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Mitisgüsse. Von A. Ledebur. Dem Leser englischer oder amerikanischer Fachblätter werden nicht selten schon Anzeigen oder Mittheilungen über Mitis-castings vor Augen gekommen sein. Man hat Vorträge über diesen Gegenstand gehalten, einzelne Werke haben das Verfahren aufgenommen, und auf Ausstellungen, z. B. in Antwerpen und Manchester, waren Gegen stände aus Mitisgufs zur Anschauung gebracht. In Deutschland hat man sich bis jetzt dem Ver fahren mit dem fremdartigen Namen gegenüber ziemlich kühl verhalten — ob mit Recht oder Unrecht, möge einstweilen dahingestellt bleiben. Da indessen jenes Verfahren unleugbar bereits eine gewisse praktische Bedeutung erlangt hat, folge ich gern einer an mich ergangenen Auf forderung, cs einer kurzen sachlichen Besprechung in unserm Blatte auf Grund der bisherigen Ver öffentlichungen zu unterziehen. Ich enthalte mich dabei eines Urtheils darüber, ob jene praktische Bedeutung dauernd oder — wie wir es bei zahl reichen anderen »Erfindungen« erleben — nur vorübergehend sein wird, da eine der in dieser Beziehung wichtigsten Fragen noch offen zu sein scheint: ob nämlich die Kosten des Verfahrens nicht im Mifsverhältnisse zu seinen gerühmten Vortheilen stehen. Der Vater des Mitisprocesses, welcher dem Kinde den Namen gab, ist Hr. T. Nordenfeit in London; in einer zu Carlsvik bei Stockholm ge legenen Eisengiefserei wurden die ersten Versuche gemacht und dann das Verfahren dauernd ein geführt. Die ersten Mittheilungen darüber gelangten im Mai 1885 in die Oeffentlichkeit durch eine Abhandlung, welche Hr. Nordenfeit der Früh jahrsversammlung des Iron and Steel Institute vorzulegen beabsichtigte, wo sie jedoch aus Mangel an Zeit nicht zur Verlesung kam. Sie wurde dann im »Engineering«, Band XXXIX, Seite 561, veröffentlicht. Wie sich aus dieser Abhandlung ergiebt, lag der Erfindung des Verfahrens das Bestreben zu Grunde, die in der erwähnten Giefserei bis dahin in der gewöhnlichen umständlichen Weise er zeugten Gegenstände aus schmiedbarem Gusse ohne weiteres aus ganz kohlenstoffarmem, weichem Eisen zu giefsen und so das Verfahren des Temperns entbehrlich zu machen. Man schmolz also schwedisches Alteisen — Hufeisen, Niete und dergleichen mehr — in Tiegeln und gofs das flüssige Metall in Formen. Zur Erzeugung der für das Schmelzen und die Ueberhitzung dieses kohlenstoffarmen Eisens erforderlichen hohen Temperatur verwendete und verwendet man noch jetzt Petroleumrückstände oder auch Petroleum als Brennstoff. Jeder der zu Carlsvik eingerichteten Oefen fafste sechs Tiegel, welche in drei Reihen zu je zwei Stück hintereinander aufgestellt wurden. Zunächst wurde das an der heifsesten Stelle des Ofens befind liche Tiegelpaar herausgenommen und ausgegossen; die dahinter stehenden Tiegel wurden vorgerückt, ein neues Paar an der am wenigsten heifsen Stelle aufgestellt, u. s. f. In dieser Weise wurde innerhalb einer zwölfstündigen Schicht acht bis zehn Mal aus einem Ofen gegossen, wobei der Einsatz eines einzelnen Tiegels 60 Pfund betrug. Dafs etwa ein fremder Zusatz bei oder nach dem Schmelzen erforderlich sei, wird in diesem ersten Berichte nicht erwähnt. Einige fernere Mittheilungen über das Ver fahren machte im Februar 1886 Hr. Oestberg aus Stockholm auf der Versammlung der ameri kanischen Mining Engineers zu Pittsburg.* Nach seiner Aussage wurden damals in den erwähnten Petroleumöfen bereits 11 Schmelzungen in 12 Stunden ausgeführt, jeder Tiegel mit 67 Pfund besetzt und zu sechs bis sieben Schmelzen be nutzt. Als Material für die Gufsformen ver wendete man reinen feuerfesten Thon, welcher gebrannt, zerkleinert und mit Melasse oder Zucker als Bindemittel vermischt wird. Dieses Form material soll an Vorzüglichkeit alle übrigen über treffen. Das Ausgiefsen erfolgt mit Hülfe einer (auch schon von Nordenfeit erwähnten) Giefspfanne, welche durch einen Deckel geschlossen und mit einer besonderen Heizvorrichtung versehen ist, um eine heifse, schwach reducirende Flamme oberhalb des Metallbades zu erzeugen und solcherart dieses vor Abkühlung und Oxydation vor und während des Giefsens zu schützen. Als fernerhin wichtig aber bezeichnete Oestberg die Anwendung eines Zusatzes von 0,05 bis 0,1 % Aluminium zu dem geschmolzenen Metalle, wodurch dieses die Neigung, Gase zu entwickeln, verlieren, dünn flüssig werden und die Fähigkeit erlangen soll, auch dünne Querschnitte leicht auszufüllen. Man benutzt nicht reines Aluminium, sondern Aluminium eisen, welches zugleich etwas Silicium und Kohlen stoff zu enthalten pflegt. Fragt man sich nach dem Werthe dieser Mitte, so wird man nicht in Abrede stellen * Transactions of the American Institute of Mining Engineers vol. XIV, p. 773.