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Februar 1888. STAHL UND EISEN." Nr. 2. 107 umfangreich die Arbeit war, welche die Commission zu verrichten hatte, gibt die Thatsache, dafs sich in ihrem Bureau 110 000 Bücher, Documente, Fahrscheine, Tarife, Contracte und Vereinbarungen angesammelt haben. Gegenwärtig bestehen Zweifel über die Anwendung des Gesetzes auf diejenigen Exprefszuggesellschaften, welche den Eisenbahnen gegenüber unabhängig dastehen; in anderen Punkten hat jedoch die Commission bei der Ausführung des Gesetzes weit weniger Schwierig keiten gehabt, als man erwartet hatte. Unge achtet ihrer Drohungen haben die Gesellschaften doch im allgemeinen Vernunft angenommen. Obwohl fast bei allen Linien für lange Strecken niedrigere Frachtsätze als für kurze Strecken bestanden, so ist doch jetzt diese Anomalie in den meisten Fällen beseitigt. Es ist wohl wahr, dafs zuerst einige Gesellschaften sich dadurch schadlos hielten, dafs sie die Frachtsätze für den Transit-Verkehr erhöhten; aber selbst wo dies geschah, wurde es in manchen Fällen als zweckmäfsig betrachtet, im allgemeinen die Tarife zu ermäfsigen; in anderen Fällen wurde ein geeigneter Ausgleich allmählich dadurch herbei geführt, dafs die Localtarife in Uebereinstimmung mit den Transit-Tarifen gebracht wurden. Was das Pool-System (die Vertheilung der Einnahmen) betrifft, so scheint es, dafs dasselbe von den Gesellschaften ohne Kampf aufgegeben wurde. Sie haben jedoch ihre Verbindungen nicht auf gelöst, sondern sie zur Erleichterung des Verkehrs zwischen den verschiedenen' Linien, welche ein ander berühren, benutzt, und zum raschen und leichten Austausch der Güter. Selbst in der Erfüllung der schwierigsten ihrer Obliegenheiten, der Entscheidung über die Angemessenheit der Frachtsätze, scheint die Commission mehr Erfolg erreicht zu haben, als sie selbst erwartet hatte. Sie erklärt, dafs sie sich von zwei Principien leiten liefs: 1. Das öffentliche Interesse wird am meisten gefördert, wenn die Frachtsätze so gestellt sind, dafs sie den gröfstmöglichen Güter austausch zwischen verschiedenen Punkten der Vereinigten Staaten und zwischen diesem Land und anderen Ländern ermöglichen. 2. Der Nutzen, welchen die Concurrenz ver schiedener Eisenbahnen untereinander ge währt, mufs erhalten bleiben. Um das zuletzt erwähnte Princip zu wahren, wurde es nicht als wünschenswerth erachtet, ihrer speciellen Vortheile Städte zu berauben, welche in reichem Mafse die Mittel zur Ein führung von Erleichterungen für den Transit- Verkehr geliefert haben. Im ganzen ist die Commission zu dem befriedigenden Schlüsse ge langt, dafs die Wirksamkeit des Gesetzes, zu dessen Auslegung und Ausführung sie berufen war, vielfach sich für beide Theile: die Eisen bahngesellschaften und das Publikum, als vor- theilhaft erwiesen bat. Nachdem eine noch nicht einjährige Erfahrung ein solches Besultat ergeben hat, ist wohl kaum für die Zukunft in Zweifel zu ziehen, dafs das zur Regelung des Verkehrs erlassene Gesetz von Erfolg sein wird. Nachdem der kühne Versuch auf der anderen Seite des Atlantischen Oceans ein so glückliches Resultat geliefert hat, sollte sich unsere eigene Regierung ermuthigt fühlen, in der nächsten Session einen neuen Eisenbahn-Gesetzentwurf einzubringen. Derselbe müfste so entschieden gehalten sein, dafs das englische Publikum, welches deutlich genug gezeigt hat, dafs es eine halbe Mafsregel nicht annimmt, zufrieden gestellt wird. Die in der letzten Session eingebrachte Bill scheiterte an der unbilligen Bevorzugung ausländischer Waaren. Unsere amerikanischen Vettern hatten mit einer solchen Schwierigkeit nicht zu kämpfen; wäre es aber der Fall gewesen, so können wir sicher sein, dafs sie dieselbe rasch beseitigt hätten. Der ausländischen Concurrenz mit eigener Hand freien Spielraum zu schaffen, dazu sind unsere Vettern nicht geneigt, denn im höchsten Mafse thöricht würde es ihnen erscheinen, ihren Nebenbuhlern besondere Vortheile in der Form von aufserordentlich niedrigen Frachtsätzen zu gewähren. Ferner ist es nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dafs Vorzugstarife auf eingeführte Waaren in unserem Lande noch un erträglicher, wenn nicht sogar noch ungerechter, sind, als sie es in Amerika sein würden. Dort werden gewisse Producenten und die meisten Fabricanten auf Kosten der Consumenten ge schützt, so dafs die letzteren aus diesem Grunde einigermafsen berechtigt wären, besondere Er leichterungen bei dem Bezug ausländischer Waaren zu verlangen, für den Fall sie nicht eine solche Begründung als lächerlich betrachten würden. In unserem Lande haben jedoch nicht nur Pro ducenten und Fabricanten keine Privilegien, sondern es ist ihnen auch im Kampf mit der Concurrenz des Auslandes von den Eisenbahngesellschaften die nöthige Gleichberechtigung entzogen worden. Die conservaliven Führer haben sehr weise daran gethan, sich auf die Forderungen der Schutzzöllner („Fair Traders“) nicht einzulassen. Aber ihre Festigkeit, die Freihandelspolitik auf recht zu halten — welche für unsere nationale Wohlfahrt durchaus nothwendig ist, gleichviel । ob einzelne Theile des. Staats darunter leiden ; oder nicht — macht es für sie um so mehr zur Pflicht, die unbestreitbare Ungerechtigkeit zu beseitigen, welche durch die Eisenbahngesell- schäften der inländischen Industrie zugefügt wird. In der That besteht so lange, als die einheimischen Producenten ihren ausländischen Concurrenten gegenüber den Kürzeren ziehen, kein Freihandel.