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Die neuesten Forschungen auf dem Gebiete der mikroskopischen Untersuchung von Stahl und Eisen. In einem kleinen Aufsatze, welcher in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure* er schienen ist, habe ich einen geschichtlichen Ueberblick der Veröffentlichungen gegeben, welche über diesen Gegenstand von der Zeit an, wo man anfing, sich mit ihm zu beschäftigen, bis zum Ende des Jahres 1886 erschienen sind. Die seit jener Zeit auf diesem Gebiete gemachten Veröffentlichungen zeigen, dafs dieselben Forscher, welche sich von Anfang an um die Unter suchung des Kleingefüges des Eisens und Stahls verdient gemacht haben, eifrig auf der betretenen Bahn fortgeschritten sind: Martens, Wedding, Sorby, Lynwood Garrison. Seinem gleich bei der ersten Veröffentlichung über die mikroskopische Untersuchung von Eisen und Stahl ausgesprochenen Grundsätze, dafs man hierbei nur an Schliffen untersuchen müsse, weil ein Bruch die Wirkung der Schwächung auf die einzelnen Krystalle, nicht aber ihr eigentliches Gefüge zeige, ist Sorby treu geblieben; und auch Wedding und Lynwood Garrison legen ihren Beobachtungen nur Schliffe zu Grunde. Allein, indem Martens von dem Grundsätze ausgeht, zuerst an Bruchflächen zu beobachten und dann zu der Untersuchung vou Schliffen überzugehen, ist er imstande gewesen, werth- volle Ergänzungen zu den nur an Schliffen ge wonnenen Ergebnissen zu schaffen, und man mufs ihm Recht geben, wenn er sagt:** „Bei dem Studium des Kleingefüges der Metalle wird man am sichersten zum Ziele kommen, wenn man dem früher von mir eingeschlagenen Wege folgt, und, von den Bruchflächen ausgehend, die Krystallisationserscheinungen erforscht und schliefs- lieh zu den Schliffflächen übergeht. Nachdem man hier die Hauptvorkommnisse studirt hat, wird man zweckmäfsig zum Studium der Neben erscheinungen, wie sie durch die einzelnen Hütten- und Verarbeitungsprocesse bedingt sind, schreiten. Greift man sofort und ohne derartige vorbereitende Arbeiten zur Untersuchung der Nebenerscheinun gen, so dürften Voreingenommenheit und Trug schlüsse leicht sich einstellen.“ Eine fernere Meinungsverschiedenheit der Forscher besteht darin, dafs zur Fixirung der Beobachtungen Lynwood Garrison einzig die Photographie für geeignet hält, Martens aber auf Handzeichnungen grofsen Werth legt. Was der Erstere auch zu Gunsten der Photographie * »Zeitschr. d. V. d. Ing.«, 5. Febr. 1887. ** »S’ahl und Eisen«, April 1887. anführt, man wird der Ansicht Martens, nicht widersprechen können, «dafs die Photographie für den Mikroskopiker immer nur ein Hülfsmittel sein könne, das seine Gefahren in sich birgt, und dafs der Beobachter, welcher selbst seine Zeichnungen fertigt, gerade durch diese Arbeit veranlafst wird, viel genauer und tiefer in die Einzelheiten seiner Forschungsgegenstände ein zudringen , als derjenige, welcher sich mit der blofsen Beobachtung und der Photographie be gnügt, und dafs endlich letztere allein verwendet, gar zu leicht Selbstzweck wird und dann zur Verflachung und Flüchtigkeit führt.“* Sorby und Lynwood Garrison geben ihren Veröffentlichungen nur Photographien, Wedding nur Handzeichnungen und Martens beides bei. Hierbei wird gewifs jeder bemerken, dafs die Photographien der beiden erstgenannten Forscher weniger zufriedenstellend sind, was zum Theil wohl in der Methode des Reproducirens durch den Druck seinen Grund haben mag. Zu den Methoden der Herrichtung der Probe- stücke zur Erforschung des Kleingefüges von Eisen und Stahl sind sehr interessante Beiträge geliefert worden. In dem Vortrage, welchen Sorby auf der Frühjahrsversammlung des »Iron and Steel Institute«** gehalten hat, macht er darauf aufmerksam, dafs trocken geschliffene Stücke den Vortheil bieten, dafs sie nicht geätzt zu werden brauchen, gröfsere Widerstandsfähig keit gegen Verrosten besitzen, und dafs die Ecken der barten Bestandtheile nicht abgerundet und die weicheren Theile nicht tiefer ausge- schliffen erscheinen. Hierzu ist zu bemerken, dafs die gröfsere Widerstandsfähigkeit gegen Verrosten bei trocken hergestellten Schliffen ge wifs zutrifft, in bezug auf die anderen hier ange führten Punkte aber auch gegentheilige Erfah rungen gemacht worden sind. Wedding be richtet***, «dafs die Frage, ob eine Aetzung für die Beobachtung zweckmäfsig sei, sich meistens erst nach dieser Operation entscheiden läfst, im allgemeinen sei die Aetzung um so günstiger, je kohlenstoffreicher das Eisen ist; ferner müsse die Aetzung in allen Fällen sehr schwach sein, die richtige Stärke derselben wird mit der Lupe beurtheilt, es darf sich niemals eine graue Haut bilden, sonst war die Aetzzeit zu lange. Zwischen geätzter und ungeätzter Probe der gleichen Art * a. a. 0. ** »Iron« 1887, p. 27 und »Glasers Ann.«, October 1887, p. 123. *** »Stahl und Eisen«, October 1886.