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290 Nr. 4. „STAHL UND EISEN.“ April 1888. Das erstere stellt jenen abenteuerlichen Helden, welcher das Land an den Abgrund brachte, aber trotzdem als Nationalheros im Herzen jedes Schweden eine stille Verehrung findet, zu Fuls dar, das Schwert hoch in der Rechten, den Seinen voranstürmend. In der Verlängerung von Blasieholmen und mit diesem durch Brücken verbunden liegen noch die beiden Felseninseln Skeppsholmen und Kastellholmen, welche inmitten schöner Parkanlagen nur wenige, gröfsten- theils der Marine gehörige, Gebäude tragen. Ganz hervorragend ist hingegen die landschaftliche Wirkung dieser Inseln in dem Panorama, welches sich von der Schlofsterrasse und vor allem von Mosebacken aus darbietet. — An diese Schilderung der Stadt schliefsen wir noch einige kurze Mittheilungen über ihre Hauptsehens würdigkeiten. Der Fremde wird aufser der bereits erwähnten Riddarholm - Kirche in erster Linie das nordische Museum und das Nationalmuseum aufsuchen. Ersteres, in der Drottningata gelegen, fafst eine unge heure Zahl von Dingen, welche für die Ethnologie der skandinavischen Völker der Vor- und Jetztzeit hoch bedeutungsvoll sind. Der Genuls wird aber dadurch beeinträchtigt, dafs diese Schätze in mehreren unan sehnlichen Gebäuden in unzureichenden Räumen zu sammengehäuft sind. Das grofse Publikum wird sich am meisten durch die nach Art des Panoptikums aus gestellten lebensgrofsen Figurengruppen angezogen fühlen, welche die verschiedenen Volksstämme, wie sie leiben und leben, in Zimmer und Zelt, in Wald und Feld zugleich mit der charakteristischen Scenerie vor Augen führen. Von lebendigen Wesen sind übrigens aufser dem veritablen Eskimohund, welcher vor dem Lappenzelte kauernd mit seinen klugen Augen die Qualification der Beschauer festzustellen scheint, die frischen und freundlichen Wärterinnen in National tracht unserer ganzen Aufmerksamkeit werth. ■— Das Nationalmuseum auf der Spitze von Blasie holmen, an dem wirkungsvollsten Platze von dem Ber liner Stüler im venetianischen Renaissancestil erbaut, wendet seine herrliche 87 m lange Hauptfront mit dem marmornen Mittelbau dem gegenüberliegenden Schlosse zu. Auch das Innere, namentlich das Treppen haus, macht einen grofsartigen Eindruck. Ich habe eingehender nur die im zweiten Stock befindliche Ge- mäldegallerie besichtigt, bin aber im Ganzen ent täuscht worden. Am meisten interessirten mich noch die neueren skandinavischen Maler, von deren Können und eigenartiger Begabung ich bereits auf der Berliner Jubiläumsausstellung eine hohe Meinung gewonnen. Der Mittelstock enthält die Skulpturen, worunter der berühmte schlafende Endymion, dann eine vorzügliche keramische Abtheilung und hervorragende Erzeugnisse des Kunstgewerbes. Die im Erdgeschofs untergebrachte historische Sammlung soll der altnordischen Abthei lung der Kopenhagener ebenbürtig sein. Im Garten neben dem Museum steht die Bronce- gruppe der Bältespännare, Molins grölste Schöpfung. Wir verweilen ein wenig bei diesem vollendeten und so ergreifenden Werke, zumal es bei uns zu Lande durch Gypsnachbildung oder Photographie noch nicht allgemeiner bekannt geworden. Wir sehen einen Zwei kampf aus alter skandinavischer Zeit. Die nackten Kämpfer sind durch einen Riemen oberhalb der Hüften dicht zusammengebunden. Beider Rechte hält dastodt- bringende Messer, aber mit der Linken umspannt jeder die rechte Handwurzel des Gegners, so den Stofs ver hindernd. Ein Bein ist kräftig nach rückwärts ge stemmt, während das andere vorgebogene Knie den feindlichen Oberschenkel berührt. Jeder Muskel ist aufs Höchste angespannt. Wer von den wildblickenden Kämpen unterliegen wird, ist in dem dargestellten Moment nicht zu sagen, beide gleichen sich an Gröfse und Körperkraft. Aber schliefslich wird der eine er matten und den Tod empfangen. Der Steinsockel enthält vier Reliefs, Ursache und Ausgang des Kampfes schildernd. Trunk und Eifersucht lassen die beiden Männer zum Messer greifen. Das vierte Bild zeigt die trauernde Wiftwe am Runenstein auf dem Grabe des Erschlagenen. Den ganzen Sockel umzieht oben ein zum Ganzen wunderbar stimmendes Schlangen ornament. — Von wissenschaftlichen Sammlungen, an denen Stockholm reich ist, besuchte ich nur die geologische. Aufserdem sahen wir unter der liebenswürdigen Führung von Professor Richard Akerman die Eisen- hüttenabtheilung der Bergakademie mit ihren gut aus gestatteten Laboratorien, Sammlungen und Unterrichts mitteln, deren Bedeutung für die Entwicklung des schwedischen Eisenhüttenwesens wir am Ende unserer Reise noch gebührend ins Licht stellen werden. Umgebung von Stockholm. Neben der Stadt selbst mit ihren Parks und Wasserflächen, mit ihren Schlössern und Museen, fesselt uns vor allem die wundervolle Natur, welche sie von allen Seiten umgiebt. Kein Reisender sollte eine Fahrt nach der Ostsee hinaus, sowie in den Mälar, verab säumen. Tagtäglich gehen 6 Mal grofse und bequeme Salondampfer abwärts nach Waxholm und aufwärts nach Drottningholm. Und an solchen heitern, wind stillen Sommernachmittagen, wie zur Zeit unserer Anwesenheit, erfüllen das zeltüberspannte Deck so viele fröhliche Menschenkinder, auf deren Gesichtern sich die freudige Stimmung malt, welche diese Natur in ihrem Herzen erweckt. Somit vermag auch der jenige, dem die Natur langweilig erscheinen könnte, auf einer solchen Fahrt sich doch des Anblicks der Menschen zu erfreuen. Es giebt ja Leute, und deren Existenzberechtigung steht aufser aller Frage, welche jeder Landschaft den Rücken kehren, wenn ein liebes Gesicht oder ein tiefes Augenpaar ins Bereich ihrer Sehweite tritt. Die Hauptinseln des unterhalb Stockholms be ginnenden Schärengartens.. stehen einander so nahe, dafs man den Eindruck erhält, als führe man auf einem Flufs mit zahlreichen Seitenarmen, wild zerrissenen Felsenufern und zahlreichen kleinen Inseln und Klippen in seinem Bette. Oft erscheint die Wasserfläche seeartig abgeschlossen, weil einzelne Inseln sich vor die Zwischenräume der nächst folgenden Reihe stellen. Die gröfseren Holme sind etwa 30 m hoch und fallen steil ab, so dafs der röth- liche Granit zum Vorschein kommt. Auf dem Plateau und den weniger steilen Abhängen herrscht der Nadel wald, untermischt mit Eichen und Birken. Wenn man den Schärengarten von einem hohen Aussichtspunkte überblickt, erscheint er in der Ferne wie eine wald bestandene Ebene. Das Ganze ist ja eine zerborstene Granitplatte, in deren Risse das Meer eingedrungen. Was die Scenerie des Hauptfahrwassers so aufser- ordentlich belebt, sind aufser den zahlreichen Dampfern und Segelschiffen die Schlösser und Villen, welche überall aus dem Grün der Tannen hervorschimmern. Selbst ganz kleine Holme im Strom sind von Familien in Besitz genommen. Von der mit Blumen umkränzten Veranda winkt die Beherrscherin des kleinen Reichs den Vorüberfahrenden ihren Grufs zu und die Kinder unten am Strande klatschen fröhlich in die Hände. So klein das Reich dieser Glücklichen auch ist, so hat es doch, wie das grofse nordische Vaterland, seinen Wald und einen Fleck Culturland; Felsen und Klippen umgürten es, und ein schmaler Fjord bietet für das kleine Boot einen sicheren Hafen. (Fortsetzung folgt.)