand aber so bedeutend ist, dafs man den Oberbergamtsbezirk Bonn als Roheisen producirenden Bezirk gänzlich von der Landkarte verschwinden lassen kann, um der Roheisenindustrie des Oberbergamtsbezirks Dortmund auf die Beine zu helfen, erscheint mir doch sehr zweifelhaft. Dafs der Oberbergamts bezirk Dortmund überhaupt in dem Quantum der Roheisendarstellung dem Oberbergamtsbezirk Bonn voraus ist, ist nur eine Folge der anfangs von mir erwähnten Frachtbegünstigungen; beständen dieselben nicht, so würde wahrscheinlich das Umgekehrte der Fall sein. Diese Frachtbegünstigung, welche das Ruhrrevier schon vor Einführung des sogenannten Nothstandstarifs genofs, ist seinerzeit durch Hrn. Weinlig berechnet worden und bezifferte sich dieselbe nach dessen damaliger Rechnung auf rund 2 •6 pro Tonne Roheisen zu Gunsten der Hochofenindustrie des Ruhrreviers gegenüber derjenigen des Siegerlandes. Die Zahlen sind von Hrn. Weinlig seinerzeit im bergbaulichen Verein in Siegen, zu dessen Mitgliedern die Firma Fried. Krupp in Essen und Gutehoffn ungs- hütte in Oberhausen gehören, mitgetheilt worden, und es ist von den anwesenden Vertretern dieser beiden Firmen kein Widerspruch dagegen erhoben worden, ich glaube also berechtigt zu sein, dieselben für richtig zu erklären. Trotz dieser Vortheile, die Ihre Hochofenindustrie jetzt schon gegenüber derjenigen des Sieg- und Lahngebiets geniefst, verlangen Sie noch weitere durch die auf Staatskosten auszuführende Kanalisation der Mosel. In der Eingabe vom 9. November 1885, die unterzeichnet ist von einer grofsen Anzahl von Herren aus Westfalen und vom" Niederrhein und die Kanalisation der Mosel betrifft, heifst es unter Anderem: „Bei einer Frachtermäfsigung von 35 %, also von 2,20 für die Tonne Eisenstein, würden sie (die Unterzeichner) die Tonne Roheisen um rund 7 6 billiger herzustellen können.“ 7 •6 — was das bedeutet, glaube ich hier vor Sachverständigen nicht erläutern zu brauchen. Dafs die Herren das selbst eingesehen haben, dafs bei Eintritt solcher Verhältnisse die Eisenindustrie im Sieg und Lahngebiet nicht mehr lebensfähig sei, documentirt sich im zweiten Satze, der also lautet: „Der Erzbergbau ist namentlich in Lothringen im höchsten Mafse entwicklungsfähig; seine weitere Entwicklung würde eine Quelle des Wohlstandes werden und voraussichtlich vielen beschäftigungslosen Bergleuten von der Lahn und Sieg Arbeit geben.“ In dem Aprilheft des Jahres 1886 der Zeitschrift »Stahl und Eisen« ist eine gleichfalls die Moselkanalisation betreffende Eingabe abgedruckt, in der über diese Frage folgendes gesagt wird: „Bis im allergünstigsten Falle die Kanalisation der Mosel beendet sein kann, wird der bereits seit Jahren im Gange befindliche Verschiebungsprozefs so grofse Fortschritte gemacht haben, dafs die Eröffnung der neuen Verbindung zwischen dem Ruhrkohlen- und dem lothringischen Erzrevier keinen nennenswerthen Einflufs (auf die Eisenindustrie des Siegerlands) mehr haben kann.“ Hier schlägt man also den Todten nochmals todt. M. H.! Die Herren Hochofenbesitzer, des Ruhrreviers behaupten ferner sie seien in einer Nothlage und defshalb zur Stellung der in der Resolution niedergelegten Forderungen gezwungen. Ich mufs gestehen, .für diese Behauptung sind keinerlei Beweise erbracht worden. Ich kenne aller dings Bilanzen von Eisen- und Stahlwerken des Ruhrreviers aus neuerer Zeit, die nicht glänzend sind, ich habe aber gefunden, dafs da, wo diese nicht schönen und nicht glänzenden Bilanzen