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Juli 1838. »STAHL UND EISEN.“ Nr. 7. 457 Die heutigen Methoden der Eisenerzeugung und die Benennung der daraus hervorgehenden Eisengattungen.* Vortrag, gehalten im Verein für Eisenbahnkunde in Berlin von Dr. Wedding, Geh. Bergrath, Berlin. — M. H.l Vor mehr als elf Jahren, es war nach der Weltausstellung von Philadelphia, hatte ich die Ehre, Ihnen Mittheilung zu machen über eine von Vertretern aller hervorragenden eisen erzeugenden Völker vorgeschlagene Benennung der verschiedenen, in der Technik verwertheten Eisengattungen, zu welcher ein von mir in dem Institute der amerikanischen Bergingenieure ge haltener Vortrag die Anregung gegeben hatte. Trotz voller Uebereinstimmung der in die Commission berufenen Vertreter von Nord-Amerika, England, Frankreich, Schweden, Oesterreich und Deutschland hat sich die gewählte Benennung nur in den drei letzten Ländern Bahn gebrochen und ist hier allgemein angenommen. Zu der allgemeinen Annahme in Deutschland hat vor Allem die amtliche Anerkennung durch die Behörden geführt, welche ihre Aufnahme in die Statistik, die Zolltarife und die Handelsver träge veranlafsten. Vielleicht hat auch einiger- mafsen dazu die anscheinend glückliche Wahl des von mir erfundenen Woites »Flufseisen« beigetragen, welches eine bis dahin namenlose Eisengattung umfafste. Dieser Namengebung, welche ich kurzweg als germanische bezeichnen will, liegt folgende Eintheilung zu Grunde: Eisen Roheisen Schmiedbares Eisen Flufseisen Schweifseisen selaweilstani sch^iÄ. Man versteht unter Roheisen das im Hoch ofen erblasene, kohlenstoffreiche, nicht schmied bare Eisen, unter schmiedbarem Eisen das aus diesem erzeugte kohlenstofarme Product, welches Flufseisen heifst, wenn es aus dem flüssigen Aggregatzustande gewonnen , daher schlackenfrei erstarrt war, während der Name Schweifseisen dem aus dem teigigen Zu stande gewonnenen , daher schlackenhaltigen schmiedbaren Eisen zukomml. Ist eine dieser schmiedbaren Eisengattungen härtbar, so wird sie Stahl (Flufsstahl und Schweifsstahl), ist sie nicht härtbar, Schmied- eisen (Flufsschmiedeisen, Schweifsschmiedeisen) genannt. Amerikaner, Engländer und Franzosen ver warfen nach längerem Streite diese Namen gebung, theils aus eigensinnigem Gegensätze, * Nach vom Verfasser eingesandtem Sonder-Abdruck aus »Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen«. theils aus zollpolitischen Rücksichten, welche ihnen eine klare Bezeichnung nicht wünschens- werth erscheinen liefsen. Sie haben die folgende kurzweg als roma nisch bezeichnete Eintheilung gewählt: Eisen Roheisen Schmiedbares Eisen Stahl Eisen Härtbarer Stahl. Nicht härtb. Stahl. Hiernach zerfällt das schmiedbare Eisen in Stahl und Eisen, aber der Stahl ist nicht durch Härtbarkeit gekennzeichnet , zerfällt daher in härtbaren und nicht härtbaren Stahl. Zu dem härtbaren Stahl gehören unser Flufsstahl und Schweifsstahl, zum nicht härtbaren unser Flufs schmiedeisen , während unter die Benennung Eisen nur unser Schweifsschmiedeisen fällt. Dafs diese Eintheilung an grofser Unklarheit gegenüber der germanischen leidet, ist auf den ersten Blick erkenntlich. Leider hat man auch in Deutschland, in nicht immer ganz redlicher Absicht versucht, die germanische Namenbezeichnung durch die romanische zu ersetzen oder wenigstens mit dieser zu durchbrechen. Ob derartige Bestre bungen gerechtfertigt sind, oder ob nicht viel mehr unsere Namenbezeichnung auch trotz der erheblichen Veränderungen der eisenhüttenmän nischen Processe seit den letzten zwölf Jahren noch vollständig zutreffend bleibt, soll mein Vortrag, den ich auf Wunsch Ihres Vorstandes gern zugesagt habe, zu zeigen versuchen. Wenden wir uns zuerst zum Roheisen. Roheisen ist das kohlenstoffreiche, daher nicht schmiedbare, aber leicht schmelzbare Product des Hochofens. Freilich ist der Hochofen- procefs unvollkommen, erstens, weil ein werth- volles Brennmaterial zum gröfsten Theile nur zu Kohlenoxyd, statt zu Kohlensäure verbrannt, also die Wärme nicht genügend ausgenutzt wird, zweitens weil ein zum überwiegenden Theile nur als Zwischenmaterial dienendes Product, das kohlenstoffreiche, dabei Silicium, Mangan, Phosphor und Schwefel haltende Roheisen unter einem entsprechenden Mehraufwand von Wärme erzeugt wird; dennoch ist es bisher nicht ge lungen, einen vollkommeneren Procefs zu erfinden, und selbst die auf wissenschaftlich richtigen Grundsätzen beruhenden Bestrebungen von Fr. Siemens, den Flammofen an die Stelle des Hochofens zu setzen, und die von G. Westmann, den Procefs in zwei Theile, einen Reductions-