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gern erfahren, wie hoch Siegerland und Nassau den Gewinn aus den gewährten Tarifnachlässen beziffern? — Die natürlichen Verhältnisse in Luxemburg-Lothringen und die mit kluger, nachahmenswerther Umsicht von den dortigen Hüttenbesitzern herbeigeführte Geschäftslage sichern den Hochöfen höchst namhafte Gewinne. Da ihre einheitlichen Preisstellungen für den Verkauf des Minette-Roheisens überhaupt mafsgebend sind, so geniefsen die Saarwerke mehr oder minder gleiche Vortheile. Die Gesammterzeugung von Lothringen, Saar und Luxemburg betrug 1887 etwa 1 177 700 t, worauf man sicherlich einen Ueberschufs von mindestens 11 Millionen Mark annehmen kann. Dieser grofsen Summe steht die von den Ruhrwerken erstrebte Frachtermäfsigung bescheiden genug gegenüber. Sie ist bei der thatsächlichen Ertragslosigkeit der Mehrzahl zum gesunden Fortbestehen nothwendig. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen handelt es sich keineswegs um eine Vergewaltigung des Saarbezirks, sondern um mäfsigen gerechten Ausgleich einer natürlichen und künstlichen Uebermacht, aus dem die Saarwerke ihren vollen Nutzen ebenfalls ziehen. Unsere dortigen Freunde besorgen in Gemeinschaft mit ihren Genossen an Sieg, Lahn und Dill durch ihren Widerspruch gegen Erleichterung des Minettebezuges unentgeltlich die Geschäfte ihrer Nachbarn, der Hüttenbesitzer in Luxemburg ■ Lothringen, welche sich im Geheimen erfreut darüber die Hände reiben. Im blinden Eifer leugnet man sogar die Vortheile einer, durch die ausreichende Kanalisation der Saar und Mosel hergestellten, unmittelbaren Verbindung mit den holländischen und belgischen Seehäfen. Die Zukunft der Eisenindustrie im Westen Deutschlands ist unschwer zu übersehen. Die natürliche Anziehungskraft zwischen einem Eisensteinvorkommen, das auf 2400 Millionen Tonnen geschätzt wird, und der gröfsten Kohlenablagerung auf dem europäischen Festlande, wovon etwa 22 500 Millionen Tonnen aufgeschlossen sind, ist bei der nicht bedeutenden Entfernung beider so grofs und übermächtig, dafs Niemand das Zusammenkommen hindern kann. Erschweren unwirth- schaftliche Frachtsätze den Bezug der Erze nach dem Kohlenbezirk, so rückt die Eisenindustrie allmählich von der Ruhr zur' Minette. Ein grofses rheinisches Stahlwerk steht vor der Frage wegen Anlage von Hochöfen hier oder dort. Von der endgültigen Wendung der heute uns beschäftigenden Angelegenheit hängt die Entscheidung ab. Der letztjährige Bericht des Vorstandes der Actiengesellschaft Gutehoffnungshütte sagt mit dürren Worten, dafs deren Hochöfen auf den Bezug von Minette hingewiesen sind, bei den jetzigen Frachtsätzen „das hiesige Hochofengewerbe den Wettkampf dauernd nicht aufrecht erhalten kann und, wenn nicht Wandel geschaffen, genöthigt sein wird, die Hochöfen kalt zu legen und neue Oefen an den Grenzmarken des Reiches zu errichten.“ Eine solche Verschiebung, gröfser als jede andere, welche unsere Gegner befürchten, würde ohne Gnade und Barmherzigkeit Sieg, Lahn und Dill, ja selbst die Saar mit hineinziehen. Schon jetzt verlautet, dafs ein Hauptwerk der Saargegend Hochöfen auf lothringischem Boden errichten will; ein anderes — ist bereits Mitbesitzer grofsartiger Hochofenanlagen in Luxemburg. Den niederrheinisch-westfälischen Hütten bleibt vielleicht nichts anderes übrig, als auch den Weg nach Canossa oder vielmehr nach Lothringen anzutreten. Wir dürfen angesichts dieser Unvermeidlichkeit wohl fragen: Soll Preufsen seine bedeutendsten Werke, welche beinahe die Hälfte der ganzen Roheisenmenge des Königreiches erzeugen, auswandern lassen, oder soll es durch kluge und weise Mafsregeln ein richtiges Gleichgewicht zwischen den Reichslanden und dem Schwerpunkte der eigenen Industrie herstellen? Ich kann als alter Wehrmann den Gedanken schlecht fassen, dafs die heldenmüthigen niederrheinischen Füsiliere vom 39. Regiment mit zäher Ausdauer den Spicherer Berg festhielten, bis Hülfe den Sieg entschied, dafs die tapferen Westfalen vom 16. Regiment, echte Söhne der rothen Erde, in jener grausigen Schlacht bei Mars la Tour zwei Drittel ihrer Mannschaften verloren, damit der materielle Gewinn ihrer Heldenthaten zum gröfsten Theile Fremden und Protestlern in den Schoofs falle, ihre eigene Heimath nicht nur leer ausgehe, sondern sogar den bisherigen Besitzstand gefährdet sehe. Wir gönnen den Besitzern und Actionären der Eisenwerke an der Saar, in Lothringen und Luxemburg die gewohnten hohen Erträgnisse, können aber nicht glauben, dafs sie ein Alleinrecht auf die unterirdischen Schätze der mit preufsischem Blute so theuer erkauften Reichslande besitzen. M. H. 1 Wenn ich mich auf den immerhin einseitigen Standpunkt eines Vertreters von Niederrhein- Westfalen gestellt habe, so glaube ich volle Berechtigung dazu in den thatsächlichen Verhältnissen zu finden. Der unsererseits Ihnen zur Annahme vorgeschlagene Beschlufs hat jedoch eine gröfsere Tragweite, er will der Allgemeinheit das gönnen, was wir im besonderen wünschen und anstreben. Die Resolution lautet: In Erwägung der Thatsache, dafs die Lebensfähigkeit der niederrheinisch-westfälischen Hochofenindustrie, welche sich, soweit sie zur Herstellung von Roheisen für das Thomas- verfahren übergegangen ist, mehr und mehr auf den Bezug lothringischer Minette angewiesen