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Dresdner Journal : 24.06.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187906249
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18790624
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18790624
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1879
-
Monat
1879-06
- Tag 1879-06-24
-
Monat
1879-06
-
Jahr
1879
- Titel
- Dresdner Journal : 24.06.1879
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Erste Beilage zu ^7 143 des Dresdner Zournals. Dienstag, den 24. Juni 1879. vmtscher Reichstag. Sitzung vom 21. Juni. I-. Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Berathung des Gesetzentwurf», betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Loth- ringen». 8 1 lautet: .Der Kaiser kann landesherrliche Befugnisse, welche ihm kraft Ausübung der Staatsgewalt in Elsast-Lothringen zu stehen, einem Statthalter übertragen. Der Statthalter wird vom Kaiser ernannt und abberusen. Er residirt in Straß burg. Der Umsang der dem Statthalter zu übertragenden landesherrlichen Befugnisse wird durch kaiserliche Verordnung bestimmt." Abg. vr. Simonis äußert unter großer Unaufmerksamkeit deS Hauses Bedenken dagegen, daß die Ausrüstung des Statt halters mit landesherrlichen Befugnissen nur facultativ vor geschrieben sei. Die Verlegung der Landesregierung von Berlin nach Straßburg sei von ihm und seinen Freunden von jeher ge fordert worden; aber es solle auch nur diese Verwaltung nach Straßburg verlegt werden, ohne daß etwas Wesentlichstes daran geändert werde, und da» genüge nicht. tz 1 wird mit sehr großer Mehrheit angenommen. 8 2 lautet: „Aus den Statthalter gehen zugleich die durch Besetze und Verordnungen dem Reichskanzler in elsaß-lothringischen LandeSangelegenhriten überwiesenen Befugnisse und Obliegen heiten, sowie dir durch 8 10 des Gesetzes, betressend die Einrichtung der Verwaltung, vom SV. Decem- ber 1871 dem Oberpräsidenten übertragenen außer ordentlichen Gewalten über." Hierzu beantragen die Abgg. Kable, Gerber, Germain und Genoffen, die gesperrt gedruckten Worte zu streichen und folgenden Absatz hiüzuzufügen: .Die Befugnisse, welche dem Oberpräsidenten durch 8 10 des Gesetzes vom 80 December 1871 übertragen sind, sind aufgehoben." Abg. KablS motivirt in längerer, aus der Tribüne jedoch im Zusammenhänge unverständlicher Rede diesen Antrag, indem er nachzuweisen sucht, daß der Dittaturparagraph vollständig entbehrlich und also der Wegfall desselben unbedenklich sei. Unterstaatssecretär Herzog bittet um Ablehnung des Antrags aus denselben Gründen, welche die Regierung schon wiederholt Anträgen auf Beseitigung des § 1V entgegengestellt habe. Es werde auch der Vertrauensvollste nicht behaupten können bei der eigenthümlichen Lage des Landes, daß Gefahr für die Sicherheit nie eintrcten könne, und darum müsse man Mittel haben, um dieser Gefahr entgegenzutreten. Die Regie rung habe die Bestimmung deS 8 10 getroffen, weil sie dieselbe für milder und zweckmäßiger gehalten habe als einen Belage rungszustand, unter welchem die gejammte vollziehende und richterliche Gewalt aus die Militärbehörden übergehen würde. Die Uebertragung der Gewalten, welche das französische Gesetz über den Belagerungszustand gewähre, aus den höchsten Ber- waltungSbeamtcn erlaube eine graduelle und örtliche Abgrenzung dieses Belagerungszustandes je nach dem Bedürfnisse. Er leugne nicht, daß die Bevölkerung im Großen und Ganzen den Ge setzen gehorsam sei; aber andererseits dürse man sich doch auch nicht einer absoluten Sorglosigkeit hingeben bei dem Verhalten der französischen Presse, welche sich stets bemühe, die Verbindung des Landes mit Deutschland zu lösen. Die Regierung könne daher den 8 10 zur Zeit nicht entbehren. Wenn die Regierung verlange, daß alle Abgeordnete sich aus den Boden des Frank furter Friedens stellten, so sei das doch das Mindeste, was sie verlangen könne. Aber auch der Vorredner habe noch in seinem Wahlprogramm erklärt, daß er aus dem Standtpunkte des gegen die Annexion deS Landes im Reichstage erhobenen Proteste- stehe. Wenn die Elsaß-Lothringer allgemein sich aus den Boden deS Frankfurter Friedens stellten, dann könne vielleicht der 8 10 unnöthig werden; vorher würde es aber unklug sein, denselben aufzuheden. (Bravo I) Abg. Hoffmann erklärt sich namens der Fortschrittspartei mit dem Gesetzentwurf einverstanden. Den 8 10 halte er nicht für eine Nothweudigkeit für Elsaß Lothingen, er halte denselben vielmehr für bedenklich, weil er die Bevölkerung nie zum Ge fühl der Sicherheit kommen lasse, das man ihr gerade wünschen müsse, um sie zu wirklichen Deutschen zu machen. Nothwendig fti der Paragraph nicht, weil der Verjaffungsartikel über den Belagerungszustand vollständig ausreichend sei und die Haltung der elsaß-lothringischen Bevölkerung kein Bedürjnih für eine solche Ausnahmemaßregrl erkennen lasse Die Fortschrittspartei werde daher sür den Antrag Kabls stimmen. Abg. v. Puttkamer (Löwenberg): Jetzt komme es zu nächst daraus an, unter Hinlenansetzung von Dingen, die in den Rahmen dieses Gesetzes nicht gehörten, dem Reichslande diejenigen Institutionen zu verschaffen, welche ihm zu ver schaffen allgemeiner Wunsch sei Wenn der Aba. KaM gesagt hätte, er und seine Parteigenossen erkennten den Frankfurter Frieden an, so würde derselbe vielleicht eher aus Zustimmung zu seinem Anträge rechnen können. Kablv habe dies nicht ge- than. Aus den Anträgen des Abg. Kablä und seiner Freunde scheine hrrvorzugehen vielleicht nicht die Absicht, das Gesetz zu Falle bringen, wohl aber, daß ihnen an dem Zustandekommen des Gesetzes nicht viel liege Wenn die Protestpartei aus die Vorlage nur eingehen wolle unter der Bedingung, daß man ihr Waffen gebe, um ihre Opposition in verschärftem Maße fortsührcn zu können, und die Regierung der Mittel beraube, welcher sie bedürfe, um die Verantwortung, für die Ruhe und Sicherheit de» Lande» zu übernehmen, so werde dem die große Majorität de» Reichstags entgegentreten. Wenn er auch die bisherige Haltung der Bevölkerung des Landes anerkenne, so dürfe man doch nicht verkennen, daß die Maßregel sich nicht richte gegen die ruhige Bevölkerung, sondern nur gegen miß bräuchliche Agitationen, die auch heute noch möglich seien. Abg. vr. Windthorst will sür den Antrag Kabls stimmen. Er wünsche sehr dringend da» Zustandekommen des Gesetze- und hätte daher sehr gewünscht, daß man eine Borberathung in einer Commission beliebt hätte Der Statthalter werde nur dem Reichstage, nicht aber dem Landc-ausschuffe verantwortlich sein, und deshalb könne der Lande-auSschuß nicht diejenige Bedeutung haben, die er verdiene. Für die Acte, welche der Statthalter auf Grund des 8 10 vornehme ohne jede Controle des Staatssecretär» und des Landesausschusses, trete nur eine Controle selten des Reichstags ein, und das mache die Sache schon bedenklich. Er würde viel weniger Bedenken gegen den 8 10 haben, wenn man die Befugnisse dem Statthalter gegeben hätte in seiner Stellung als Träger gewisser landesherrlicher Rechte, weil dann die Contrasignalur de- Staatssecretär» ein- treten müsse und man im LandeSausschufse einen Mann vor sich haben würde, den man dafür verantwortlich machen könnte. Er sei nicht darüber zweifelhaft, daß sich die Elsaß- Lothringer gewöhnen müßten an den Gedanken, daß Elsaß Loth, ingen mit Deutschland durch ein unauflösliche- Band ver bunden sei. Wenn er aber die» von ihnen wünsche, so könne die» nur erreicht werden durch Schonung ihrer Scsühle voraus gesetzt. daß diese nicht aus ungesetzlichem Wege zum Ausdruck gebracht würden. Daß dies geschehen sei, habe Niemand be hauptet. E- sei den Elsaß-Lothringrrn allgemein daS Zeugniß gegeben worden, daß sie im Großen und Ganzen den Gesetzen gehorsam seien. Run verkenne er nicht, daß «esahren entstehen könnten bei der exponitten Lage de- Lande-; er glaube aber, daß für solche Mittel die bi-herige Gesetzgebung der Regierung die nöthigen Mittel in die Hand gebe Der 8 68 der ReichS- vrrsaffung und die Gesetze über den Belagerungszustand seien kräftig genug. Davon verschieden sei aber, wenn man alle Rechte der Bevölkerung prei»g«b« der willkürlichen Entscheidung eine« einzelnen Mannes, und da« thue der 8 10. Solange dieser Paragraph existire, sei kein Elsaß-Lothringer gesichert gegen Denunciationen Darum sei er außer Stande, ein Land, da» sich erst in die neuen Institutionen hineinfinden müsse, unter diesem Damoklelfchwert fortleben zu lasten Wenn der neue Statthalter nach Straßburg komme nach Aufhebung diese» ß 10, so werde derselbe für seine Thätigkeit einen viel günsti ¬ geren Boden finden, al- mit diesem Paragraphen, denn aus die Dauer könne man ein Land nicht regieren mit solchen Para graphen, sondern man müsse die Bevölkerung durch Vertrauen zum Gehorchen erziehen. Wenn die außerordentlichen Befug nisse in dir Hände der Militärbehörden gelegt würden, so halte er da» für viel bester, denn diese seien viel unbefangener und freier in ihren Anschauungen, al» die Civilbehörden, und e» habe ihn sehr befriedigt dre Nachricht, daß die Statthalterschaft in die Hände eine- berühmten Generals gelegt werden solle. Er habe das Vertrauen, daß derselbe die Verwaltung des Reichskanzlers nach großartigeren Gesichtspunkten führen werde, al- die Bureautratie. Eine weitere Folge de» 8 10 sei, daß die ganze Presse daniederliege, daß die Presse seiner Partei ausgeschlossen werde und daß in Deutschland erscheinende Blätter im ReichSlandr verboten seien. Er hoffe, daß der neue Statt halter in Bezug auf diese und auch in Bezug aus die kirchlichen und Schulzustände Arnderungen treffen werde, denn derselbe ge höre nicht zu Denjenigen, welche den Culturkamps mit geführt hätten. Der Antrag Kabls und Gen. wird mit den Stimmen der Conservativen und Nationalliberalen abgelehnt und 8 2 unverändert angenommen, ebenso 8 3, wel cher lautet: „Das Reichstanzleramt sür Elsaß-Lothringen und das Oberpräsidium in Elsaß-Lothringen werden ausgelöst. Zur Wahrnehmung der von dem ersteren und dem Reichsjustiz amte in der Verwaltung des Reichslandes, sowie der von dem Oberpräsidenten bisher geübten Obliegenheiten wird ein Ministerium sür Elsaß-Lothringen errichtet, welches in Straßburg seinen Sitz hat und an besten Spitze ein Staats secretär steht;" nachdem Abg Winterer der Ueberzeugung Ausdruck gegeben hat, daß die Gewalten des Statthalters und des StaatssecretärS, wie sie in der Vorlage gestaltet seien, ebensowenig gedeihlich nebeneinander wirken könn ten, als seither das Oberpräsidium und das Reichs kanzleramt für Elsaß-Lothringen in Berlin. 8 4, welcher bestimmt, daß der Staatssecretär die vom Statthalter kraft des dem Letzteren nach 8 1 er- theilten Auftrags erlassenen Anordnungen und Ver fügungen gegenzuzeichnen hat und in Anfehung der im 8 2 bezeichneten Angelegenheiten die Rechte und die Verantwortlichkeit eines Stellvertreters des Statthalters besitzt, wird ohne Debatte angenommen. 8 5 enthält Bestimmungen über die Organifation des Ministeriums, namentlich dessen Theilung in Ab- theilungen. Auf Antrag der Abgg. v. Puttkamer (Lö wenberg) und v. Kleist-Retzow, welcher Unterstaats- fecretär Herzog zustimmt, genehmigt das Haus eine andere Fassung, welche die Organisation des Ministe riums mehr als die Vorlage der kaiserlichen Verord nung bez. der Festsetzung durch den Etat überläßt. Mit mehreren dadurch bedingten Aenderungen wird alsdann 8 6 angenommen, der über die Dienst- und Rechtsverhältnisse der Beamten des Ministeriums Be stimmungen enthält. 8 7 setzt fest, daß zur Vertretung der Vorlagen aus dem Bereiche der Landesgesetzgebung, sowie der Interessen Elsaß-Lothringens bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung durch den Statthalter Commissare in den Bundesrath abgeordnet werden können, welche an dessen Berathungen über diese Angelegenheiten theil nehmen. Nachdem Abg. Hoffmann bemerkt hat, daß diese Art der Vertretung Elsaß-Lothringens im Bun- desrathe nicht übereinstimme mit der früheren Zusage des Reichskanzlers, nach welcher Bertrauenc-männer des Landesausschusses mit der Vertretung beauftragt wer den sollten, wird 8 7 angenommen, ebenso 8 8, welcher gewisse bisher vom Bundesrathe wahrgenommene Be fugnisse zum Theil dem Ministerium überträgt, zum Theil in Wegfall bringt. Nach 8 9 foll ein Staatsrath eingesetzt werden zur Begutachtung von Gesetzentwürfen, von Ausfüh rungsverordnungen zu Gesetzen und von anderen An gelegenheiten, welche ihm vom Statthalter überwiesen werden. 8 10 bestimmt, daß dieser Staatsrath unter dem Vorsitze des Statthalters bestehen soll aus dem Staatssecretär, den UnterstaatSsecretären, dem Ober- landesgerichtspräsidenten und dem ersten Staatsanwalte beim Oberlandesgericht, sowie 8 Mitgliedern, welche der Kaiser ernennt, und zwar 3 davon auf Vorschlag des Landesausschusses, die übrigen 5, von denen min destens eins dem Richterstande und eins den ordent lichen Professoren der Straßburger Universität ange hören muß, aus allerhöchstem Vertrauen. Nach 8 11 sollen die Mitglieder deS kaiserlichen Rathes in Elsaß- Lothringen bis auf Weiteres in der Zahl von 10 durch kaiserliche Verordnung ernannt werden. — Hierzu haben die autonomistischen Abgeordneten North und Gen. zwei Anträge eingebracht, deren erster bestimmt, daß dem Staatsrath durch die Landesgesetzgebung auch andere, insbesondere beschließende Functionen über tragen werden können, während nach dem zweiten die Zahl der durch den Kaiser zu ernennenden Mitglieder des Staatsraths auf 8 bis 12 festgesetzt wird, von welchen 3 auf den Vorschlag des Landesausschusses, die übrigen, und zwar ohne irgend welche Beschränkung, aus allerhöchstem Vertrauen berufen werden sollen. Andererseits wollen die Abgg. Heckmann-Stintzy, Kable, Winterer und Gen. die Zahl der vom Kaiser zu ernennenden Mitglieder auf 9 festgesetzt wissen, von welchen 5 auf den Vorschlag des Landes ausschusses ernannt werden sollen; ferner wollen sie, daß die Mitglieder deS kaiserlichen Raths zwar Mit glieder deS StaatsratHS sein, jedoch in keinem Falle daneben ein besoldetes Amt der höheren Verwaltung der Reichslande sollen bekleiden dürfen. — Nach längerer Discussion, in welcher sich Abg. v. Puttkamer (Löwenberg) und der Unterstaatssecretär Herzog mit den Anträgen der Abgg. North und Gen. einverstan den erklären, werden letztere und mit denselben die 88 9 bis 1l angenommen, die Anträge der Abgg. Heckmann-Stintzy und Gen. dagegen abgelehnt. 8 12, nach welchem die Zahl der Mitglieder des Landesausschusses auf 58 erhöht wird, von welchen 34 wie bisher durch die Bezirkstage gewählt werden fallen, wird ohne Debatte genehmigt, ebenso 8 13, nach wel chem von den übrigen 24 Mitgliedern je eins in den Gemeinden Straßburg, Mühlhausen, Metz und Colmar, und 20 von den 20 Landkreisen gewählt werden sollen. Die 88 14—17 enthalten Bestimmungen über die Wahl der in 8 13 erwähnten Mitglieder. Dieselbe soll in der Weise vorgenommen werden, daß die Ab geordneten der vier Städte von den Gemeinderäthen au» deren Mitte gewählt werden und daß die Gemeinde- räthe der Landkreise aus ihrer Mitte Wahlmänner er nennen, welche demnächst den Abgeordneten wählen. Ein Antrag der Abgg. Winterer, Jaunez, Heck- mann-Stintzy und Genossen will dagegen die Wahl der in 8 13 erwähnten Mitglieder in der Art statt- finden lassen, daß die Urwähler die Wahlmänner au» ihrer Mitte wählen; ferner soll dem LandeSausschufse Oeffentlichkeit der Sitzungen und Redefreiheit gewährt werden. Abg. Winterer motivirt den Anttag damit, daß der in der Vorlage vorgeschlagene WahlmoduS nicht gerecht sei und die Gemeinderäthe sich zu po litischen Wahlkörperschaften nicht eigneten, wogegen Abg. Schneegans und Unterstaatssecretär Herzog den Regierunasvorschlag rechtfertigen, welcher alsdann, un ter Ablehnung de» Antrags Winterer, angenommen wird. 8 18 setzt fest, daß die nach den 88 13—17 ge- wählt-n Abgeordneten, insofern sie noch nicht vereidet sind, bei ihrem Eintritt in den LandeSau»schuß den gleichen Eid zu leisten haben, wie die Mitglieder der Bezirkstage, und daß die Ausübung des Mandats durch die Leistung deS Eids bedingt wird. Ein Anttag des Abg. Schmitt-Batiston, nach welchem von den nach den 88 13 —17 gewählten Abgeordneten bei ihrem Eintritt in den Landesausschuß die Leistung eines Eides nicht gefordert werden foll, wird, nachdem Un terstaatssecretär Herzog erklärt hat, daß unter den in Elsaß-Lothringen obwaltenden Verhältnissen die Lei stung deS Eides gar nicht entbehrt werden könne, ab- gelchnt und 8 18 unverändert angenommen, ebenso ohne Debatte die 88 19—23, von welchen 8 21 dem" LandesauSschuß das Recht der Initiative in der Gesetz gebung gewährt. Damit ist die zweite Berathung des GesetzentwursS beendigt. H5 Uhr vertagt sich das HauS auf Montag 12 Uhr (dritte Lesung des Gesetzentwurfs über die Verfasfung und Verwaltung Elsaß-Lothringen», Etats- und Rech nungssachen, Fortsetzung der Tarifberathung). ProvillMnachrichtcn. Ä Leipzig, 22. Juni. Erne solche Frequenz wie am heutigen Sonntage hatte die hiesige Kunstge werbeausstellung bisher wohl noch nie aufzuweisen. Ganz abgesehen von den dichtbesetzten fahrplanmäßigen Zügen der hier einmündenden Bahnen, trafen nament lich auf der Dresdner Staatsbahn mehrere Extrazüge mit gewerblichen Corporationen aus Dresden, ferner aus Oschatz, Lommatzsch, Riesa rc, auf der westlichen Sta2tsbahn ebenfalls solche Vereinigungen hier ein, so daß sich schon in den ersten Vormittagsstunden ein ungemein reges Lebcn entfaltete. Der Dresdner Hand- werkerverein kam in der stattlichen Zahl von circa 700 Personen hier an, und die Theilnehmer an der Excur- sion begaben sich vom Bahnhofe weg zunächst nach dem Schützenhause, woselbst das Frühstück eingenommen und die Gelegenheit auch zu einer Besichtigung des dortigen Aquariums benutzt wurde. — Die Vorstellungen der Monatsoper im hiesigen Carolatheater erstellen sich fort und fort der vollen Gunst des Publicum» und auch der jetzt zahlreich hier anwesenden Fremden und Besucher der Kunstgewcrbeausstellung. L-1. Stollberg, 22. Juni. Am heutigen Tage wurde hier die Bezirksversammlung des Milltärver- bandes gedienter Soldaten der königl. sächsischen Armee der Amtshauptmannschaft Chemnitz abgehalten. Die Oberleitung des Festes hatte Realschullehrer Lösche übernommen. Es waren über 40 Einzelvereine mit circa 1800 Mitglieder und 35 Vereinsfahnen ver treten. Vormittags 10 Uhr fand der Empfang der Gäste Statt. Von Nachmittags 3 Uhr an erfolgte die Aufstellung des Festzuges am Schießplätze, wo Herr Bürgermeister Schurig die Gäste begrüßte und Herr Lösche die Festrede hielt. Hierauf bewegte sich der Zug unter Vorantritt von 25 Reitern und 6 Musik corps durch die Hauptstraßen der Stadt; es folgte ein Concert im Garten der Häßler'schen Restauration. Den Schluß deS Festes bildete ein Ball im Fechner'schen Gasthause und gemüthliches Beisammensein. Die ge- sammte Bürgerschaft Stollbergs hatte durch häusliche Aufnahme der Gäste, fowie durch prächtige Aus schmückung der Stadt, durch Errichtung zahlreicher Ehrenpforten u. s. w. ihre lebhafte Lheilnahme für diese festliche Vereinigung bekundet. Gerichtsverhandlungen. lH Dresden, 21. Juni. Schwurgerichtsver handlungen. (Fortsetzung.) IV. Johanne Rosine verehel. Pohle geb. Fischer in Dresden hatte eine Partie Möbel, einiges Hand werkzeug und einen Wagen, welche ihrem Ehemanne abgepfändet worden waren, als ihr Eigenthum in An spruch genommen und namentlich in Betreff der Möbel beschworen, daß sie dieselben zur Zeit ihrer im Jahre 1867 erfolgten Verhcirathung mit in die Ehe einge bracht habe. In Ansehung der übrigen reclamirien Gegenstände hatte sie ihr Eigenthum in anderer Weise begründet und ebenfalls befchworen. Die Anklage er streckte sich zwar darauf, daß sie den ganzen von ihr geleisteten Eid wissentlich falsch geschworen habe, in dessen wurde bezüglich des Handwerkszeuges und deS Handwagens der Nachweis, daß die Angaben der An geklagten unwahr gewesen, nicht mit voller Sicherheit erbracht; dagegen mußte in Betreff der reclamirten Möbel die Angeklagte selbst einräumen, daß dieselben erst nach Eingehung der Ehe von ihr angeschafft wor den seien und daß sie im Bewußtsein diese» Umstan des ihr Eigenthumsrecht in der obigen Weise geltend gemacht und beschworen habe, weil sie befürchtet, daß sie sonst mit ihrer Reklamation nicht gehört worden würde. Auf Grund de» theilweise bejahenden Wahr spruchs der Geschwornen wurde die Angeklagte wegen Meineides zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus, 3 jähri gem Ehrenrechtsverlust und dauernder EidrSunfähigkeit verurtheilt. V. Der Schafknecht Friedrich Ferdinand Tillig au» Lichtenfee, welcher von der ledigen Herrmann da selbst wegen der Unterhaltsbeiträge für ein von der selben geborene- Kind in Anspruch genommen worden war, leugnete die thatsächlichen Unterlagen der Klag begründung, nahm den darüber «»getragenen Eid an und leistete denselben vor dem GenchtSamte Großen hain ab. Die eigenen Zugeständnisse deS Angeklagten und die Beweisaufnahme ließen jedoch keinen Zweifel darüber, daß der Angeklagte den Eid wissentlich falsch geschworen hatte, obwohl er nach anfänglichem hart näckigen Leugnen seine Rettung darin suchte, daß er zwar die objective Unwahrheit de» von ihm geleisteten Eide» einräumte, iedoch behaupten wollte, daß er zur Zeit der Eidesleistung sich über die einschlagenden Thaljachcn selbst nicht recht im Klaren befunden habe. Die Geschwornen erachteten ihn deS Meineides für fchuldig, worauf er zu 4 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren EhrenrechtSverlust und dauernder EideSunsähig- keit verurtheilt wurde. VI. Die Dienstmagd Bertha Pauline Nitsche au» Großröhrsdorf war beschuldigt, am 7. Januar d. I. ihr am 29. December v. I. außer der Ehe geborenes Kind vorsätzlich getödtet und die Tüdtung mit Ueber- legung auSgeführt zu haben. Die Angeklagte, welche im vorigen Jahre in Dresden diente und die Bekannt schaft eines Soldaten Dietrich gewacht hatte, welchem sie die vertraulichste Annäherung gestattete, beabsichtigte, ihre Niederkunft im Entbindungsinstitute abzuwarten. Zuvor fand sie einige Tage in der Familie der verw. Müglich hier Unterkommen; am 28. December begab sie sich in das gedachte Institut und am folgenden Tage schenkte sie einem Knaben das Leben. Mit dem selben ward sie am 7. Januar d. I. Vormittags ent lassen. Sie bekennt, daß sie unterwegs, in einer Droschke nach der Müglich'schen Wohnung fahrend, beschlossen habe, sich des Kindes dadurch zu entledigen, daß sie eS in die Elbe werfe. Sie geht auch sofort an die Ausführung dieses Planes, indem sie die Albert brücke überschreitet und am rechten Elbufer entlang einen geeigneten Ort zur Ausführung der That sucht. Anwesende Arbeiter sind jedoch ihrem Vorhaben hin derlich. Sie ändert ihren Plan, legt hinter einer Mauer das unglückliche Opfer ihres naturwidrigen Vorhabens nieder und fucht demselben mit der auS- gespannten rechten Hand den Kopf zusammenzudrücken. DaS Kind schreit laut auf. Die grausame un natürliche Mutter drängt dem Kinde den Zip fel eines großen Tuches in den Mund und und drückt nunmehr mit den Daumen beider Hände die Schläfe deS Kindes mit Gewalt und so lange zu sammen, bis der Tod eingetteten ist. Den Leichnam nimmt die Angeklagte mit sich fort und verbirgt ihn auf dem Oberboden des von der Familie Müglich be wohnten Hauses. Am Abende machte sie sich einen Ausgang und übergiebt dabei den Leichnam den Fluchen der Elbe. Derselbe ist nicht wieder zum Vorschein ge kommen. Unter solchen Umständen konnte die Frage, daß die Angeklagte ihr Kind vorsätzlich um das Leben gebracht habe, keinem gegründeten Zweifel unterliegen, und die Hauptverhandlung beschäftigte sich daher vor nehmlich mit der Erhebung derjenigen Thatsachen, welche einen Rückschluß darauf gestatteten, ob die An geklagte die Tüdtung auch mit Ueberlegung auSgeführt habe. Diefelbe berief sich darauf, daß sie in Verzweif lung gehandelt und sich nicht anders zu helfen gewußt hätte. Dieser Versicherung standen indessen mancherlei Umstände entgegen. Denn sie hatte nicht nur noch eine, wenn auch kleine, aber doch immerhin noch aus kömmliche Baarschaft, um bis zu ihren noch lebenden Aeltern — der Vater ist Leineweber in Großröhrsdorf und besitzt allerdings eine zahlreiche Familie — zu ge langen, sondern sie hätte, wie ihr zweifellos bekannt war, jedenfalls auch bei der verw. Müglich für die nächste Zeit ein geeignetes Unterkommen gefunden. Insbesondere aber konnte eS den Anschein gewin nen, als habe die Angeklagte, welche übrigens weder ihren Aeltern, noch ihrem Geliebten von der Entbin dung Mittheilung gemacht hatte, es von langer Hand her vorbereitet, den Nichtbesitz eines Kindes in unver fänglicher Weise zu erklären. Sie hatte der Familie Müglich bereits vor ihrer Entbindung wider die Wahr heit mitzetheilt, daß die angeblich kinderlos verheirathete Schwester ihres Geliebten in Nossen das Kind anneh men werde. Nach ihrem Wiedereintreffen versicherte sie der Familie Müglich, daß das Kind in der That nach Nossen abgeholt worden sei, und schilderte da» hübsche Aussehen des von ihr geborenen blondlockigen Knaben, ohne die mindeste Erregung zu verrathen. Auf die Frage, ob eö ihr nicht leid sei, daß sie den Knaben fortgegeben habe, entgegnete sie harmlos, das könne nichts helfen, und herzlos fügte sie hinzu: da sei sie das Kind gleich am besten los. Ueberhaupt machte ihr Verhalten nach der That einen sehr ungün stigen Eindruck; nach der Aussage mehrerer Zeuginnen hatte sie in der Stube herumgetanzt, gesungen, geträl lert und sich ganz heiter und harmlos gezeigt, obwohl sie doch soeben eines der schwersten Verbrechen be gangen hatte, das noch dazu mit den natürlichen Ge fühlen einer Mutter schlechterdings unvereinbar ist. Die Staatsanwaltschaft plaidirte auf Bejahung der vor sätzlichen mit Ueberlegung auSgeführten Tüdtung, wäh rend die Vertheidigung sich eines bestimmten Antrages enthielt. Die Geschworenen erachteten die Angeklagte deS Todtschlags für schuldig, und der SchwurgerichtS- hof verurtheilte dieselbe zu 10 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren EhrenrechtSverlust. (Fortsetzung folgt.) Statistik und Volkswirtschaft. k DreSde«, 22. Juni. In drr gestern Nachmittag « Uhr im meisten Saale de» Helbig'schc-- Etabliffement» unter Vorsitz de« Justizrath» vr. Schaffrath abgehaltenen 4» ordent lichen Beneralversammlung der sächsisch-böhmischen Dampsschifsfahrttgesrllfchast »u Dresden waren 4» Per sonen mit 897 Aktien und Stimmen erschienen Nach kurzen Bemer kungen gelegentlich drr Vorlage de« bereit» be'orochenen l878er Geschäst.brricht» bezüglich erwünschter und inAusficht gestellter Erneuerung der al» ziemlich desolat geschilderten alten Actieu- cettificate »ttheilte die Versammlung auf Bericht de» Aussicht»- rath» einstimmig dem ausgestellten JustificationSschein Geneh migung und der Verwaltung Decharge. Die aus tv Proeeut ungeietzte Dividend« gelangt von Montag, de» 9». Juni, ab u A bei der Agentur der Leipziger Bank zur Aud^d ung Die au»scheidenden Mitglieder de» Verwaltnnglrath« und Auf- sichttrath« wurden mit Stimmeumehrhri» wicdergkwahu
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