Volltext Seite (XML)
April 1888. STAHL UND EISEN.“ Nr. 4. 285 oft alle Requisiten einer behaglichen Privatwohnung aufweisen. Aus Zimmern, wie wir sie in Filipstad, Falun, Gehe für 2 JI bewohnten, würde man in den Hotelpalästen von Berlin oder London deren drei machen. Jedes Hotel enthält einen grofsen Speise saal mit reich besetztem Smörgosbord; die Küche ist durchgehends sehr gut. Zur Befriedigung des Trink- und Rauchbedürfnisses dient ein ebenso grofses Cafe. In diesen Hotels dominirt das schöne Geschlecht. Ueberhaupt kommt der Reisende in Schweden, aufser beim Fahren mit Männern wenig in Be rührung. Damen empfangen und bedienen ihn, eine Dame schreibt und übergiebt ihm die Rechnung. Will er in der Stadt Einkäufe machen oder Geld wechseln, so kann er die Geschäftskenntnifs und Gewandtheit einer frischen Nordlandsschönen bewun dern. Im Rasir- oder Frisirsalon lacht dem Ein tretenden eine freundliche Evastochter entgegen und unter schöner Hand schwindet die Bartstoppel und kräuselt sich das Hauptgelock oder des Vollbarts Zier. So überraschend dem Norddeutschen dieses resolute Eingreifen des Weiblichen in alle Lebensverrichtungen anfangs auch vorkommt, so schnell gewöhnt er sich daran und fühlt sich ungemein wohl dabei. Diese Damen entfalten eine so natürliche Liebenswürdigkeit und zeigen eine solche, bei Männern unbekannte, Un- verdrossenheit, dafs einem das Herz dabei froh wird und der Geist der galanten Ritterlichkeit auch über den ärgsten Weiberfeind kommt. Ueberflüssige und leere Höflichkeitsphrasen wird man übrigens in ganz Schweden wenig zu hören bekommen. Unwahre Ziererei, sowie Bleichsucht und Nervosität haben dort oben noch keinen Boden gefafst. Je mehr man nach Norden und ins Landesinnere gelangt, um so mehr regelt sich auch der Verkehr mit Damen auf dem Boden einfacher Natür lichkeit. Dabei mufs aber noch betont werden, dafs jene Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, mit denen der fremde Reisende vorwiegend in Berührung kommt, an Bildung, Lebensart und Tracht sich einerseits weit über das Hausmädchen-Niveau erheben, andererseits Vermuthungen, die man etwa in Berlin an den Begriff weiblicher Bedienung knüpft, in keiner Weise recht fertigen. Wir werden noch mehrfach Gelegenheit haben, festzustellen, dafs man in Schweden in vieler Hinsicht vernünftiger denkt, als bei uns; so ist man auch über jene Vorurtheile hinaus, welche es gerade den achtbaren und gebildeten Mädchen so schwer machen, sich mit eigener Arbeit durchs Leben zu helfen. Nach den Persberg-Gruben. Filipstad ist ein zwischen Seen und bewaldeten Hügeln reizend gelegenes, von einem munteren Flufs durchströmtes, reinliches Provinzialstädtchen von der in Schweden üblichen weitläufigen Bauart mit breiten Strafsen und schönen Promenaden. Es ist Sitz einer Bergschule und der Oberverwaltung der ringsum liegen den zahlreichen Eisengruben und Hüttenwerke. Unsere Absicht war, namentlich die berühmten Persberg-Gruben zu besuchen. Da wir wenig orientirt waren, begaben wir uns bereits früh am andern Vormittage zum Berg meister S. Dieser liebenswürdige ältere Herr, welcher glücklicherweise auch Deutsch verstand und sprach, gab uns die nöthigen Auskünfte und Weisungen, so dafs wir bereits um io Uhr mit einem Zweispänner gen Persberg rollten. Die wohlgehaltene Landstrafse geht durch hohen Fichtenwald zwischen aufgethürmten Granitblöcken hindurch. Sobald man in die erzführen den Regionen gelangt, sieht man hier und dort Schächte und primitive Fördereinrichtungen, welche den Eindruck von Ziehbrunnen machen. Endlich lichtet sich der Wald und vor uns liegt die weite Fläche des Yngen-Sees. Obgleich derselbe den Typus der meisten schwedischen Seen zeigt, knüpft sich für mich gerade an ihn die Vorstellung einer düsteren, nordischen Romantik. Dies mag einestheils daher kommen, dafs die dunklen Wasser und die düsteren Fichten damals unter dem wolken bedeckten Himmel wirklich unheimlich erschienen, vor Allem aber beeinflufst mich die Erinnerung, dafs wir in den wilden Wogen des Yngen beinahe den Unter gang gefunden. Doch davon nachher! Der See läuft nach Norden in zwei Buchten aus, zwischen die sich eine steil abfallende Halbinsel schiebt; auf dieser befinden sich die Persberg-Gruben. Eine Befahrung der Gruben lag nicht in unserer Absicht. Die Einrichtungen sind nach unsern Begriffen etwas primitiv, jedoch den in Schweden obwaltenden eigen- thümlichen Verhältnissen richtig angepafst. Man mufs vor Allem berücksichtigen, dafs dieses bedeutende Eisenbergwerk doch nur gegen 40 000 t Erz aus 16 Gruben jährlich zu Tage fördert und dafs für eine gesteigerte Förderung der Bedarf nicht vorliegt. Das Erz wird von einem Wasserrade mittels Kübeln und Drahtseil in kleine Wagen gehoben und in diesen auf Geleisen zu dem Seeufer befördert und je nach der Gattung auf Haufen gestürzt. Es ist ein Magneteisen stein von durchschnittlich 5 5 % Eisengehalt, durchzogen von Schnüren Magnesium-Calciumsilicats. Das Erz ist durchgehends sehr rein von schädlichen Beimengungen. Speciell bleibt der Phosphorgehalt in allen Gruben unter 0,01, in mehreren beträgt er nur 0,002 — 0,003. Die Erze stehen also in dieser Hinsicht auf gleicher Stufe mit den Dannemora-Erzen, übertreffen die letzteren aber durch ihren sehr niedrigen Schwefelgehalt. Da gegen enthalten die besten Persberg-Erze nur 0,2 % Mangan, während die Dannemora-Erze gegen 2 % ent halten. Der Preis der Erze beträgt an der Persberg- Grube 5,00—6,50 K. Jener Tag bekam für uns dadurch ein eigenthüm- liches Gepräge, dafs wir uns zumeist Menschen gegen über befanden, mit denen wir uns durch das Medium des gesprochenen Worts nur höchst mangelhaft ver ständigen konnten. Schon im Hotel, wo Niemand aufser Schwedisch eine civilisirte Sprache verstand, gab es verwickelte und durch allerlei Mifsverständnisse in die Irre geführte Verhandlungen. Schliefslich kam Alles in die Reihe. Der Wirth safs am Telephon und ver ständigte sich zuerst mit Persberg; Herr Disponent M. sei zu Haus und erwarte uns. Dann rief er nach dem Hochofenwerk Thorskebäcken; der Besitzer war gerade im Walde, derselbe würde aber zu Mittag zurück kommen; ein Ruderboot sollte Mittags in Persberg sein, um uns herüber zu holen. In Persberg ange kommen, empfing uns Herr M., verstand und sprach aber nur Schwedisch. Ein junger Ingenieur, welcher etwas Englisch sprach, sollte Dolmetscher sein, war aber so befangen, dafs es nicht möglich wurde, ein zusammenhängendes Gespräch zu führen. Auch wir waren wegen der Neuheit der Lage etwas schüchtern und ungeschickt. Indessen sahen wir schliefslich doch Alles, was wir selten, und erfuhren, was wir wissen wollten. Die Sprachverwirrung erreichte ihren Höhe punkt, als wir zu einem Imbifs eingeladen wurden und die Zeit bis zum Eintreffen des Bootes doch durch irgendwelche Unterhaltung ausfüllen mufsten. Jenes Convivium unter der blühenden Linde auf der Terrasse am Ufer des Yngen wird uns stets im Gedächtnifs bleiben. Es hätte so schön werden können, wenn unser Wirth in der Wahl des Getränks etwas weniger vorsichtig gewesen. Niemand wird bestreiten, dafs Himbeersaft mit Sodawasser ein ebenso wohlschmecken des wie erquickendes Getränk ist, und habe ich wirk lich selten Gelegenheit gehabt, das feine Aroma jener Waldfrucht in solcher Güte zu kosten, wie damals. Leider aber wohnt in diesem Trank nicht die Kraft, welche die Sorgen bricht und die Herzen der Menschen näher bringt. Eine Flasche edlen Rebensafts würde die Befangenheit beseitigt und den gemeinsamen Froh sinn erweckt haben, welcher immer ein Ersatz für die unzureichende Rede ist.