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geschwindigkeit der Walzscheiben. Daraus folgt, dafs dem Werkstücke an verschiedenen Stellen auch verschieden grofse Geschwindigkeiten mit- getheilt werden können, wenn inan sich vorstellt, dafs jeder der einwirkenden Walzkörper aus mehreren verschieden grofsen, daher mit ver schiedenen Umfangsgeschwindigkeiten einwirkenden Scheiben zusammengesetzt ist. Es wird sich dann an dem durch das Walzwerk sich hindurch schraubenden Werkstücke eine gewisse Strecke (Arbeitsstrecke) angeben lassen, innerhalb deren eine locale Verdrehung des als genügend bildsam vorausgesetzten Materials erfolgt. Hiernach wird man das neue Mannesmann’sche Walzver fahren als ein Tordirungswalzverfahren be zeichnen dürfen, weil es dem Walzstücke — ähnlich wie eine Spinnmaschine den Gespinnst- faden — eine Verdrehung oder Tordirung er- theilt. Für die Herstellung von Röhren aus massiven Blöcken läfst Mannesmann — unter Verwendung conoidischer Walzkörper — eine Schraubenbewegung an der Austrittsstelle mit gröfserer Geschwindigkeit einleiten, als an der Eintrittsstelle und man kann leicht ermessen, dafs bei einem sehr grofsen Werthe der Differenz dieser beiden Grenzgeschwindigkeiten das an der Austrittsstelle in der Zeiteinheit abgeführte (als Product von Querschnitt und Geschwindigkeit aufgefafste) Volumen gröfser sein kann, als das an der Eintrittsstelle zugeführte; in diesem Falle kann der kreisförmige Querschnitt an der Aus trittsstelle nicht ausgefüllt werden; reicht bei einem grofsen Unterschiede der beiden Geschwindig keiten und einem geringen Unterschiede der beiden Querschnitte an der Ein- und Austritts stelle die im Beharrungszustande an der Eintritts stelle zugeführte Materialmenge nicht aus, um den dargebotenen Querschnitt an der Austritts stelle auszufüllen, so mufs nothwendig ein ring förmiger Querschnitt entstehen, wenn nicht etwa infolge unregelmäfsiger Beschaffenheit des Werk stückes ein Zerreifsen desselben eintritt. So lange der äufsere Durchmesser des Werkstückes während der Bearbeitung eine Abminderung er fährt, wird unter den gemachten Voraussetzungen der ringförmige Querschnitt an der Austrittsstelle, also die Rohrform, aus der Form des massiven Cylinders auch schon dann resultiren, wenn man nicht auf einen drehbar angeordneten Dorn von passender Dicke aufwalzt; dafs der Erfinder einen solchen Dorn im Interesse der Dichtheit der Rohr wand und der inneren und äufseren Glätte gleich wohl anzuwenden pflegt, darf nicht zu der irr- thümlichen Auffassung verführen, als könnte die Höhlung im Werkstücke überhaupt nicht ohne Dorn erzeugt werden; sie erfährt durch den Dorn thatsächlich nur die erwünschte Vergleich- mäfsigung der Rohrwand. Dafs nach dem neuen Mann esmann’schen Verfahren die so vielfach angezweifelte Möglich keit, ohne Anwendung eines Dornes oder eines innerlich thätigen Werkzeuges aus einem massiven Stücke ein gesundes Rohr herzustellen, thatsäch lich vorliegt, beweist ein Probestück, das ich Ihnen hier vorlege, ein Rohrstück, welches ganz ohne Dorn aus dem Massiven herausgewalzt ist und welches an dem einen Ende massiv gelassen wurde, um den Anfang der Lochbildung zu zeigen; dasselbe erweist sich als ein durchaus gesundes Rohr. Dafs das Rohr ohne Dorn ge walzt ist, beweisen die feinen Krystalle im Inneren. Walzt man ein Rohr an beiden Enden massiv bleibend, so kann, obgleich das Rohr im glühenden Zustande gewalzt war, die innere Robrwand nicht oxydiren; dieselbe bleibt metallisch glänzend, weil die Luft keinen Zutritt zu dem gebildeten Loche hatte. Der Dorn ermöglicht recht wohl die An wendung von Druck und Gegendruck, welche ein Beurtheiler des Mannesmann’schen Verfahrens in Nr. 7 und 8 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure mit Unrecht vermifst, ohne dafs jedoch die ungeheuren Kräfte aufzuwenden wären, welche zum Auspressen glühenden Stahles aus einem ruhenden Mundstücke mit ringförmiger Austrittsöffnung erforderlich sein würden. Der Dorn ermöglicht auch — unter Ueberwindung des geringen Biegungs- und Streckungswider standes der Rohrwandung —, den äufseren Durch messer des Rohres gröfser ausfallen zu lassen, als der Durchmesser des verwendeten Rohstabes ist, so dafs z. B. ein Rohr von 150 mm äufserem Durchmesser und 7 mm Wandstärke aus einem massiven Stahlcylinder von 80 mm Durchmesser erzeugt werden kann. Wie der Mannesmann’sche Procefs in bezug auf die Mittel der Metallverarbeitung viele der bisherigen Erfahrungen und Vorschriften auf den Kopf stellt, indem er statt der bisher ängst lich vermiedenen Faserdrehung und der pro Stich begrenzten Streckung in Verschiebungswalzwerken und der aus guten Gründen bisher vermiedenen Streckung in Schrägpolirwalzwerken eine gröfst- mögliche Faserdrehung und in einem Stiche eine fast unbegrenzte Streckung ermöglicht und prak tisch durchführt, ebenso durchbricht derselbe die bisher ohne Ausnahme gebliebene Regel, dafs man beim Walzen den äufseren Durchmesser der Walzproducte vermindert, so dafs das fertige Walzproduct ausnahmslos einen kleineren Durch messer hat, als der rohe Block. Denn wir sehen bei dem M an n e s m ann ’sehen Verfahren unter anderem die überraschende Erscheinung, dafs aus einem Block von geringeren Dimensionen ein Walzproduct mit sehr stark vergröfsertem äufseren Durchmesser hergestellt werden kann.