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Dresdner Journal : 15.07.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187907159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18790715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18790715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1879
-
Monat
1879-07
- Tag 1879-07-15
-
Monat
1879-07
-
Jahr
1879
- Titel
- Dresdner Journal : 15.07.1879
- Autor
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Beilage zu Deutscher Reichstag. Abendfitzung vom 11. Juli. D. Abends ^8 Uhr wird die dritte Lesung des Zolltarifentwurfs fortgesetzt. Ein Antrag des Abg. Dr. Zinn, den Zollsatz von Nr. 9o, Matz, von 1,20 M. auf 1,75 M. zu erhöhen, wird avgelehnt. Unter Dit. ä wird der Zollsatz sür AmS, Koriander, Fenchel und Kümmel aus 3 M. für 100 kg festgesetzt. Dagegen beantragen die Abgg. Dr. Wette (Mecklenburg) und Dr. Stephani, diese Producte zollfrei einzulassen. Abg. vr. Witte (Mecklenburg) bittet um Annahme dieses Antrags, weil sonst die Fabrikation ätherischer Oele in Deutsch land unmöglich gemacht werde. Abg. v. Bötticher (Flensburg) hält diese Befürchtung sür übertrieben. Bundescommifsar Ministerialrath Mayr erklärt, daß die verbündeten Regierungen den Antrag Witte-Stephani nicht unterstützen könnten. Abg. vr. Stephani: Die Erklärung des Bundescommis- sarS lasse an Kürze nichts zu wünschen übrig, er vermisse aber die Gründe, Ter frühere Zoll habe unter ganz anderen Ver hältnissen bestanden, wo sich die Industrie ganz anders ent wickelt habe. Heute aber sei die Fabrikation ätherischer Oele in der Lage, daß sie bei einer solchen Zollerhöhung nicht mehr im Stande sei, zu «xistiren. Und diesen Zoü wolle man aus legen in dem irrigen Glauben, einer landwirthschastlichen Branche zu Hilse zu kommen. Deutschland erzeuge bei Weitem nicht den Bedarf in diesen Producten, und was darin erzeugt werde, fei ein so ungenügendes Product, daß die Industrie dabei nicht prosptlireu könne. Neun Zehntel des Bedarss müßten vom Auslande eingesührt werden. Der Antrag Witte-Stephani wird mit 170 gegen 111 Stimmen obgelehnt und Nr. 9ä nach den Be schlüssen zweiter Lesung abgelehnt. Ebenso werden auf Bitte des BundescommtssarS Geh. Raths Tiede mann abgelehnt ein Antrag des Abg. v. Ow (Freuden stadt), den Zoll für Raps und Rübsaat von 0,30 M. auf 1 M. zu erhöhen und ein Antrag der Abgg. Bernards und Dr. Moufang, für frisches Gemüse einen Zollsatz von 4 M. neu emzufügen. Ein zu Nr. 11, Haare rc., vom Abg. Grafen zu Droste-Blschenng gestellter Antrag, Pferdehaare, ge kräuselt, in Lockensorm gelegt, auch gesponnen (nach den Beschlüssen zweiter Lesung frei) mit einem Zoll sätze von 6 M. zu belegen, wird gleichfalls abgetehnt. In Nr. 13, Holz, hat sich bei der zweiten Lesung eine Inkongruenz insofern herausgestellt, als in Dit. u (zollfrei) ungeschälte und geschälte Korbweiden und in Vit. o2 (Zollsatz 0,25 M.) ungeschälte Korbweiden ausgesührt werden. Auf den Antrag der Abgg. Frhrn. v. Fürth und von Schalscha, welchem der Bundes- comnussar Mmistenalrath Mayr zustlmmt, wird diese Inkongruenz dadurch beseitigt, daß ungeschälte Korb weiden mit einem Zollsatz von 0,25 M., geschälte mit einem solchen von 3 M. belegt werden. Zu Dit. o, Bau- und Nutzholz, roh 0,10 M.. ge sägt rc. 0,25 M. beantragt Abg. vr. Günther (Nürnberg) die Zollfreiheit sürCedern- Holz, roh oder mit der Axt vorgearbeitet. Abg. Holtzmann beantragt im Verein mit dem Abg. vr. Stephani die Hinzufügung der folgenden Anmerkung zu Vit. o: „Bau- und Nutzholz, welches zu Lande verfahren wird und nicht nach einer Holzablage zum Verschiffen, oder zum Transport aus der Eisenbahn bestimmt ist: frei," um die Erschwerung des GrenzverkehrS möglichst zu vermeiden. Im Grenzvcrlehr habe überhaupt noch nie aus Holz ein Zoll bestanden; injolge dessen habe sich an den Grenzen eine Holz industrie eniwickelt, die nothwendig auf fremdes Holz ange- wiefen fei. Die sächsischen Wälder könnten absolut nicht den Bedarf an Hölzern für die an der Grenze bestehenden Schneide mühlen decken, und die Schwierigkeit bestehe weniger in dem Zoll, als darin, daß das Holz statt aus dem Wasser aus der Zollstraße angefahren werden müsse. Die wenigen Kubikmeter könnten ja keinerlei Einfluß aus den Preis des Holzes üben und es werde durch seinen Antrag lediglich eine Mehrbelastung, welche durch die Zollabfertigung entstehe, verhindert. BundeScommissar Ministerialrath Mayr erklärt, daß die verbündeten Regierungen sich einstimmig gegen den Antrag Holtzmann-Stephani erklärt hätten. Die vorgeschlagene Be stimmung fei allerdings ähnlich den in den älteren Tarifen enthaltenen, aber doch sei neu eingesührt die Bestimmung be züglich des Transports auf der Eisenbahn. Die frühere Be stimmung der Tanje sei nur erklärlich gewesen durch die da maligen, von den jetzigen sehr abweichenden LerkehrSverhält- nisse. Man habe sich damals damit begnügt, das die Ströme paisirende Holz einem Zolle zu unterwerfen. Auch sei die prin- cipiclle Auffassung des Holzzolles eine ganz andere gewesen. Damals sei es ein FinanzzoU gewesen, wahrend jetzt im Vor dergrund stehe der Schutz der deutschen Forstwirtyjchaft, und man könne nicht dulden, daß solche Lücken gerissen würden, deren Lonfcquenzen sich nicht übersehen ließen. Die Bestim mung könnte leicht gemißbraucht werden. Die Interessen des GrenzverkehrS würden durch den 8 IlS des Vereinzollgejetzes genügend gewahrt Ebenso seien dre verbündeten Regierungen nicht in der Lage, für das Cedernholz eine Ausnahme zu ge statten, da, abgesehen von den zollicchnischen Schwierigkeiten, da» Cedernholz in der That dem inländischen Producte Lon- currenz mache. Abg. Richter (Meißen) beantragt, den Zoll sür grobe Schnittwaaren von 0,»s aus 0,»o M. zu erhöhen aus den in der zweiten Lesung geltend gemachten Gründen, insbesondere wegen der Mißverhältnisses des Zolles zwischen rohem und geschnit tenem Bau- und Nutzholz. Abg. Holtzmann hält seinen Antrag sür ganz unbedenk lich, da nur kleine Mengen Holz zu Wagen über die Grenze gingen. Der Antrag des Abg. l)r. Günther (Nürnberg) wird mit 169 gegen 151 Stimmen, der Antrag des Abg. Richter (Meißen) mit großer Mehrheit, der An trag Holtzmann-Stephani mit 173 gegen 153 Stim men abgetehnt; dagegen wird angenommen ein An trag des Abg. Grasen v. Galen, den Zoll für Korkstopfen und Korkfohlen von 10 auf 30 M. zu erhöhen. Zu Nr. 19, Kupfer rc., wird ein Antrag deS Abg. Neumann, für Rohkupfer (nach den Beschlüssen zweiter Lesung frei) einen Zoll von 3 M. einzusühren, welchen Abg. Schröder (Lippstadt) mit dem Hinweise auf die Nothlage deS Man-selder KupserbergbaueS be gründet, abgetehnt, nachdem der BundeScommissar Geh. Rath Burchardt erklärt hat, daß die verbündeten Re gierungen in ihrer Mehrheit sich nicht für einen Zoll auf Rohkupfer ausgesprochen hätten. Ebenso wird ab gelehnt ein Antrag de» Abg. Sonnemann zu Nr. 21, Leder, den Zollsatz für Sohlleder von 36 aus 18 M. herabzuseden. Zu Nr. 22, Leinengarn, Leinwand rc. bean tragt .v u>i d-« Dresdner Abg. Frhr. v. Barnbüler die Hinzufügung einer An merkung, noch welcher Jule, Manillahans und CocuSsasern, roh, geröstet, gebrochen oder gehechelt, zollfrei eingehen sollen. Abg. Grützner bedauert, daß das Hau» beute Vormittag den Antrag des Abg. Frhrn. v. Ow (Freudenstadt) aus Ein- sührung eines FlachSzolls angenommen habe, da die Leinen- garnzölle unter der Voraussetzung der Zollfreiheit de» Flachses normirt seien, und bösst, daß es gelingen werde, den Flach»- zoll bald wieder in Wegfall zu bringeu. Abg. Vr. Windthorst theilt da» Bedauern über den Be- jchluß, der etwa» eilig gesaßt sei, und kündigt einen Antrag zum Tansgefetze an, nach welchem der JlachSzoll erst am I. Juli t»8v in Krost treten soll, um dem Reichstage Gelegen heit zu geben, in der nächsten Session den Flachszoll wieder zu beseitigen. Abg. Richter (Hagen) glaubt, daß dies nicht der einzige Beschluß sei der in einer gewissen Eile gesaßt sei. Er könne es nur mit Freude begrüßen, daß in der nächsten Session eine Novelle zum Tarif eingebracht werden solle, denn e» werde sich in der Zwischenzeit herausstellen, daß sehr vieles Unüberlegte sich in den Tarif eingesunken habe. (Oho! rechts.) Präsident v. Seydewitz erklärt e» für unzulässig, Beschlüße des Reichstags als unüberlegte zu bezeichnen. Abg. Richter (Hagen): Er werde dann alle Abänderungs anträge zum Taris embringen, welche sich inzwischen durch die Praxi» als nothwendig Herausstellen sollten. Abg. vr. Windthorst: LS sei jedem Abgeordneten unbe nommen , zu jeder Zeit AbänderungSanträge zum Taris zu stellen; eS werde sich nur sragen, ob er damit durchdringen werde. Der Antrag deS Abg. Frhrn. v. Varnbüler wird angenommen. Zu Nr. 25s, Fleisch, wird auf Antrag des Abg. I)r. Wolffson trotz des Widerspruchs des Bundescom- missars Ministenalraths Mayr eine Anmerkung be schlossen, nach welcher einzelne Stücke ausgeschlachteten, frischen und zuberelteten Fleisches in Mengen von nicht mehr als 2 Kg, nicht mit der Post eingehend, sür Be wohner des Grenzbezirks, vorbehältlich der im Falle eines Mißbrauchs örtlich anzuordnenden Aufhebung oder Beschränkung dieser Begünstigung, zollfrei bleiben sollen. Ein zu Nr. 251, Honig, vom Abg. v. Alten-Lin- den gestellter Antrag, den Zoll von 3 auf 6 M. zu erhöhen, wird von oem BundeScommissar Geh. Rath Rothe und dem Abg. Rickert bekämpft und vom Hause abgelehnt. Zu Nr. 26, Oel und Fette, wird ein Antrag deS Abg. Dr. Witte (Mecklenburg), den in zweiter Lesung beschlossenen Zoll auf Stearin von 10 auf 8 M. zu ermäßigen, dagegen den Zoll auf Palmitin, Paraffin, Wallrath und Wachs von 6 M. zu erhöhen, um die aus zolltechnischen Gründen wünschenswerthe Gleichstellung Vieser Artikel zu erreichen, vom Hause angenommen, nachdem sich der BundeScommissar Geh. Rath Rolhe damit einverstanden erklärt hat, da gegen ein Antrag des Abg. Schwarz, den Zoll für Paraffin auf 3 M. zu ermäßigen, abgelehnt. Um 11 Uhr Abends wird die Weiterderathung auf morgen Vormittag 10 Uhr vertagt. Sitzung vom 12. Juli. Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Fort setzung der dritten Berathung des Zolltarifentwurfs. Zu Nr. 27, Papier rc., liegt wiederum der in zweiter Lesung abgelehnte Antrag der Abgg. v. Geß und Frhr. v. Heereman vor, sür Lumpen einen Aus- suhizoll von 6 M. festzusetzen. Bundesbevollmächiigter Obersteuerrath v. Moser er klärt bestimmt, daß die verbündeten Regierungen, und zwar zu folge einmüthlg gefaßten Beschlusses, dem Anträge ihre Zustim mung nicht rrtheilen würden. Die Papierzöüc seien normirt unter der Voraussetzung, daß der Lumpenausjuhrzoll nicht ein gesührt werde. Abg. v Geß zieht hieraus den Antrag zurück. Zu Nr. 30, Seide rc., beantragt Abg. vr. v. Wänker, gemäß der ursprünglichen Regie rungsvorlage, sür gesponnene oder gezwirnte, nicht gefärbte Jloretseide, sür weiche in der zweiten Lesung Zollfreiheit be schlossen worden ist, einen Zollsatz von 12 M. sür rvo ü^. sest- zujetzen, weil die Floretjpinnerei sonst die einzige Industrie wäre, welche keinen Schutz erhalten würde. BundeScommissar Geh. Rath Hermann erklärt da» Einverständniß der verbündeten Regierungen mit diesem An träge, wogegen Abg. Löwe (Berlin) dringend bittet, bei dem Beschlusse zweiter Lesung zu beharren, weil man sonst die Nachiheile, welche der Creselber Industrie durch den Tarif erwüchsen, noch vermehren würde. Der Antrag Wänker wird abgelehnt. Nr. 31, Seife und Parfümerien wird mit einem im Wesentlichen redactionellen AbänderungSanträge des Abg. Dr. Stephani angenommen. Zu Nr. 33, Stein- und Steinwaaren, wird auf ven Anttag des Abg. Dr. Lieber, zu welchem BundeScommissar Geh. Rath Tiedemann das Einver ständniß der verbündeten Regierungen erklärt, der Zoll für rohe Schieferplatten und rohen Taselschiefer dem Zoll für Dachschiefer (0,50 M.) gleichgestellt und der bei der zweiten Lesung für Schieferplatten generell fest gefetzte Zoll von 3 M. nur für gefpaltene, gesägte oder sonst bearbeitete Schieferplatten beidehalten, ein Anttag deS Abg. Dr. Lasker, Schieferplatten dem Dachfchieser gleichzustellen, ebenso wie ein Antrag des Abg. Dr. Delbrück, Dachfchieser zollfrei einzulasfen, abgetehnt. Zu Nr. 38, Thonwaaren, beantragt Abg. Dr. Delbrück, glasirte Thonröhren für Wasserleitungen, die nach den Beschlüssen zweiter Lesung einem Zollsätze von 1 M. unterliegen sollen, zollfrei einzulassen. Aba. Löwe (Berlin) befürwortet diesen Anttag im Interesse der Stadtgemeinden, welche der Röhren zu LanaltfationS- zwecken bedürfen, wogegen der Bunde-bevollmächtigte Obersteuerrath v. Moser und der Abg. v. Kardorff die Beibehaltung der Beschlüsse zweiter Lesung befürworten. Der Antrag Delbrück wird abgelehnt. Zu Nr. 39, Vieh, beantragt Abg. Richter (Meißen), den Zoll auf Ochsen von 20 aus 25 M. und die Abgg. Staudy, v. Schalscha, Dr. Frege und Frhr. v. Lerchenseld, die Zölle aus Schweine von 2,50 auf 4 M. und auf Spanferkel von 0,30 auf 0,60 M. zu erhöhen, BundeScommissar Geh. Rath Tiedemann erklärt sich gegen sämmtliche Anträge und da- Hauß lehnt die selben ab. Zu Nr. 41, Wolle u., beantragt Abg vr. Delbrück, der ursprünglichen Regierungsvor lage gemäß den Zoll aus Weftgaru »ou 8 auf » M. herab- Zouruals. ME-, zufetzen, weil nach den in Oesterreich gemachten Erfahrungen die Unterscheidung dr» Westgarn« von weichem Kammgarn mit einiger Sicherheit durchführbar fei, wogegen die Unterscheidung desselben von dem mit einem Zollsatz von 8 M. belegten Ge- nappeS- und Mohairgarn sehr schwierig sein werde. Die Land« wirlhjchaft habe kein Interesse an dem Zoll, wogegen die be deutende Orlean»weberri durch Erhöhung de» Zoll» schwer ge schädigt werde. BundeScommissar geh. RegierungSrath Böttcher er klärt, daß die verbündeten Regierungen die gegen ihre Vorlage geltend gemachten Bedenken nicht hätten verkennen können und daher zu dem Entschlusse gekommen seien, den vom Hause in zweiter Lesung gefaßten Beschlüssen beizustimmen. Abg. v. Bötticher (FlrnSburg) besürwortet den Beschluß zweiter Lesung, weil der Vorlheil, welcher aus demselben für die Landwirlhjchaft erwachsen würde, die sür die Weberei er wachsenden Nachtheile weit überwiege. Abg. Löwe (Berlin) spricht für den Antrag Delbrück, weil die inländischen Kammgarnspinnereien den inländischen Bedarf nicht entfernt decken könnten und eS mindestens 10 Jahre dauern könne, ehe ein dem Bedarf entsprechendes Quantum in Deutschland producirt werden könne. Man werde also die In dustrie ruiniren, ohne daß Jemand einen Nutzen davon habe. Abg. Melbeck beantragt den Zollsatz sür anderes Garn, gebleicht oder gefärbt, dublirt; drei- oder mehrfach gezwirnt, roh, gebleicht oder gefärbt, von 24 auf 30 M. zu erhöhen, wie die ursprüngliche Vorlage wollte. Nachdem noch Abg. v. Kardorff den vom Abg. Löwe (Berlin) geäußerten Befürchtungen entgegenge treten ist, wird der Antrag Delbrück mit schwacher Mehrheit abgelehnt, ebenso der Antrag Melbeck und em von den Abgg. Dr. Frege und Dr. Grävenitz ein gebrachter Antrag, den Zoll aus grobe, unbedruckte, un gefärbte Filze von 3 auf 6 M. zu erhöhen. Bezüglich der unbedruckten Tuch- und Zeugwaaren beantragt Abg. Dr. Delbrück die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, nach welcher unterschieden werden Waaren unter oder über H mm Stärke mit Zollsätzen von 150 und 100 M.; nachdem jedoch Abg. Frhr. v. Varnbüler diesem Anträge entgegengetreten ist, wird derselbe abgelehnt. Ein Antrag des Abg. Frhrn. v. Mirbach, den Zoll auf gewebte Shawltücher mit fünf oder mehr Farben von 300 auf 450 M. zu erhöhen, wird angenommen. Zu Nr. 42, Zink, beantragt Abg. Sonnemann Zollfreiheit für gewalzte» Zink, das bei der zweiten Lesung mit einem Zoll von 3 M. belegt worden ist, unter Hinweis auf die günstige Lage der Zinkproduc- tion; nachdem jedoch Abg. Schröder (Lippstadt) dem Anträge widersprochen hat, wird der Anttag abgelehnt. Im Uebrigen werden sämmtliche Positionen des Tarifs nach den Beschlüssen zweiter Lesung genehmigt. DaS HauS geht hierauf zur dritten Lesung des TarisgesetzeS über. Zu 8 1 erhält da» Wort Abg. vr. Gneist: Ich habe für mich und im Nameu mehrerer politischer Freunde zu erklären, daß wir für den § 1 und sür den Tarif in seiner jetzigen Fassung stimmen werden. Wir haben in der zweiten Lesung dagegen gestimmt, weil das Besetz nicht die beweglichen Einnahmen giebt, die nothwendig sind zur Wahrung der Bewilligungsrechts des Reichstags. So lange wir uns zu unfern Parteigrundsätzen bekennen, werden wir niemals darauf verzichten, an Stelle der irralionellen Matricularbeiträge ein System beweglicher Einnahmen innerhalb eines vernünftigen Maßes zu erstreben WaS den Franckenstein - scheu Antrag anlangt, jo muß ich anerkennen, daß die VersaßungS- bestlmmungen unverändert bleiben. ES bleibt dabei, daß die Zolleinnahmen dem Reiche gehören und daß jährlich die Be- dürfmsfe des Reichs durch Matricularbeiträge aufzubringen sind und das Parlament darüber beschließt, sowie daß die Be stimmung über die Ucberweisung durch einfache Majorität im BundeSrathe und im Reichstage wieder geändert werden kann. Aber fo wahr dies ist, jo muh ich doch anerkennen, daß dieses Berhältniß ein künstlich gestaltetes ist, welches leicht zu Miß verständnissen und Mißhelligkeiten führen kann, und daß der Beschluß eine Aenderung in der Richtung der ReichSpolitik ist. Wenn wir alle wachsenden Einnahmen ausschließlich den Ein zelstaaten zusühren, so entsteht eine Disharmonie der Machl- verhältnisfe; die ganze LxpansionSkraft, die aus deu Finanzver hältnisfen beruht, wird lediglich aus die Einzelftaaten übertragen. Von unserm nationalen Standpunkte au» können wir ein solches Verhältniß, daS leicht zu vermeiden war, nimmermehr gutheißen, sondern wir müssen dagegen stimmen, so lange wir dazu im Stande sind, und ich glaube, auch die Mitglieder der rechten Seite würden gern sür eine Verclausulirung gestimmt haben. Jetzt sragt es sich aber, ob das Besetz darum unannehmbar ist. Ich vermag gegen ein sür unsere Finanzen so grundlegende» Besetz wie diejeS nur zu stimmen, wenn eS sich um die Ver letzung verfassungsmäßiger Rechte handelt, oder au« sachlichen Gründen, wenn ich die Möglichkeit habe, ein andere» Gesetz an die Stelle zu setzen. Line Verletzung verfassung-mäßiger Be stimmungen liegt nicht vor und ebenso die Möglichkeit, in dieser Session ein neues Gesetz zu beschließen, und ein in der nächsten Session zu beschließendes Besetz würde wahrscheinlich dem Lande Schwereres auslegen als diese». Eine Verwerfung dieses Ge setze» würde seiner bedeuten, auf Jahr und Tag auf eine Be ruhigung der Industrie zu verzichten. Die unaussprechliche Verwirrung, die durch die Verwerfung deS Tarif» entstehen müßte, würde schwerer wiegen als alle Mißgriffe, die etwa be gangen worden sind. Ta» Gesetz muß beschlossen sein, wenn die Regierung in die Lage versetzt werden soll, Handelsverträge adzufchließen. Entscheidend ist serner unsere Stellung zur Finanzresorm. Wir erkennen an, daß die Vorlage wesent lich erhöhte Einnahmen au» den Zöllen und indirecten Steuern bringt. Wir können die Matricularbeiträge fac- tisch beseitigen, wir beschaffen die Mittel zur Beseitigung der Deficit» der Einzelftaaten, und keine Partei darf dem Staate die nothwendigen Existenzmittel versagen, die sie selbst beansprucht, wenn sie an die Leitung de» Staate» kommt Wir haben seit 1887 diese Zwang»logr jederzeit aner kannt. Un» dieser Rothwendigkeit zu fügen betrachte ich für unedel weder für eine Partei in diesem Haufe noch für einen Staatsmann. Der Reichskanzler wird nicht nur berechtigt, son dern auch verpflichtet sein, dir Verhandlungen mit keiner Partei zurückzuweijen, die bereit ist, dem Reiche da» zu seiner Existenz Nothwendige zu bewilligen Der Reichtkanzler kann nach der Reichsverfassung unmöglich in einem Bertraum-verhältniß zu einer einzelnen Partei stehen, und ich kann keinen Vorwurf gegen ihn erheben, wen die Sachlage ihm die Pflicht auser legt, mit den verschiedenen Parteien in Beziehung zu treten, um die Majorität »u erhalten. Au» diesem Grunde betrachte ich unser Berhältniß zum Reich»lanzler al» nicht verändert Ich stimme sür da» Tarisgejetz au» analogen Gründen, wie wir für den Hau»halt»rtat stimmen, weil wir dem Reiche die nothwendigen Exiftenzmittel nicht versagen können. (Bravo! und Zischen.) Abg. Rickert beantragt, die Getreidezölle, Nr. 9» und t» de» Taris», erst am 1. Januar 1880 in Kraft treten zu laßen, weil die Zollpslichtigkeit sür Mühlensabrikate erst an diesem Datum beginne Würde Getreide bereit» am 1. October zoll pflichtig, so würden von dem Datum an, wo da- Besetz in Kraft trete, groß« Maßen Mehl eingesührt werden, um in Deutschland zu lagern, wodurch dir Mühlenindustrie bedeutend grjchävigt werden und die Laodwrthjchast doch den Nutzen von dem Getreidezoll nicht haben werde, den sie davon erwart«. Abg. Frhr. v. Marschall polemisirt gegen die vorgestrige Red« dr- Adg. Kirsrr, namrntlich grgrn dir Argumentation, al- ob durch drn Antrag Franckenftein dir Rrich-vrrsaßung vrrletz« fei. Auch in Baden wünfch« man eine Beendigung de» Eulturkamps» und die Förderung einer religiösen Erzicv ng dr» Bolk»; auch in Badrn hab« man di« bi»herigr Winhichaft»- politik gründlich satt, und man s«i dort dem Reichslanzler dank bar für dir Initiativ«, di« dersilb« «rgnssrn hab«; ab«r rin« den 15. Juli 1879. Nothschrei nach größerer Machtbefugniß de» Parlament» habe er nirgend- gehört. (Zustimmung rechts.) Man werde die Erfahrung abwarten und sehen, welches Votum das richtige gewesen sei: ob das Votum Desjenigen, der die jetzige Ber- dienstlosigkeit bestehen lassen wolle Lärm links), oder Des jenigen, der sie heben wolle. Er könne sein Votum verant worten nicht nur vor seinem Gewissen, sondern auch vor dem reichstreuen badischen Volke. (Lebhaftes Bravo! rechts, Zischen link») Abg. vr. Buhl befürwortet ebenfalls den Antrag, die Be- treidezölle erst am 1. Januar in Kraft treten zu laßen, in Rücksicht auf die Zollfreiheit der Mühlensabrikate. Abg. vr. Delbrück: Ich habe mich mit schwerem Herzen entschloßen, gegen den in dritter Lesung festgestellten Zolltaris zu stimmen, mit schwerem Herzen, weil ich seit einer Reihe von Iahten der Uebcrzeugung bin, daß es nothwendig ist, die Einzelftaaten von der Last der Matricularbeiträge zu befreien. Ich würde dieses Ziel sür so hoch gehalten haben, um eine große Menge von Bedenken, die ich gegen den vorliegenden Tarif hege, zu überwinden. Der Tarif enthält indesfen nach zwei Richtungen Bestimmungen, welche mir die Zustimmung unmöglich machen, einmal, insosern er die Gegenstände des noth- wendigsten Bedarfs (Hört! links) in einer nach meiner Ansicht nicht richtigen Höhe besteuert, und zweitens, indem er eine Reihe unsrer wichtigsten exporlirenden Industrien schwer schädigt (Hört! link-). Ich habe im Zollparlament sowohl die Erhöhung de» Kaffeezolls als einen Petroleumzoll vertreten, aber zu der Zeit, wo ich diese beiden Zolländerungen vertrat, waren Getreide und Mehl zollfrei, die nothwendigsten Gegenstände der Bekleidung mit mäßigen Zöllen belegt, und in Aussicht stand die Aus hebung der Zölle auf Schlachtvieh, Eisen und andere noth- wendige Bedürfnißr. Jetzt wird das Getreide mit einem Zolle belegt, wie er seit 2b Jahren thatsächlich niemals bestanden hat (Hört! links); daS Schlachtvieh ist höher besteuert als seit Errichtung des Zollvereins >emals (Hört! links). ES sind damit die Bedür^niße von breiten Schichten der Bevölkerung mit Zöllen belastet. Ich weiß sehr wohl, daß die Mehrheit des Reichstags glaubt, daß die auf die Mehrheit der Bevölkerung fallenden Erschwerungen nicht fühlbar werden würden, weil durch die Vermehrung der Nachfrage nach Arbeit Lohnerhöhungen ein- trcten würden. Ich zweifle, daß diese Folge emtritt. Träte sie aber auch in dem gewünschten Umfange ein, so wäre damit mein Bedenken nicht gehoben, weil dann die Preis erhöhung unabwälzbar von dem Arbeitgeber, dem Handwerker getragen werden müßte. Ich halte auch diese wesentlichen Veränderungen in den Existenzbedingungen der Nation durch den finanziellen Ersolg sür nicht gerechlsertigt. Der Export industrie bedürfen wir, weil wir eine große Menge von Waaren aus dem Auslande beziehen und bezahlen müßen. Früher konnten wir eine große Menge dieser Waaren bezahlen mit landwirthschastlichen Producten, mit Getreide, Holz und Wolle. Heute hat sich das geändert, heute bedürfen wir der Exports deS Products der industriellen Arbeit, und nach dieser Seite hin Hal die bisherige Tarispolitik unsere Exportsähigkeit in bedeu tendem Maße gesteigert. Ich fürchte, daß der neue Tarif nach dieser Seite hin einen schweren Rückgang zur Folge Haden wird. Der Präsident des Reichskanzleramts hat gestern aus gesprochen, daß die verbündeten Regierungen geneigt seien, von den ihnen zustehenden Befugnissen zur Begünstigung des Ver edelungsverkehrs den ausgedehntesten Gebrauch zu machen. Aber diese Geneigtheit findet ihre Grenze an der Beschaffenheit der Gegenstände, die in Frage kommen. Mit Rücksicht hieraus fürchte ich, daß der neue Taris unsere Kaussähigkeit we;entlich vermindern wird, und das ist der Grund, warum ich, mit schwe rem Herzen, gegen den Taris spreche. (Bravo! links.) BundeScommissar Geh. Rath Tiedemann bittet um Ablehnung des Antrags Rickert, weil sonst der Getreidezoll sür da- ganze nächste Jahr unwirksam sein würde. Der 1. October sei ohnehin schon ein sehr später Termin; e- hätte nicht- im Wege gestanden, den Zoll bereit» am 1. September in Krast treten zu laßen. Abg. vr. Windt hör st beantragt, den Flach-zoll erst am 1. Juli 1880 in Kraft treten zu laßen. Der Antrag Rickert wird mit großer Mehrheit, der Antrag Windthorst fast einstimmig angenommen, mit demselben 8 1. Zu ß 5 wird auf Antrag der Abgg. Frhr. v. Franckenstein und v. Kleist-Retzow und mit Zustim mung des Bundescommissars Geh. Raths Burchardt die Zollfreiheit von Erzeugnissen der Waldwirthschast auf den Fall beschränkt, daß die außerhalb der Grenze belegenen Waldgrundstücke ein Zubehör des inländi schen Grundstücks bilden. Zu 8 7, welcher die Erleichterungen des Transit verkehrs in Getreide, Holz und Mehl bestimmt, sprechen die Abgg. Rickert und Graf zu Stolberg (Rastenburg) die bestimmte Erwartung au», daß der Bundesrath von der ihm durch den Paragraphen gegebenen Besuguiß einen möglichst ausgedehnten Gebrauch machen werde. Zu 8 8, welcher den sogenannten Franckenstein'schen Antrag enthält, bemerkt Abg. vr. v. Treitschke: Man sehe in dem 8 8 den Be ginn einer particularistifchen Strömung in Deutschland, und er selbst fei anfänglich auch dieser Meinung gewesen. Es sei aller dings bedauerlich, daß da- Reich gewissermaßen auf den Allen- theil gefetzt werden solle, während di« Mehrerlräge den Einzel staaten zufließen sollte"; aber einen Sieg des Panicularismu» könne er in dem Paragraphen nicht sehen, am allerwenigsten könne ihn derselbe abhalten, sür das Gesetz zu stimmen, nament lich da auch von Zeitungen seiner Partei ganz derselbe Vor schlag gemacht worden sei. Er schätze den Inhalt des Besetze- höher, al- die Form. Wenn man in der Sache einig sei, so könne man wohl in der Form ein mäßiges Zugeständniß machen. E« sei nicht wahr, daß durch den Paragraphen die Finanzhoheit des Reiches ausgehoben werde, denn nach wie vor würden die Einzelftaaten die Zolle und indirecten Steuern sür das Reich erheben, es werde nur die Rechnungsmanipulattou unnöthig erschwert werden. Daß die Einzelftaaten suchen wür den, sich aus Kosten des Reich» zu bereichern, fei nicht zu be fürchten, denn die Einzelftaaten wüßten wohl, daß ihre Existenz unter der Reichsvcrfassung ungleich fester stehe, als unter dem alten deutschen Bunde, und daß sür sie das Heil nur liege in der Treue gegen das Reich Man habe demgemäß auch noch keinen Fall erlebt eines Budget», da« vom BundeSrathe zu knapp bemeßen worden sei zu Ungunsten des Reich»; >m Beg«nth«tt, derReich-lag sei öster genöthigt gewesen, ein vom BundeSrathe zu reichlich bemeßene» Budget zu beschneiden. Er seh« also in den Einwänden gegen diesen Paragraphen nur eine Menge von Spitz findigkeiten, weichr von jeher im Parlamente eine vcrhäng- nißvolle Rolle gespielt hätten. Er versteh« «< nicht, wir man lediglich um dieser Form willen «S nicht über sich bringen könne, dem Reich« di« Mittel zu versagen, deren e» dringend bedürse. Er versteh« di« sachlichen Bedenken de» Abg. Vr. Del brück, ab«r der Lärm um den 8 8 erscheine ihm nur al- die Wiederholung de« Lärm», der bei den großen Gejetzgedung»- werken de« Reich» wegen kleiner Bestimmungen gemacht worden sei. Man such« nun den Grund der Besorgniß in der jetzigen Schwenkung der Politik. Er bedauere, daß die Politik eine so unberechenbare und sprungweise fei, aber von jedem Pessimi-- mu» müße man sich doch fern halten. Der Re,ch«kanzler sei der wahre »«tonische Teufel, der gewiß nicht» von Dem her- gebe, wa» dem Reich« grhöre. Der Rnwsgebanke, der auch in diesem Gesetz«, wenn auch verhüllt, sich ausspreche, werde doch immer dcn Sieg behalten und Mil dem particularisttschen Triumph werde e< doch seine guten Wege haben (Bravo I) Abg. vr. Lasker zweifelt ebenfalls nicht au der Zukunft de» d«utjch«n Reich»; aber mit solchen allgemeinen Sätze» könne man sich nicht abhalten laßen, eine ein»«lne Bestimmung zu prüfen. Er freue sich, daß von keiner Seite behaupt,t werde, mit der Annahme de» Paragraphen werd« für dir Einz«lftoa«kn in ihrrm Vrrhaltniß zum Rrich« «in wirk: .üri Si«g «rr«icht. D«r Paragraph wrrd« d«n Einzetftaatrn «her »um Nachtheil gereich«, ad«r auch dem Reich« «rwachs« daran» kein Nutzen; r< sei rin Schad« für beide Theile. W«nu er auch coustatiren wall«, daß der Paragraph jederzeit durch «Aw
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