Volltext Seite (XML)
Dieselben chemisch wirkenden Kräfte kom men auch in den Tunnels dem eisernen Ober bau-Material gegenüber zur Geltung durch das aus dem Locomotivdampf entstehende Wasser, welches Luft aufnimmt, ferner Kohlensäure, schwefelige Säure, sowie Schwefelsäure aus den Rauchgasen der verbrannten Steinkohlen condensirt. Dieses saure Wasser circulirt auf und zwischen den Schienen, den Schwellen, dem Kleineisenzeug des Oberbaues. Alle werden durch das saure Wasser verrostet, zerfressen und zerstört. Ein Anstrich der Eisentheile mittels einer Oeldeck- farbe oder mit einem Asphaltlack, oder mit ähn lichem Material, schützt nicht, weil er bald ab gerieben würde beim Stopfen der Schwellen und durch die Erschütterungen beim Fahren der Züge. Das Eisen mit theurem Zink zu überziehen, wie bei Telegraphendrähten geschieht, schützt auch nur kurze Zeit, da das Zink noch rascher zer fressen wird als das Eisen von dem sauren Wasser. Verzinkte Hacken-Schwellenschrauben haben dieses Verhalten in Tunnels auch be stätigt, soviel dem Schreiber dieser Zeilen be kannt geworden ist. Auf den freien Strecken gehen die Locomo- tivdämpfe sowie die Rauchgase ungehindert nach allen Richtungen in die freie Atmosphäre und werden bei allenfallsigem Niederschlag auf dem Bahnplanum bei jedem kommenden Regen stark verdünnt in den Untergrund des Bahnkörpers oder zur Seite in die Gräben abgeleitet. Das eiserne Oberbau-Material kann und wird daher auf den freien Strecken nur sehr wenig von diesen sauren Flüssigkeiten angegriffen werden; es bleibt besser und länger erhalten. Es unterliegt keinem Zweifel: aus Vorsorge gegen Betriebsstörung und wegen rascher Ver minderung der Betriebs-Sicherheit mufs das an gefressene Oberbau-Material in den Tunnels vor zeitig schon ausgewechselt und ersetzt werden durch neues auf Kosten der Bahn. Hier ist auch die Stelle, darauf aufmerksam zu machen, dafs die Tunnelwände, besonders wo dieselben aus Mauerwerk bestehen, sowohl im Mörtel wie in den Ziegeln nicht minder stark angegriffen werden durch die oben unter 2, 3 u. 4 erwähnten schwefeligsauren und schwefelsauren Gase, lang sam aber sicher. Nur Porzellan widersteht den selben; alle anderen Fabricate, aus Thon ge brannt, werden durch diese Gase sicher zerstört und der Kalk oder Cement des Mörtels zerfressen und seiner Bindekraft beraubt. Aber auch die festen Felswände und die Mauern aus Bruchstein werden durch die sauren Dämpfe allmählich an gegriffen, mürbe und widerstandslos. Es ist ja ein bekanntes Verfahren bei dem älteren System der Alaunfabrication, dafs man Schwefelkies hal tende Thone bei entsprechend starkem Feuer mit Brennmaterial oder dessen Abfällen glühte, oder dafs man Thon bezw. Thonschiefer mit Schwefel kies haltenden Braunkohlen aufschichtete und dieses Haufwerk anzündete. Dann entwickelte sich schwefelige Säure, welche die durch das Feuer aufgeschlossenen Thone zersetzte. In den der Luft und dem Regen ausgesetzten ausgebrannten Haufwerken bildete sich schwefel saure Thonerde, welche durch natürliches und künstliches Auslaugen aus dem gebrannten Thon gewonnen wurde. Die Lauge dampfte man unter Zusatz von Kali- bezw. Ammoniak- Verbindungen ein, wobei sich der entstandene Alaun ausschied. In der Mutterlauge blieb dann noch Eisenvitriol zurück (schwefelsaures Eisenoxydul), entstanden aus dem Eisen des Schwefelkieses. In den letz ten Jahren wurden vielfach Röstgase von Erz röstöfen , in welchen Bleiglanz (Schwefelblei), Blende (Schwefelzink), Kupferkies (Schwefelkupfer) abgeröstet wurden, wobei ebenfalls schwefelige Säure entweicht, diese in passenden Räumen über gebrannte thonhaltige Gesteine geleitet (z. B. bei Lüttich) und so schwefelsaure Thonerde ge wonnen. Die gebrannten ausgelaugten Thone oder Thonschiefer zerfallen allmählich an der Luft zu pulveriger Masse und verlieren allen Zu sammenhang. Geschieht nicht annähernd genau dasselbe indirect bei der Einwirkung der schwefeligen Säure, welche aus dem Locomotiv-Schornstein entweicht und mit den gebrannten Thonziegeln der Tunnelmauern oder den Felsgesteinen da selbst (Cochemer Tunnel) in Berührung kommt, gleichzeitig mit dem heifsen Wasserdampf, welchen die Locomotive auspufft? Gleiche Ursachen haben überall gleiche Wirkungen nach den in der Natur waltenden Gesetzen. Durch Erforschen der Ur sachen ist man imstande, auf naturgesetzlichen Wegen die Mittel zu finden und zu benutzen gegen solche Wirkungen. Wollte man durch Anwendung chemischer Mittel die Kohlensäure, die schwefelige Säure und die Schwefelsäure binden, also für den eiser nen Oberbau wie für die Tunnelwände unschäd lich machen, so wären nur zwei verhältnifs- mäfsig billige Reagentien anzuwenden denkbar. Aetzkalk in Wasser gelöscht, als sogenannte Kalkmilch (feingesiebt) benutzt, und Aetzbaryt oder besser noch Barythydrat in Wasser gelöst. Die Kalkmilch oder das Barytwasser, oder beide gemengt in einen sogenannten Wasser-Spreng wagen gefüllt und diesen auf einen Eisenbahn wagen gestellt, müfste von Zeit zu Zeit durch den Tunnel gefahren werden, während aus einem angeschraubten Brauserohr die genannten Lösun gen über die Geleise und Bettungen ausgesprengt würden. Es träten dann folgende Reactionen ein: Die Kalkmilch und noch energischer das Barytwasser absorbirten die im Tunnel vorhan dene Kohlensäure. Es bildete sich kohlensaurer Kalk bezw. kohlensaurer Baryt. Die schwefelige Säure aus den Rauchgasen würde von der Kalk-