Volltext Seite (XML)
Januar 1888. STAHL UND EISEN.“ Nr. 1. 13 Unterschied zwischen Legirung und chemischer Verbindung ist doch darin zu suchen, dafs in der Legirung ein Element als Molekül, in der chemischen Verbindung nur als Atom in Betracht kommt. Soll eine chemische Verbindung vor sich gehen, so mufs die Grenze der Theilbarkeit, an der das Molekül steht, überschritten werden. Es mag daher krystallinische Legirungen geben, es mögen Legirungen stets in bestimmten pro- centischen Mengen zusammengesetzt ganz charak teristische und von Gemengen derselben Körper in anderen Verhältnissen abweichende Eigen schaften haben, es mögen sich auch aus Ge mengen von Metallen in beliebigem Verhältnifs beim Schmelzen Legirungen von bestimmter pro- centischer Zusammensetzung von dem übrigen Gemenge krystallinisch oder durch sonst eine Art absondern, ja es mag eine Säure einen Körper, sobald er mit einem andern in gewissem Verhältnifs legirt ist, nicht mehr angreifen, — eine solche Vereinigung bleibt Legirung, so lange die Elemente als Moleküle in Betracht kommen. Es kann also unmöglich ein Element als allo- tropische Modification, so wie dieser Begriff durch die gegebenen Formeln gefafst wird, in eine chemische Verbindung eintreten. * Wenn wir uns nun auf die oben entwickelte Anschauungsweise beziehen, so sind die Er klärungen für die schon angeführten so wohl, als auch für eine ganze Reihe anderer beim Eisen beobachteter Erscheinungen mit grofser Leichtigkeit und dem Wesen der Erscheinungen auf das genaueste entsprechend zu geben. Die Bildung von Kohlenwasserstoff bei Be handlung von Eisen mit Säuren wird dadurch hervorgerufen, dafs durch die Einwirkung der Säure die Legirung von Eisen mit C = £=C zerstört wird, die Modification ihr drittes — ohnehin nur leicht gebundenes — Atom abgiebt, welches sich, da es in statu nascendi sich be findet, mit dem frei werdenden Wasserstoff ver bindet ; etwa 2Fe + C —V — C + 4HCl = 2FeCl2 + CH4 + G = C. Das Ausscheiden von Graphit bei langsamem Erkalten geschmolzenen Eisens hat darin seinen Grund, dafs beim Festwerden der Masse die Legirung zerfällt und die Kohlenstoffmodification in Graphit übergeht. Hat die Masse einen ge wissen Grad der Festigkeit erreicht, so leistet sie der durch das Umbilden von 2C ^c. = C in 3C C bedingten Volumenvergröfserung Widerstand, so dafs die Umbildung nicht mehr vor sich geben kann und die Legirung bestehen bleiben mufs. Hierdurch ist auch die oben erwähnte, von Martens beschriebene Beobachtung in ihrer Eigen thümlichkeit erklärt. Das abnorme Verhalten des Eisens in bezug auf seine Ausdehnung beim Erwärmen, sowie das nochmalige Aufleuchten beim Erkalten findet ebenfalls seine Erklärung in der Umbildung von 3CECin2C=C=C oder umgekehrt. Die Erklärung für die Thatsache, dafs flüssiges Eisen höheres specifisches Gewicht hat, als festes, ergiebt sich nunmehr von selbst. Zum Zweck der mikroskopischen Unter suchung hergestellte Schliffe von Eisen zeigen an denjenigen Stellen, welche den ausgeschiedenen * Die Annahme der chemischen Bindung einer Modification eines Elementes hat Schönbein zuerst gemacht, allerdings unter Zugrundelegung eines un haltbaren Begriffs von Modification. Was aus den von Schönbein gegebenen Formeln zu ersehen ist, kann nicht mit der Erkenntnifs in Uebereinstimmung gebracht werden, dafs die Modificationen der Elemente durch Verbundensein von Atomen desselben Elementes in verschiedener Anzahl zum Molecül entstehen. Graphitblättern zunächst liegen, häufig Rosi ansätze, während die Theile, welche den Graphit ausscheidungen entfernt liegen, der Oxydation gröfseren Widerstand leisten. Dies ist ein Beweis für das Vorhandensein freien Eisens in der Nähe der Graphitblätter, welches seinen chemischen Charakter freier äufsern kann, als das den Graphit ausscheidungen entfernt liegende in Legirung mit G = c = C befindliche. Wo also die Modification C=C=C in Graphit übergegangen ist, da ist das Eisen mit dem Kohlenstoff nur mechanisch gemengt. Wird Stahl durch Festigkeitsversuche zum Fliefsen beansprucht, so rosten die Stellen, an denen das Fliefsen stattgefunden hat, bei weitem leichter, als die übrigen Partieen der Probe stücke. Auch in Bruchflächen zerrissener Stäbe, die sehr stark geflossen sind, zeigen sich die Stellen, wo nach theoretischen Grundsätzen das Fliefsen am lebhaftesten ist, d. i. in der Nähe der Stabachse, am schnellsten verrostet. Die Erklärung dafür ist wieder in der Umbildung von 2C=C=Cin3c- C und dem damit verbundenen Zerfall der Legirung von Eisen mit C=C=C zu suchen. Wenn dieser Umbildung beim Er kalten dadurch Einhalt gethan wurde, dafs das Material in bestimmtem Grade fest wird, so darf jetzt angenommen werden, dafs es für jedes