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März 1888. «STAHL UND EISEN.“ Nr. 3. 151 Eine höchst merkwürdige Erscheinung ist die unverhohlene Feindschaft der Königl. Regierung zu Trier gegen wirksame Verbesserung des Fahrwassers der Mosel. Sie tritt damit in einen son derbaren Gegensatz zur Staatsverwaltung, denn in den Acten, auf dem Papiere besitzt die Mosel eine Fahrtiefe von mindestens 0,9 m. Die preufsische Regierung hat die Herstellung einer solchen beabsichtigt und dafür grofse Summen ausgegeben. Wenn diese, bis in die Neuzeit festgehaltene, gute Absicht selbst nicht annähernd erreicht wurde, so lag dies an dem damals unvollkommenen Stande der Wasserbaukunst. Die seither gemachten Fortschritte müssen erst recht zur Durch führung des vor vielen Jahren gegebenen Versprechens in einer der heutigen Technik entsprechenden Vollkommenheit veranlassen. Der Main wurde in kurzer Zeit für eine verhältnifsmäfsig kleine Summe bis Frankfurt in eine treffliche Wasserstrafse umgewandelt. Frankfurt ist zum allgemeinen Erstaunen eine Rheinstadt geworden. Der Wasserverkehr hat sich innerhalb Jahresfrist in nicht geahnter Weise entwickelt. Die Moselstädte, Trier vor allen, würden dasselbe Glück haben. Wir müssen es als seltsam bezeichnen, dafs man mit einem Federstriche die älteste Cultur- strafse Westdeutschlands aufgeben will. An den Ufern der Mosel blühten Gesittung und christliches Leben, Kunst und Literatur, während im übrigen Deutschland Bären und Auerochsen hausten, noch Menschenopfer den heidnischen Göttern dargebracht wurden. Der Regierungsbezirk Trier erhält sein eigenthümliches Gepräge durch die Mosel, sie ist die wahre Lebensader des ganzen Landstriches von jeher gewesen. Erschwingliche Geldsumme können ihr nicht nur den verlorenen, sondern sogar einen weit gröfseren Verkehr wiedergeben, und all diesen sicheren Aussichten gegenüber tritt die nächste Behörde für Verödung, für Beseitigung der Wasser strafse ein. Was würde die Welt sagen, wenn die Königl. Regierung zu Goblenz sich gegen eine Vertiefung des Rheines ausspräche, weil es einzelne Interessen schädigen könnte. Es giebt grofse allgemeine Gesichtspunkte, deren Vernachlässigung sich allemal später bitter rächt. Die Mosel soll und darf nicht dazu verdammt sein, nur Spenderin eines lieblichen Getränkes zu bleiben, ihre Bedeutung im Verkehrsleben steht fest und Niemand vermag dem Flusse das auf die Dauer zu rauben. Oberbergamt in Bonn und Bergwerksdirection in Saarbrücken sind dem Vernehmen nach ebenfalls feindlich gesinnt, die Staatsgruben in Nassau fürchten Schädigung ihres Absatzes bei erleichtertem Minettebezug, den Klagen des zu Bonn gehörenden Siegerlandes wird willig Ohr geliehen und die fiscalischen Kohlengruben sehen bereits voller Schrecken Ruhrkohlen und -Koks mitten in ihrem Bezirke. Gegen das Vordringen der Ruhrkoke ist nicht viel mehr zu streiten. Im Jahre 1886 betrug der Absatz der Saarbrücker Gegend nach Luxemburg 620 t Koks, nach Elsafs- Lothringen 185 764 t, während Niederrhein-Westfalen gegenwärtig sicher 400 000 t nach Luxemburg, 300 000 t nach Lothringen jährlich liefert, d. i. 33/4mal mehr. In Luxemburg kämpft nur Belgischer und Aachener Koks gegen westfälischen, Saarkoks ist dort gänzlich verdrängt. Der Hauptgrund liegt in der besseren Beschaffenheit der Ruhrkoks, daran ändert die Moselcanalisation nichts, dagegen ist der Kohlenabsatz nach dortiger Gegend verschwindend klein, wird auch niemals eine Bedeutung erlangen. Die Einreden der Gruben- und Hüttenbesitzer an Sieg, Lahn und Dill sind kaum verständlich, die Gefahr für Rotheisensteine und manganfreie Brauneisensteine liegt in den spanischen Erzen; je mehr deren Einfuhr abnimmt, desto stärker wird die Stellung Jener. Der Absatz rnanganhaltiger Erze aber mufs mit der Zunahme des Thomaseisens steigen. Gutes Thomaseisen soll 21/2 % Mangan enthalten, demnach sind in den 600 000 t am Niederrhein und in Westfalen erblasenen Thomaseisen 15 000 t Mangan. Nimmt man an, dafs 1/2 % Mangan = 3000 t aus anderweitigen Zuschlägen (Puddelschlacke) herrühren, dafs die verbrauchten Manganeisensteine durchschnittlich 10 % Mangan enthalten, und davon etwa die Hälfte in die Schlacke übergeht, so erfordert die genannte Menge Thomasroheisen zu ihrer Erzeugung jährlich 240 000 t manganhaltige Erze, welche von Sieg und Lahn bezogen werden. Je stärker die Eisenindustrie an der Ruhr sich auf Thomas eisen wirft, je weniger fühlen aufserdem die Werke an Sieg und Lahn den Wettbewerb in Puddel- und Giefsereieisen. Allseitig rechnet man uns vor, dafs aus einer Frachtherabsetzung von 21/3 •6 für Minette bei 331/3 % Eisengehalt eine Ersparnifs von 7 •6 auf die Tonne Roheisen erwachse, und dafs eine solche Ermäfsigung die anderen Hochöfen erdrücken werde. Zunächst entgegnen wir, dafs von einem Betriebe mit Minette allein niemals die Rede sein kann, und deshalb die Unterstellung hinfällig ist, Niederrhein-Westfalen würde sofort bei Einführung der billigeren Fracht jährlich auf seine ganze Roheisenerzeugung von etwa 114 Millionen Tonnen einen Gewinn von 7 e/6 auf die Tonne, im ganzen also 83/4 Millionen Mark einsäckeln. In der Eingabe vom 8. August 1885 bemessen die in Betracht kommenden Hochöfen ihren Bezug von Minette im Falle einer genügenden Frachtermäfsigung auf 615 000 t jährlich, was bei 21/3 Frachtherabsetzung eine jährliche Ersparnifs von 1 435 000 e/6 ausmacht. Wir möchten III.8 2