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7. SINFONIEKONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE BACHS D°DUR*SUITE Der große Johann Sebastian, der Erz vater der Musik, hat in unseren dieswinter- lidien Konzerten den Vorrang! Und zwar als Orchesterkomponist, in einer seiner vier Suiten. Bach, der Vollender der barocken Instrumentalformen, hat in seinen Orchester suiten auch diese Gattung auf den Gipfel eführt, nachdem ihr gegen Ende des 17. ahrhunderts durch die Formen der fran zösischen Ballettmusik neues Blut zuge leitet war. Die Suite ist eine Serie alter Tanz formen, denen in der Regel eine dreiteilige, in der Mitte eine kleine Fuge enthaltende „Ouvertüre“ in französischer Artung voran geht. Die folgenden Tänze (wie Bourrce, Menuett, Gigue, Gavotte, Rondo, Polonäse usw.) verleihen den vier Badischen Or- diestersuiten eine gewisse Volkstümlichkeit, bei der der stramme Rhythmus wohl hauptsiichlidi mitspridit. Als lyrische Rulie- punkte hat Bach in diese Tanzfolge das „Air“ (die instrumentale Arie) und die „Sarabande“ (ein gravitätisch im Drei vierteltakt daherschreitendes Tanzstück spanischer Provenienz) gestellt. Mendelssohn hat die Dritte, die D-Dur- Suite (ebenso wie die „Matthäus-Passion“) der Welt neu geschenkt. Im Jahre 1838 riß er sie aus der Zeit der Vergessenheit. Und seitdem ist sie ein Bronnen, aus dem wir Jugend und Kraft schöpfen. Die königliche Festigkeit der „Ouvertüre", deren Grave dem Portal eines gotischen Domes gleicht und deren Fuge wirbelndes Leben Eindurchströmen läßt, führt uns zum weltberühmten „Air“, jener Insel der Seligen, jenem klaren beseligenden Adagio, das uns die Violine singt und das ein zweites Mal nicht in der gesamten Musik literatur geschrieben ist. Und dann folgt die handfeste Treu herzigkeit und lebensvolle Freude der Tanzsätze: die in markantem Rhythmus und kräftiger Harmonik geführte „Ga votte“, bei der die drei hohen Trompeten in „Jericho-Gelüsten“ besonders ins Zeug gehen, aber von dem verstärkten Unter grund glücklich abgefangen werden. — Die einschmeichelnde „Bourree“ und zum Schluß die fast robuste, in frischbewegtem Sechsachteltakt daherschreitende und vor- wärtseilende „Gigue“. Die D-Dur-Suite ist ein „populäres“ Werk. Und gerade sie beweist, wie sehr der Geist der Musik erneuernd wirken kann. Beim Klang des Bach-Orchesters (im Gegensatz zu dem des Romantischen) verflüchtigt sich alles Weiche, Expressive, Verdunkelnde, Verwischende. Die Beharr lichkeit des D-Dur — so merkwürdig an mutend im Zeitalter der Atonalität — wirkt geradezu monumental. Die hohen Trompeten kennen keine Sdionung. Aber wer klagt da über Härte des Klanges?! Man empfindet, daß er zur Unerbittlichkeit des Geistes stimmt, der diese Folge von Sätzen gestaltet und ihren melodischen Strom durchklingen läßt: der Geist Joh. Sebastian Bachs. * BUSONIS INDIANISCHE FANTASIE Der Weg von Bach zu Feruccio Busoni ist eigentlich gar nicht so weit. Als genia ler Klavierspieler (ein „Liszt redivivus“ unserer Zeit) war er einer der wesensver trautesten Künder Bachscher Tonkunst. Der große Thomaskantor starb über einem Fugenwerk, zu dessen türmender Kunst wir im Bewußtsein unseres Pygmäentums^^ noch heute ersdiauernd emporblicken (vor^^r wenigen Wochen erst wurde sie, „Die große Kunst der Fuge“, uns neu ge schenkt). Dem Willen, den er mit ins Grab nahm, spürte Busoni — von Geburt Ita liener, im Geist durchaus Deutscher — seit Dezennien nach. Und in seiner großen „Fantasia contrappuntistica“ für zwei Klaviere kommt dieser Halbromane dem deutschen Badischen Geiste wohl am nächsten. Neben dem toten „Klaviergott“ (Busoni starb vor 3 Jahren in Berlin) ist es die Universalität des schaffenden und darum heute noch lebenden Musikers, die eine zwingende Persönlichkeit darstellt. Was an allen Werken Busonis — von seinen Frühwerken Brahmsscher Neuromantik bis zu den jüngsten seltsamen „Faust“- Musiken — fesselt und überzeugt, ist ihre rein musikalische Substanz, das imposante Fornmefühl, der Reichtum an Rhythmus und Farbigkeit, die leichtbeschwingte Phan tasie, die prachtvoll-elastische Geistigkeit. All diese Vorzüge zeigen sich auch mehr oder weniger in seiner „Indianischen Fan tasie“. — Nach „alten Motiven der Rot häute“ begründet Busoni das Werk. Es zieht vorbei wie ein Präriewind, bald leiser, klagend, bald stark und stärker, wie Sturm. Und dahinein klingen seltsame Rhythmen, eben jene Indianer-Signale mente. Das dreiteilige Werk ist durchaus Fresco-Malerei, durch die es klirrt wie Pferdegetrappel in der Steppe (etwa so wie in Liszts „Mazepna“). Alles ist kühn und bizarr, von seltsamer, unerschrockener PolypEonie: ein in Musik gesetztes „Leder- strumpf“-Kapitel. Im Gegensatz zu den Lisztschen Rhapso- dien, mit denen diese Fantasie gewisse ge meinsame Züge Eat, verwendet Busoni aas Solo-Instrument (das Klavier) meEr kolo ristisch als solistisch — was nicht besagt, daß der Solopart etwa leicht wäre. Aber er trachtet darnach, den Farben des Or-