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Beträge, während der Märkische Knappschaftsverein etwa nur 1/60 seiner Gesammtauslagen für Ver waltungskosten bedarf, demnach 20 mal weniger als die genannte Berufsgenossenschaft. Wir übersehen keineswegs, dafs die ersten Jahre Versuchszeiten sind, dafs die Entschädigungen wachsen und daher das Verhältnifs derselben zu den Verwaltungskosten sich ändert, aber die Hauptschäden liegen in der Organisation, und nur durch gründliche Aenderungen ist eine Besserung möglich. Das Genossenschaftswesen zu beseitigen, dürfte gegenwärtig kaum mehr angehen; man mufs sich mit demselben abfinden und durch Beseitigung einer ganzen Zahl von Sectionen und Berufsgenossenschaften Wandel schaffen. Die Vielschreiberei bei den Genossenschaften ist grenzenlos. Das verbrauchte Papier beziffert sich nicht nach Gentnern oder Tonnen, sondern nach Waggonladungen. Die unbedeutendste, nicht einmal arbeitsunfähig machende Verletzung verlangt Ausfüllung von 3 Formularen, welche in geschlossenen Briefumschlägen an Section, Polizei und Vertrauensmann gehen. Warum nicht in solchen Fällen eine einzige vorläufige Anzeige mittels Postkarte genügt, bleibt unerfindlich. Der Verfasser ist zwei Jahre lang Vertrauensmann gewesen, dabei mit einer Menge überflüssiger Dinge geplagt worden, hat aber während dieser Zeit thatsächlich nur „leeres Stroh gedroschen“, j und hegt den Verdacht, dafs es mit manchem ' Anderen kaum besser bestellt ist. Nur l wenige Berufsgenossenschaften erkannten die Nothwendigkeit, durch möglichst einfache, spar same Haushaltung die Klippe zu umschiffen, zwischen welche das Gesetz die Arbeitgeber leider lenkte. Einzelnen ist das sogar thatsächlich durch die Ungunst der bestehenden Verhältnisse nicht möglich gewesen, und hier trifft die Schuld allein Gesetzgeber und Ausführungsbehörde. Wenn der Staat bei der Invaliden- und Altersversorgung die Berufsgenossenschaften zu Trägern der Versicherung machen will, so liegt augenscheinlich der Grund in der Einsicht, sich mit Schaffung des Genossenschaftswesens gründ lich geirrt zu haben, und in der Absicht, nachträglich durch Ueberweisung weiterer Thätig- keit aus der Sackgasse herauszukommen. Das ist in der Denkschrift zu den Grundzügen der Alters- und Invalidenversorgung ziemlich klar ausgesprochen. Es heifst dort: „Die letzteren — nämlich die Berufsgenossenschaften — werden durch Ueberweisung der neuen Einrichtung einen festeren Kitt und mehr Inhalt erhalten. Dadurch wird zugleich den Bedenken begegnet, dafs die selben durch die soeben durchgefühlte berufs ständige Organisation für die Zwecke der Unfall versicherung ein zu grofser Apparat sind.“ Ein schärferes Armuthszeugnifs konnte der Gesetz geber sich selbst nicht ausstellen. Weil er einen Fehler gemacht, will er einen zweiten begehen, um den ersten auszumerzen oder abzuschwächen. Auf diesem Wege liegt nicht das Heil, sondern in gründlicher Aufräumung des ungeheuerlichen Apparates, der bedauerlicherweise trotz viel seitiger Warnungen geschaffen wurde, und just deshalb ist die Beachtung der von den ver schiedenen wirthschaftlichen Vereinen, welche am 2. und 3. December v. J. in Berlin tagten, gegebenen Rathschläge dringend nothwendig. Offen gestanden zweifeln wir daran, dafs dies der Fall sein wird, befürchten vielmehr, dafs die Regierung ihren Vorschlag, den Berufsgenossen schaften die Geldwirthschaft der Invaliden- und Altersversorgung aufzubürden, durchdrückt, damit aber das Genossenschaftswesen in eine noch bedenk lichere Lage als die gegenwärtige bringt. Niemand gesteht gern begangene Mifsgriffe ein. Einzelne Heifssporne waren auf dem besten Wege, sich schon als Apostel der neuen Heils wahrheiten zu fühlen. Sie sahen bereits im Geiste aus einer berufsgenossenschaftlichen Vor standsversammlung eine Art Staats- oder Wirth- schaftsrath entstehen, dessen tiefe Weisheit in allen Fällen die richtigen Bahnen anzeigen sollte. Leider machten besonnene, nüchterne Männer diesen Seifenblasen bald ein jähes Ende und wiesen die Streber in die gebührenden Schranken zurück, worüber die Eiferer gewaltig erbosten. Einstweilen ist Unterstützung der Verletzten und Hinterbliebenen, aber nicht Vielschreiberei, Ver waltungssport und Beschäftigung mit fremden Dingen Zweck der Unfallversicherung. J. Schlink.