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April 1888. STAHL UND EISEN.“ Nr. 4. 241 Eiserner Oberbau in Eisenbahntunnels. Von Siegfried Stein in Bonn. Mehrfach wurde von verschiedenen Seiten an den Schreiber dieser Zeilen die Frage gerichtet, ob er als Chemiker und Eisenhüttenmann anzugeben wisse, weshalb in den beiden langen Tunnels, welche sich unter der Obhut der hohen Königlichen Eisenbahn-Direction, linksrheinische zu Köln, be finden, nämlich in dem Königsdorfer und in dem Cochemer Tunnel, das darin benutzte eiserne und stählerne Oberbau-Material so schnell verroste und hierdurch rascher unbrauchbar werde, als auf den offenen freien Bahnstrecken? Ferner wurde er gefragt, ob es Mittel und Wege gebe, diesen mifslichen Uebelstand zu ver hindern bezw. zu beseitigen? Zur Beantwortung der ersten Frage über gehend, ist zu beachten: 1. Dafs die Locomotiven, welche diese Tunnels befahren, mit Steinkohlen geheizt werden. Letz tere enthalten mehr oder weniger Schwefel, der theils im eingeschlossenen Schwefelkies, theils in schwefelhaltigen organischen Verbin dungen in den Steinkohlen vorhanden ist. 2. Aus beiden Schwefelverbindungen entsteht beim Verbrennen der Steinkohlen mittels des Sauerstoffes, der durch den Feuerrost eintreten den Verbrennungsluft, jedenfalls schwefelige Säure. 3. Aufserdem kann hierbei als Destillations- product aus secundären Zersetzungs-Producten der schwefelhaltigen Substanzen auch noch direct Schwefelsäure entstehen. Indirect entsteht aus der schwefeligen Säure und deren Verbindungen, durch den Einflufs des vorhandenen Sauerstoffs der Luft und des Wasserdampfes, eine weitere Menge von Schwefelsäure und deren Salze. Beide gasförmigen Sauerstoffverbindungen des Schwefels vermischen sich zunächst mit dem Auspuffdampf der Locomotiven und condensiren sich mit dem selben zu tropfbaren Flüssigkeiten. Diese schlagen sich an den Entstehungsstellen als säurehaltiges Wasser nieder und sammeln sich sowohl an den Wänden, wie auch zuletzt am Boden der Tunnels, also auf und zwischen dem Eisenzeug des Oberbaues. 4. Beim Verbrennen der Steinkohlen entsteht naturgemäfs ebenfalls auch Kohlensäure neben etwas Kohlenoxydgas. Beide treten zugleich mit dem Auspuffdampf aus dem Schornstein der Lo comotiven aus und werden bei der Condensation dieses Dampfes in dem verdichteten Wasser aufgelöst nach Mafsgabe ihrer Löslichkeit in dem letzteren. Auch dieses Kohlensäure haltende Wasser vertheilt sich über und zwischen den Eisentheilen des Oberbaues in den Tunnels, aus welchen es nur allmählich abfliefsen kann. Es ist nun eine bekannte Thatsache, dafs metal lisches Eisen bezw. Stahl, wenn blank geätzt, oder blank gefeilt, oder geschliffen oder polirt, in reinem ausgekochtem Wasser, welches also frei ist von Luft, von Kohlensäure, von minera lischen Säuren, sich längere Zeit aufbewahren läfst unter ziemlicher Erhaltung seiner blanken Oberfläche. Man benutzt dieses Verhalten des Eisens in der Weifsblechfabrication, beim Aufbewahren der gebeizten blanken Blechtafeln in ausgekochtem Wasser, zum Schutz gegen das Oxydiren (Ver rosten) vor dem Verzinnen, da letzteres nur auf reinen blanken Oberflächen geschehen kann. Leitet man dagegen Luft durch das Wasser, in welchem das blanke Eisen liegt, so wird nach einiger Zeit unter Wasserstoff-Entwicklung das Eisen oxydirt und dessen blanke Oberfläche überzieht sich ganz fein mit Eisenoxyd-Hydrat, dem gewöhnlichen Eisen rost. Leitet man jedoch in das Wasser, in welchem blanke Eisenstücke liegen, aufser atmo sphärischer Luft noch weniger oder mehr Kohlen säure ein, so findet eine verhältnifsmäfsig raschere Oxydation des Eisens statt. Dessen blanke Ober fläche bedeckt sich schneller mit einer Rostschicht, welche bei Dickerwerden oder bei Erschütterungen des Eisens von diesem abspringt. Neue blanke Flächen sind dann dem Angriff ausgesetzt zur weiteren Zerstörung. Wie sehr und wie wirksam kohlensäurehal tiges Wasser ein Lösungsmittel für Eisen und dessen Salze ist, beweisen die bekannten natür lichen eisenhaltigen Mineralwasser, z. B. von Pyrmont, von Schwalbach u. A., welche sich durch ihren hohen Gehalt an Kohlensäure aus zeichnen. Bringt man endlich noch schwefelige Säure oder gar noch Schwefelsäure in das Wasser, worin Eisenstücke liegen, so werden dieselben nach und nach aufgelöst unter starker Entwick lung von Wasserstoffgas und unter Bildung von schwefeligsauren bezw. von schwefelsauren Eisen salzen. Dieses geschieht ja absichtlich vielfach in der Technik, z. B. in den Drahtziehereien, beim Verzinnen und beim Verzinken von Eisen blech und von Eisendraht, beim Blankmachen von Eisenstäben und von Eisenplatten zu Brücken bauten u. s. w., dafs man mit verdünnter wässe riger Lösung von Schwefelsäure diese eisernen Gegenstände blank beizt bezw. anätzt, damit der Rost und der Glühspan entfernt wird und das Zinn, das Zink oder der Oelanstrich besser dar auf haften, um das spätere Verrosten möglichst zu verhindern.