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Juli 1888. / „STAHL UND EISEN.“ Nr 7. 469 Ein Pariser Banquier über die deutsche Silberfrage. * Hr. Ottomar Haupt sagt in zwei Artikeln der »Kölnischen Zeitung« vom 26. und 27. März d. J., er sei Jahre lang für internationalen Bime- tallismus mit England eingetreten und nur durch die Ueberzeugung, dafs England niemals die Doppelwährung, wie er sie von ihm verlange, einführen werde — zum Mono metallismus abgedrängt worden. Nun kann offenbar Englands Münzpolitik ein wirthschaftlich richtiges Princip nicht falsch und ein falsches nicht richtig machen, sondern höch stens ein richtiges als zur Zeit nicht durch führbar oder ein herrschendes unrichtiges als das zur Zeit geringere Uebel erscheinen lassen. Danach könnte es scheinen, als ob Hr. Haupt diese Frage nicht vom Standpunkte systematisirender Theorie, sondern von dem opportunistischer Ge schäftsanschauung behandelte. Darin würden wir vollständig mit ihm übereinstimmen, denn die Systematik der grauen Theorie hat diese hervorragend praktische Frage bei uns gerade so sehr in den Sumpf geritten. Leider aber steckt er, wie wir später sehen werden, selbst noch tief mit in diesem Sumpf der Systematik und hat sich nur zur Abwechslung einmal vom linken Bein aufs rechte gestellt. Die Fahrt »gegen den Strom« ist ihm zu langweilig geworden, wie manchem Andern. Aber auch sonst können wir in der Gesammtrichtung seiner Ausführungen absolut keine logische Folgerichtig keit anerkennen, wohl aber finden wir eine Reihe von einzelnen Behauptungen vor, die mit den Thatsachen unvereinbar sind, und gehen deshalb und weil diese Veröffentlichung eigentlich seit langer Zeit wieder die erste Kundgebung über diese wichtige Frage ist, etwas näher darauf ein. „Nach einem Verlust von 72 Millionen — so ist etwa der Gedankengang — stellte man in Deutschland 1879 die Silberverkäufe ein und verzögerte dadurch bis auf den heutigen Tag die Durchführung der reinen Goldwährung in Deutsch land. Diese Verzögerung ist vom prak tischen Standpunkte des Banquiers nicht gefährlich, Jeder weifs, dafs ein deutscher Wechsel nur in Gold (?) bezahlt wird und deshalb können die paar Hundert Millionen Silberthaler der deutschen Währung nicht irgend welchen Abbruch thun, um so mehr, als die deutschen Verkehrskanäle bei einem Gesammtvorrath von 2100 Millionen Mark (?) von Gold geradezu strotzen (?). * Die Redaction identificirt sich, wenngleich auch sie dem Beweisgange Ottomar Haupts nicht beistimmt, nicht mit den nachfolgenden Ausführungen ihres ge schätzten Herrn Mitarbeiters. Die Redaction. VII.8 „Zu einer Beunruhigung des Publi kums und einer geflissentlichen Ent- werthung der deutschen Valuta kann es also überhaupt gar nicht kommen.“ „Aber Angriffe auf die deutsche Valuta giebt es in Hülle und Fülle, und soweit sie sich auf das Vorhandensein einer so grofsen Menge Thaler stücke erstrecken, müssen sie sogar als gerecht fertigt erscheinen, und das ist um so fataler (!!), als man sonst in der ganzen Welt gewohnt ist, zu Deutschland emporzublicken und sich seine Einrichtungen zum Muster zu nehmen.“ „Auch darf man die ganze Sache nicht los gelöst von der Silberfrage betrachten, die in allen Staaten der Welt so viel Unheil angerichtet hat, noch anrichten wird und in einem grofsen Silberkrach enden mufs, dessen Eintritt nur eine Frage der Zeit ist.“ Schon wackelt es in der Türkei. Die Lateiner sündigen fortwährend. „Giebt es denn über haupt etwas Einfältigeres als die Abmachun gen der Lateinischen Union?“ Italien und Spanien prägen lustig darauf los. Holland thut gar nichts, in Frankreich „erdrückt der eigene und fremde Silberumlauf das Land förmlich und hindert jede Action, ja läfst nicht einmal den Gedanken an eine solche aufkommen“. In Belgien ist „die Lage geradezu kritisch“. Die Vereinigten Staaten nun erst verdienen eigentlich währungsmäfsig gar nicht mehr zu existiren. Alles machen sie anders, als es nach der neuesten und besten Meinung des Hrn. 0. Haupt ganz allein richtig ist; »das bessere Publikum« freilich und »die Geschäfts- und Bank welt« — sagt er — erklären dem Dollar ihrer Väter den offenen Krieg, die »mafsgebende Presse« verlangt seit Jahren ungestüm die Beseitigung der Blandbill — mais hlas 1 Die Majorität, also das »schlechtere« Publikum Amerikas läfst jedes Jahr 150 Millionen Francs in Silberdollars nach der Blandbill prägen, „täuscht die Bevölkerung „über das Ungesetzliche und die Gefahr „einer Ausgabe dieser arg entwertheten „Silbercertificate hinweg“ und — das ist das Abscheulichste dabei — befindet sich kanni balisch wohl dabei! — „In keinem Fall aber — „meint Hr. Haupt — wird in Europa ein Münz- „Politiker von Bedeutung in solchen Verhältnissen „eine Ermuthigung zur Vertheidigung des weifsen „Metalls mehr finden können!“ In England hat die Enquete ein so »elendes Fiasko gemacht«, dafs Hr. Haupt „darauf ver- „zichtet, nur noch ein Wort über dessen Haltung „in der Währungsfrage zu sagen“. Ist es doch dasselbe perfide Albion, welches ihn, der Jahre 6