Suche löschen...
Dresdner Journal : 23.03.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187903236
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18790323
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18790323
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1879
-
Monat
1879-03
- Tag 1879-03-23
-
Monat
1879-03
-
Jahr
1879
- Titel
- Dresdner Journal : 23.03.1879
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Beilage zu 68 des Dresdner Zonrnnls. Sonntag, den 23. März 1879. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 21. März. 1,. Erster Gegenstand der Tagesordnung ist fol gende Interpellation der Abgg. Dr. Witte (Meck lenburg) und 0r. Stephani: Beabsichtigt die Reichsregierung, in entsprechender Weise, wie dies feiten der österreichischen, sranzösischen, englischen und anderen Regierungen geschieht, die zur Sicherung des aus wärtigen Marktes wünschenswerthe Bctheiligung deutscher Industrie an den für dieses Jahr in Sidney und für künftiges Jahr in Melbourne in Australien projeclirten Ausstellungen durch Abordnung eines deutschen Com- missars oder aus sonst geeignete Weise zu unterstützen ? Reichskanzleramtspräsident Hofmann erklärt, die Entschließung der verbündeten Regierungen hänge noch von dem Resultat einiger Ermittelungen ab, die augenblicklich schwebten. Er sei daher nicht in der Lage, die Interpellation heute zu beantworten, und sei auch nicht im Stande, einen Tag zu bezeichnen, an welchem die Interpellation werde beant wortet werden können Damit ist die Interpellation vorläufig erledigt. Ein Antrag des Abg. Kayser aus Aufhebung mehrerer gegen den Abg Fritzsche beim königl. Stadt gericht zu Berlin schwebenden Strafverfahren für die Dauer der Session wird nach kurzer Begründung durch den Antragsteller gegen die Stimmen der Rechten angenommen. ES folgt die Berathung des Antrags der Abgg. v. Seydewitz, v. Helldorff und Ackermann, be treffend die Abänderung der Gewerbeordnung. Zur Begründung des Antrags erhält das Wort Abg Ackermann: Seit einer Reihe von Jahren sind wir bemüht, Reformen aus dem Gebiete der Gewerbeordnung zur Geltung zu bringen, welche uns durch das Bedürsniß und durch die gute Sitte dringend geboten erscheinen. Für uns ist die Gewerbefreiheit nicht ein unangreifbares Dogma etwa in dem Sinne, daß wir auch da, wo sie sich nicht bewährt hat, nicht wagen sollten, Abänderungen der Gesetzgebung vorzunehmen. Nach unsrer Auffassung muß die Gesetzgebung von dem Grund sätze ausgche», daß die Freiheit des Einzelnen den Bedingungen zu unterstellen ist, unter denen allein sie mir der Freiheit des Andern und mit dem Wohle des Staates vereinbar ist. Hat die Gewerbeordnung dieses Princip nicht allenthalben zur Durch führung gebracht, so ist es unsre Pflicht, die Schäden, welche sich herausgestellt haben, zu heilen, und wir sind doppelt ver pflichtet, an diese Heilung heranzutrclen, wenn wir vielleicht selbst mit theilgenommen haben an Feststellung der Gewerbe ordnung. Wo viel Freiheit ist, da ist auch viel Jrrthum. Wir werden der Freiheit dienen, wenn wir den Jrrthum beseitigen. Wir stehen heute noch aus dem Boden der Gewerbefreiheit, wir wollen nicht die Unfreiheit der früheren Zeiten zurückrusen; aber wo die Segnungen der Gewerbejreiyeit ausgeblieben sind, wo sie zum Unsegen gewirkt hat, da muß sie angegriffen werden. Bon dieser Arbeit werden wir nicht loslassen, bis es uns ge lungen ist, diejenigen Forderungen zur Geltung zu bringen, welche zu stillen wir so berechtigt als verpflichtet sind. Wir haben einzelne Anträge aus einzelnen Gebieten der Gewerbe ordnung in früheren Sessionen Ihnen vorgelegt, wir haben eine Gesammtheit von Anträgen eingebracht in der Frühjohrö- session des vorigen Jahres. Sie sind unerledigt geblieben, und das gab uns Beranlaflung, die Anträge wieder einzubringen zum Theil in der alten Gestalt, zum Theil mit Aendcrungen. Wir haben die Anträge weggelaffen aus Abänderung des Titels VIl., weil wir uns gesagt haben, daß, nachdem dieses Capitel erst im vorigen Jahre seine Erledigung gefunden hat, es nicht opportun sei, jetzt schon eine Novelle zu verlangen. Wir erkennen an, daß ein Theil unserer Wünsche Berücksichtigung gesunden hat; bezüglich eines andern Theils, der unberücksichtigt geblieben ist, z B. bezüglich der Arbeitsbücher, hoffen wir, daß die Zeit die Ansichten noch weiter klären wird, und ich bin nicht in Zweifel darüber, daß diese Arbeitsbücher von selbst kommen werden. Die Form unsrer heutigen Anträge anlangend, so haben wir diesmal davon abgesehen, einen Gesetzentwurf zu machen. Wir sind der Meinung, daß bei so großen Materien es richtiger ist, wenn man nur die Gesichtspunkte angiebt, nach welchen das Gesetz gemacht werden soll, daß cs im Uebrigen nicht in der Aufgabe des Parlamentes liegt, das Gesetz in allen seinen Specialitäten auszuarbeiten, daß diese Aufgabe vielmehr den Regierungen zu überlasten ist. Wir haben die Bestimmungen, die wir ausgenommen wissen wollen, genau be zeichnet, und wenn diese Bestimmungen die Zustimmung des Hauses finden, so kann es der Regierung nicht schwer fallen, danach das legislatorische Werk zu regeln. Unser erster Antrag beschäftigt sich mit dem Theater. Wir beasichtigen, den Behörden, welche über Concessionsgesuche zu verfügen haben, einen weiteren Spielraum einzuräumen, ihnen dre Füglichkeit zuzuführen, daß Nachjuchende zurückgewiesen werden können, die nicht die volle Gewähr dafür bieten, daß sie das Theatergeschäst in der Weise betreiben, wie cs geboten ist. Wir haben davon abgesehen, die Bedürsnißsrage einzustellen, wir bescheiden uns, daß das un möglich ist. Wir wollen auch nicht das obrigkeitliche Ermessen ganz frei walten lasten, wir verlangen, daß die Ueberzeugung der Behörden sich stützen muß auf vorliegende Thatjachen, aber wir fordern, daß überall, wo Thatsachen vorliegen, aus welchen sich ergicbt, daß der Nachjuchende unzuverlässig ist oder daß ihm die nöthigc Bildung abgcht, er zurückgewiejen werden kann. Wir jordern die Bildung des Herzens und des Geistes zu die sem Geschäfte. Wohin sind wir mit der gepriesenen Theater freiheit gekommen? Schiller hat nachgewiejen, daß der Bühne die Ausgabe zusällt, die reinsten Gestalten der Sittlichkeit vor- zusühren, die höchsten Ideale der Menschheit vor die Augen zu führen. Und was führen uns die vorstädtijchen Theater, die eakös edaotant« und die Tingeltangel vor? Dieje Theater er scheinen zum großen Theil als Ausstellungsbuden der Unsitt lichkeit und Sinnlichkeit. Ich weiß sehr wohl, daß den Theater directoren, die in so frevelhafter Weise ihr Geschäft treiben, nicht alle Schuld zuzuwälzen ist, daß sie der materiellen Rich tung unserer Zett solgen. Ich weiß auch, daß an der Hand der jetzigen Gesetze es möglich ist, wenn die Tinge zu toll ge trieben werden, die Bude zu schließen. Aber wir sind doch ver pflichtet, strengere Maßregeln zu ergreifen und denjenigen Per sonen von Haus aus die Eoncejsion zu verjagen, von welchen die Behörde nicht von vornherein überzeugt jein kann, daß ihnen die nöthige Bildung der Denkart und Gesittung beiwohnt. Unser zweiter Antrag beschäftigt sich mit den G astwirthschasten. Die jetzige Bestimmung der Gewerbeordnung halte nach kurzer Zeit Klagen zur Folge über die Ueberfluthung des Landes mit Echankwirthschaften. Man ging über diese Petitionen zur Ta gesordnung über. Später hat der Abg. Grumbrecht die Sache wiederholt angeregt. Die Regierungen haben in der Früh- jahrSjession des vorigen Jahres einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich noch mit einem andern Gegenstände beschäftigte, aber sür uns das Hauptinteresse darbot, daß er das Schankwirth- fchaslswejen regeln wollte in unserem Sinne. Die Regierungen erkannten an, daß der Nachweis des Bedürfnisses zu verlangen sei, und machten nur für Orte über lb mw Einwohner die Ausnahme, daß in dicjen die Bedürfnißsrage ort-statutarisch zu regeln sei. Der Entwurf gelanyte nicht zur Berathung und ist in dieser Session nicht wieder erngebrachi worden Wir wollen wenigstens durch unsern Antrag die Anregung dazu gegeben haben, der Sache wieder näher zu treten. Wir wünschen, daß die Bedürfnißsrage wieder in das Gesetz hereingrbracht wird. Gegenüber der großen Zunahme der Schankwirth,chasten scheint eine Beschränkung dringend geboten, sür eine Befriedigung des Durstes jcheint für die nächsten 2b Jahre genügend gesorgt zu jein. Der dritte Punkt betrifft die Wanderlager und die Auc tionen. Ter norddeutsche Reichstag gab das AuctionSgewerb« frei. Wir meinen, es ist richtig, das ganze Auctionsgewrrb« concesflonspflichtig zu machen Hat man ernmal anerkannt, daß die Behörde vereidete Luctionatoren nicht entbehren kann, so wird e- richtig sein, in die Hände der concessionirten Auctio- natoren allein da» Gewerbe zu legen. Bei Ausübung des Luction-gewerbe- kann eine ganze Reihe von Unzuträglichkeiten vorkommen , da giebt es Coalitionen, welche dem Publicum daS erfolgreiche Mitbieten unmöglich machen, Scheingebote u. f. w. Ich weiß wohl, daß man diefe Ungehörigkeiten nicht vollständig wird beseitigen können, wenn man das Gewerbe durchgängig concessionspflichlig macht; dazu wird noch gehören die Aufstel lung von Regulativen. Aber es wird schon viel gewonnen, wenn die Behörde dafür sorgt, daß das Gewerbe nur au-geübt werden darf von einem Manne, für dessen Solidität und Recht schaffenheit die Erfahrung spricht. Das Capttel der Wander lager und Waarenauctionen ist schon wiederholt in diesem Hause erörtert worden. Es hat lange Zeit gekostet, ehe es möglich war, die Majorität des Reichstages dafür zu gewinnen, daß Erhebungen über die Wanderlager angestellt werden sollten. Die Regierungen haben die Erhebungen vorgenommen und im vorigen Jahre dem Hause das Ergebniß vorgelegt. Hieraus ergiebt sich, daß die Wanderlager in erschreckender Zahl sich ver mehrt haben, daß die Ursachen davon, wenn auch nicht aus schließlich, so doch zu einem guten Theile in der Gewerbegesetz gebung liegen, daß die Waarenauctionen, wenn sie auch noch nicht annähernd so gebräuchlich geworden sind wie die Wan- derlager, doch in der Zahl zugcnommcn haben und daß sie höchst gemeingefährlich gewesen sind überall da, wo sie ausgetreten sind bei Ausübung des Gewerbebetriebs im Umherziehen unter der Form der Wanderlager. Wir meinen, daß die Waarenauctio nen bei der Ausübung des Gewerbes im Umherziehen ganz zu verbieten sind. Wir finden, daß kein wirthschastliches Bedürf- niß dafür vorliegt; wer seine Waaren versteigern lassen will, kann es thun durch einen seßhaften Auclionator. Was die Wanderlager betrifft, so erkennen wir an, daß sie in manchen Gegenden heilsam wirken können, namentlich wenn die jetzige wirthjchastliche Krisis überwunden ist. Aber wir finden keinen Grund, die Inhaber der Wanderlager durch die Gesetzgebung zu begünstigen gegenüber den seßhaften Gewerbtreibenden. Ob wohl die einzelnen Regierungen durch die Besteuerung der Wanderlager das Ihrige gethan haben, so ist es doch bis zum heutigen Tage noch nicht möglich gewesen, die Wanderlager mit einer Communalabgabe zu belasten, und es ist daher nöthig, die betreffende Bestimmung der Gewerbeordnung abzuändern. Die Freizügigkeit wird darunter wahrhaftig nicht leiden, wenn den Inhabern von Wandcrlagern eine Communalabgabe überall da auserlegt wird, wo sie ihr bewerbe treiben. Ter vierte Antrag beschäftigt sich mit den Innungen. In neuerer Zeit wird vielfach anerkannt, daß der korporative Geist derGcwcrb- treibenden zu pflegen, daß das Jnnungswejen neu zu beleben ist Wir wollen nicht das Zunftwesen der früheren Zetten mit seinen Bannrechten zurückrufen, es soll Jeder Gewerbe treiben und Arbeiter annehmen können, wie er will; allein das Ge werbe im öffentlichen Leben zu vertreten, die Verwaltung der das Gewerbe betreffenden Angelegenheiten zu führen, das Recht, Lehrlinge auszubilden, beanspruchen wir allcrvings für die Mitglieder der Innungen. So dankbar wir dem preußischen Handelsminister sind, daß er dem Gegenstände seine Ausmerk samkeit zugewendet hat, jo sind wir doch der Meinung, daß mit seinem neulichen Erlasse wenig oder gar nichts erreicht ist, denn er traut den Handwerkern einen Gemeinsinn zu, den sie nicht haben und haben können. Tie Gesetzgebung hat ja alles Mögliche gethan, um das Standesbewußtscin in diesen Kreisen zu ersticken. Die Person ist jetzt von der Corporation los gelöst. Die gegenwärtige Gesetzgebung schließt ein heilsame» Jnnungswejen für jetzt aus. Es kann sei», daß ans die An regung des preußischen Handelsministers sich in Preußen In nungen bilden, wir glauben aber nicht, daß diese Innungen lebensfähig jein werden. Wir glauben auch, daß das Miquöl'jche Statut doch nur eine halbe Arbeit ist, denn was gesagt ist über den Zweck und die Zielpunkte, bewegt sich doch nur in allge meinen Ausdrücken, im Uebrigen beschäftigt sich das Statut lediglich mit der Organisation. Wir haben Ihnen eine Reihe von Sätzen vorgelegt, durch welche wir glauben, dasJnnungs- wesen wieder beleben zu können. Wir schlagen vor, daß In nungen für bestimmte Bezirke gebildet werden. Wir constatiren ausdrücklich, daß ein Zwang sür den Eintritt in die Innungen nicht stattfiuden soll. Wir wollen alle die Personen von dem Eintritt ausschließen, welchen die Integrität der Person abgeht. Wir wollen den Mitgliedern der Innungen das ausschließliche Recht einräumen, Lehrlinge auszubilden, denn es ist eine noth- wendige Consequenz der staatlichen Anerkennung des Innungs- Wesens, auch den Innungen das Erzichungswcscn anzuvertrauen. Eine andere Frage ist, ob Nichtmitglicder auch Lehrlinge an- nchmen können. Gewiß werden sie das thun können, sie neh men sie aber an als Arbeiter. Ob die Möglichkeit einzuräumcn ist, einen von Nichtmitgliedern angenommenen jungen Menschen der Bortheilc der Innungen theilhastig zu machen, darüber wird sich im weiteren Verlaufe der Berathung reden lassen. Den Innungen allein soll zustehen die Verwaltung der gewerb lichen Schulen und Kaffen. Ten Gesellen soll ein Milwirkungs recht eingeräumt werden bei den Fragen, die sie besonders m- teressiren. Der Landesgcsctzgebung soll überlassen bleiben, Be- strmmungen zu treffen über die Durchführung der von den In nungen erlaßenen Vorschriften Wir gehen davon aus, daß es ganz unerläßlich, ist, im Staate von Zeit zu Zeit die Gesetze zu revidiren, wenn die Zustände der bürgerlichen Gesellschaft sich geändert haben. Der Gesetzgeber dars nicht nur Idealen nach jagen, er muß an der Hand der praktischen Crsahrungen Das jenige zur Ausführung bringen, was dringend geboten ist. Da von sind wir ausgegangcn. Wir empsehlen unsere Anträge Ihrer Berücksichtigung. (Bravo! rechts.) Reichskanzleramtspräsident Hofmann: Der Vor redner hat bereits mehrfach darauf hingcwiesen, daß der Gegen stand des vorliegenden Antrags auch im Kreise der verbündeten Regierungen bereits erwogen sei. Ueber die Frage, inwieweit die Vorschriften der Concessionspflichtigkeit sür gewisse Gewerbe der Abänderung bedürsen, ist im vorigen Jahre ein Gesetzenl- wurs eingebracht worden, der aber nicht mehr zur Berathung gelangte. Derjclbe ist inzwischen wesentlich ergänzt worden und liegt jetzt dem Bundesrathe zur Beschlußsassung vor. Ich zweifle nicht, daß der Bundesrath das Bedürsniß anerkennen wird, die 88 30 und 33 auszudehncn, und daß der Gesetzent wurf Ihnen noch in dieser Session zugehen wird Ueber die Frage der Wanderlager und Waarenauctionen ist dem Hause in der vorletzten Session eine Tenkjchrist vorgelegt worden, die auch im Bundesrathe zu einer eingehenden Berathung der Frage geführt hat. Es liegt ja das Bedürfniß zweifellos vor, aus diesem Gebiete Aendcrungen eintreten zu lassen, da das praktische Leben gezeigt hat, daß die Bestimmungen der Ge werbeordnung nicht hingereicht haben, um Auswüchsen unseres gewerblichen und commerziellen Lebens cntgegenzutrcten. ES wird sich darum handeln, die Frage der Wanderlager zu regeln im Zusammenhänge mit einer Revision des Titels II der Ge werbeordnung über den Gewerbebetrieb im Umherziehcn. Zu nächst ist es aber nöthig, im Bundesrathe diejenigen Beschlüsse zu fassen, welche auf dem Gebiete der Verwaltung gewissen Mißständen enlgegenwirlen können, die sich bei den Wander lagern und Waarenauctionen gezeigt haben. Es handelt sich namentlich darum, eine gleichmäßige Auffassung unter den Bundesregierungen über Vas rechtliche Vcrhältniß dieser Ge werbebetriebe herbeizusühren. Ls ist nun. nachdem der be treffende Ausschuß des BundeSraths sich mit der Frage beschäs- tigt hat, mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Bundesrath anerkennen wird, es handle sich bei den Wander lagern um einen Gewerbebetrieb im Umherziehen und derjclbe unterliege allen den Bestimmungen, welche die Gewerbeordnung über den Gewerbebetrieb im Umherziehen trifft. Es war auch zweijelhast die Frage der Communalstcuerpflichtigkeit der Wanderlager. Es geht die Ansicht der Reichsregierung und wahrscheinlich auch die Ansicht der verbündeten Regierungen dahin, daß der 8 8 des FreizügigkeitSgesetzes allerdings aus schließt, daß der Inhaber eines WanderlagcrS, wenn er sich nicht drei Monate in der Gemeinde aufhäll, zu den Commu- nalabgabcn gezogen werden kann, daß eS aber den Gemeinden unbenommen ist, eine besondere Steuer auch von dem Inhaber eines Wanderlager- zu erheben, selbst wenn er sich noch nicht drei Monate in der Gemeinde aufgehalten hat. Eine Revision de- Titels 1l über den Gewerbebetrieb im Umherziehen ist auch au- anderen Gründen wünschenswerth, und e» wird wahrschein lich in der nächsten Session eine Vorlage an Sie gelangen. Der dritte Punkt ist die Frage dcr Reubelebung der Innungen. Der Vorredner hat bernis mitgetheilt, daß selten de» preußi jchen Handeltminister« »in Lirrular an die preußischen Bezirks- regierungen ergangen ist, welche- sie auffordert, dahin zu wirten, daß aus Grund der jetzt bestehenden Vorschriften der Gtwrrbeordnung eine Reudelebung der Innungen versucht wer den möge. Es ist von diesem Circulare an sämmtliche deutsche Regierungen Mittheilung gemacht und sie sind ersucht worden, auch ihrerseits die Frage zu regeln; eS ist auch darauf eine Reihe von Aeußerungen deutscher Regierungen eingegangen, und ich glaube sagen zu dürfen, daß nach diesen Aeußerungen die Absicht dcr Mehrzahl der Regierungen nicht zu sein jcheint, jetzt jchon die Bestimmungen der Gewerbeordnung zu ändern, ehe der Versuch, den der preußische Handelsminister gemacht hat, zu Ende gejührt ist, ehe sich gezeigt hat, ob derselbe zu einem Resultate führen wird oder nicht. Ob da» der Fall sein wird, darüber kann man ja sehr zweiselhaft sein, aber es scheint mir doch zu hart, wenn man es von vornherein als zweisettos ansieht, daß es dem Handwerkerstande an der Selbstständigkeit und an dem Gemeinsinn fehle, die dazu nöthig seien, um aus Grund der jetzt gellenden Bestimmungen daS Jnnungswejen wieder zu beleben. Ich meine, man soll da- nicht von vorn herein als zweifellos voraussetzen Wird der Versuch zu der Ueberzeugung sühren, daß dem jo ist, so wird das eine traurige Erfahrung sein, die wir mache» und welche die Gesetzgebung veranlaßen wird, einzuschreiten; aber ehe die Erfahrung ge macht ist, sollte man nicht ohne Noth an den Bestimmungen der Gewerbeordnung rütteln (Bravo! linkst. Abg. Wiggers (Parchim) glaubt, daß man ebenso wenig die Gewerbeordnung als die Handelsverträge verantwortlich machen könne sür die wirthjchaftlichcn Mißstände, und man müsse sich hüten, in den Gewerbtreibenden die Hoffnung zu er wecken, daß ihnen durch ein Gesetz geholfen werden könne, man müsse dieselben vielmehr aus ihre eigene Thätigkeit verweisen. Nach Abschluß der vorjährigen Gewerbeordnungsnovelle hätte man erwarten können, daß man nun nicht immer wieder aufs Neue den Gewerbestand beunruhigen, sondern daß man erst die Wirkung des eben erst erlaßenen Gesetzes abwarten wüide. Es zeige sich durch den vorliegenden Antrag wiederum, daß die liberale Panei eigentlich die conservative Partei sei, welche die gegenwärtige Gesetzgebung zu schützen habe gegen die Angriffe von jener Seite. (Sehr richtig I links.) Durch die vorgeschla genen Bestimmungen über die Innungen würde der ganze alte Zunftzwang wieder eingcführt und die Grundlagen der Ge- wcrbefreihcit beseitigt werden. Gegen diese Versuche müsse die liberale Partei auf das Entschiedenste protestiren. Nach den Erklärungen des Reichskanzleramlsprasidenten empfehle es sich, den Antrag einsach abzulehnen, ohne ihn an eine Commission zu verweisen. Er sei vollständig einverstanden damit, daß die Wanderlager zu den Communalabgabe» hcranzuziehen seien, und er glaube, daß 8 8 des FreizügigkeitSgesetzes dies zulasse; aber man müsse doch die Vorlage der Regierungen abwrrten. Der Antrag über das Theater scheine nicht genügend überlegt zu sein, denn ein Theaterunternehmer könne doch nicht ein Examen bestehen über Herzens- und Geistesbildung. Die Tyeatcrfrage gehöre gar nicht in die Gewerbeordnung, sondern auf ein ganz anderes Gebiet. Es würde auch gar nicht an der Zeit sein, jetzt, wo Aller Augen auf Zoll- und Handels- sragcu gerichtet seien, sich mit Gewerbeordnungssragen zu be schästigen. (Bravo! links.) Abg. Dr. Frhr. v. Hertling spricht die Sympathien des Ccntrums mit dem wesentlichsten Inhalte dcs Antrags aus und jagt die Bereitwilligkeit dieser Partei zu, in eine reifliche Prüfung der Angelegenheit einzutrelen. Das Centrum werde niemals in den Ruf nach dem Polizeistaate einstimmen. Es werde nicht gelingen, solche Institutionen wieder einzusühren, die nach der ganzen Entwickelung der Dinge gefallen seien; alle Neubildungen müßten sich stützen auf die heutige Entwicke lung Ler Gesellschaft. Man dürfe nur da Vorgehen, wo es sich darum handle, wirklich vorhandene Rechte zu schützen. Gegen Punkt t, die Theaterconcessioien betreffend, habe er nicht das geringste Bedenken, ebenso wenig die Erwägung der Bcdürsniß- frage bei Schankwirthschaslen, josern Garantie gegeben werde gegen polizeiliche Willkür. Die geringste Sympathie trage er dem die Wanderlager betreffenden Anträge entgegen, da die Regelung dieser Angelegenheit den Communcn und den einzel nen Regierungen zu überlassen sei; sollte jedoch die Gejetzpebung dem cnlgegcnstehen. so je» er bereit, den Weg der Revlsion zu beschreiten. Das Wichtigste sei der das Jnnungswesen betres- sende Punkt. Auch das Centrum verlange Stärkung der cor- porativen Verbände, es wolle aber nicht ein Wiederaufleben der alten Zünfte. Man sollte meinen, daß cs vielleicht bester wäre, die Resultate der Bemühungen des preußischen Handels ministers abzuwarten Ten Innungen werde man anvcrtrauen müssen das gewerbliche Schiedsgerichts-, das Kassen- und das Prüsungewejen. Dagegen scheine die Bestimmung zu weit zu gehen, daß nur Mitgliedern von Innungen die Ausbildung von Lehrlingen gestattet werden solle. Redner beantragt die Ueberweisung des Antrags an eine Commission von 21 Mit gliedern. (Bravo! im Centrum.) Abg. vr. Lasker:' Da man über die Schankwirthjchasten eine Vorlage zn erwarten habe, jo könne man den dlcje betres- scnden Theil des Antrags einer Commijsin überweijen, welcher fpäler auch die Regierungsvorlage überwiejcn werden könne. Er glaube nicht, daß durch die Wiedcreinsührnng der Bedürf nißsrage den Klagen über die Vermehrung der Schankwirth- schastcn abgeholsen werden würde. Besser würde es jein, dieje Frage mit der Spiritussteuersrage in Verbindung zu bringen und den zu gewerblichen Zwecken verwendeten Spiritus steucr- srei zu lassen, dagegen die Geträntesteuer wesentlich zu erhöhen. Bezüglich der Wanderlager bringe der Antrag eine sehr dan- kenSwerthe, die Gewerbefteiheit schützende Bestimmung. Es könne der Commun nicht verwehrt werden, die Gewerbe mit einer Communalsteucr zu belegen, und es seien ja auch in einzelnen Staaten solche Abgaben eingcführt worden, ohne daß von Seiten der dazu berusenen Instanz Einspruch erhoben worden sei. Er gebe zu, daß großer Mißbrauch mit den Wanderlagern getrieben werde, aber eine gänzliche Unter drückung der Wanderlager würde nicht im Interesse der Bevölkerung liegen. Ein Bcdürsniß, das AuctionSwesen anders zn regeln, werde kaum vorliegen, da neuerdings jämmt- liche Kunstgriffe, die bei Auktionen verkämen, von den Gerichten als Betrug aujgesaßt und bestrast würden. An der Durchsühr- barkcit des das Theaterconcejsionswesen betreffenden Punktes möchte er zweiscln. Die Verwilderung dcs Theaterwejens sei nicht Schuld der Theaterfreiheit. Beweis dafür sei, daß selbst in Hostheatern Stücke ausgesührt würden, denen junge Mädchen überhaupt nicht beiwohnen könnten, ja kaum erwachsene Männer (Oho!). Er habe ein solches Stück selbst im Dresdner Hos- theater gesehen. Jedcnsalls könne die Theatersreiheit nicht da für verantwortlich gemacht werden, sondern der Geschmack dcs Publicums verderbe das Theater. Bezüglich der Innungen werde allerdings erst abzuwarten sein, ob die gegenwärtige Gesetzgebung ausreiche, die Innungen zu heben. Wenn den Handwerkern wirklich so sehr die Energie sehlte wie der An ttagsteller sie schildere, so würde nur durch den Jnnungszwang geholfen werden können. Dieser liege aber factijch allerding- in dem Anträge. Durch die Bestimmung, daß Nichtinnungs mitglieder Lehrlinge nur als Arbeiter annehmen könnten, würde man die wohltyätigen Bestimmungen, die man im letzten Jahre bezüglich der Lehrlinge getroffen vabe, zur Hälfte wieder illufo- ri>ch machen. Auch jcine Partei wolle im Handwerk lebens fähige Co-porätionen unterstützen und Hervorrufen, leider seien die nützlichen Keime, welche in der Gewerbeordnung zu ver schiedenen Gestaltungen gegeben worden seien, von den Gewerb- trcibcnden nicht brnutzt worden. Gleichwohl sei er nicht abge neigt, auch diesen Theil des Antrags einer Commission zur Prüsung zu überweijen, welche die Ausgabe haben würde, alle Bestimmungen auszuscheiden, welche zum Jnnungszwange führ ten, dagegen alle übrigen sorgfältig zu prüfen. Der Antrag der Conjervativen sei mit so großem Ernst zusammengestellt, daß man gut thue, ohne jede» Vorurtheil in die Erwägung der Sache einzutreten und eine Commission mit der Prüsung zu beaustragen. Abg. Günther (Sachsen): Die vorliegenden Anträge for dern uns auf, zu erwägen, ob es zum Gedeihen de» deutschen Gewerbe- nothwcndig ist, Abänderungen der Gewerbeordnung zu treffen. Solche Anträge sind schon mehrfach eingebracht, aber immer unter Berufung auf die nothwendige Freiheit der Concurrcnz zurückgewiejen worden. Heule liegt die Frage fehl wejcntlich ander», heute sind die Herren, welche sonst immer für die sreir Concurrenz gesprochen Haden, bereit, der Sach» näher zu treten. Die Anhänger der Richtung, welcher ich an- aehöre, haben genugsam betont, daß die von ihnen vertretenen Ansichten doch nach und nach zur Geltung gelangen würden. Meine politischen Freunde und ich stehen heute in Bezug aus die Sewerbesrage genau aus demselben Standpunkte, wie seither. Wir sind unendlich weit enlsernt davon, Institutionen ver gangener Jahrhunderte wieder in- Leben rufen zu wollen oder den Gewerbebetrieb der Willkür der Polizei preiezugebrn; aber wir sind allerdings der Meinung, daß im Interesse de» Gr Werbebetriebes, wie im Interesse de- SlaateS eine größere staatliche Ordnung nothwendig ist und daß die Vereinigung der Gewerbtreibenden zu corporativen Verbänden herzuftellen ist unter Mitwirkung deS Staats, aber in der Hauptsache durch die eigene Thätigkeit der Gewerbtreibenden selbst. Von diesem Standpunkte aus begrüßen wir die Vorlage mit Sympathie. Einige Materien können ohne Vorbereitung in einer Commis sion in diesem Hause zur Erledigung gelangen, andere bedürfen aber einer commissarifchen Berathung Zu der ersten Kategorie werden die Bestimmungen wegen der Theaterconcession uud wegen der Schankwirthjchasten gehören. Wenn Abg. Ör. Lasker geäußert Hal, er habe auch im Dresdner Hostheater anstößige «tücke gesehen, jo möchte ich wissen, welches Stück da» gewesen ist. Mir ist nur ein einziger Fall dieser Art bekannt, der auch sofort gerügt worden ist, im Uebrigen steht sest, daß das DreS dener Hoftheater fast ein zu classisches Repertoire hat (Heiter keit). Es giebt ja aber auch in sehr klassischen Stücken an stößige Stellen, und vielleicht ist cs die .Hochzeit des Figaro", welche der Abg. Lasker gesehen hat (Heiterkeit und Wider spruch). Im Uebrigen haben sich bezüglich de- Theater» infolge der jetzigen Gesetzgebung Zustände entwickelt, welche sehr zu be klagen sind, und ich glaube, Sie werden sich um die Kunst und das Publicum ein großes Verdienst erwerben, wenn Sie die hier vorgejchlagene Bestimmung annehmen. Die Nothwendig leit der Beschränkung von Schankwirthschasten ist von allen Seiten des Hauses anerkannt. Was aber die andern Anträge anlangt, so wird eine Commijsionsberathung nicht entbehrt werden können. Bezüglich der Wanderlager sind die verbünde ten Regierungen mit eingehenden Erörterungen beschäftigt. Was die Innungen anlangt, so scheint mir sestzustehen, daß denselben eine etwas größere Gewalt gegeben werden muß, al» sie gegenwärtig haben. (Bravo! recht»). Abg. Bauer befürwortet die Förderung der Bildung von korporativen Verbänden, welche erst im Stande sein würden, alle die bisherigen Errungenjchasten aus dem Gebiete der Ge werbeordnung wirksam zu machcn Er wolle die Freiheit der Arbeit und die Freizügigkeit gewahrt wissen, aber die Innungen würden einen guten Weg kneten, um neben der Freizügigkeit das Heimathsrecht wieder zu entwickeln. Neben den Innungen würden aber auch Gewerbekammern und Gewerbegerichte ge schaffen werden müssen. Die Debatte wird geschlossen. Persönlich bemerkt Abg. vr. Lasker, daß er daS Dresdner Hoftheater de- halb erwähnt habe, weil der erste Redner aus Dresden sei. Er habe gedacht an die Lffcnbachiaden, welche dort ausgesührt worden seien vor der Theaterfreiheil, und die RosadominoS, welche ausgesührt worden seien nach der Theatersreiheit. Nachdem noch namens der Antragsteller der Abg. v. Helldorff zum Schluß gesprochen, beschließt das Haus mit sehr erheblicher Majorität die Verweisung des An trags an eine Commission von 21 Mitgliedern. Letzter Gegenstand ist folgender Antrag der Abgg. Schnee gans, North, Dr. Rack und Lorette: dcn Reichskanzler zu ersuchen, daraus hinzuwirken, daß Elsaß-Lothringcn eine selbstständige, im Lande be findliche Regierung erhalte. Zur Begründung des Antrags erhält daS Wort Abg. Schneegans: Solle das Rcichsland aus dem jetzigen Pessimismus gezogen werden und solle sich eine normale Ent Wicklung dort vollziehen, jo sei es nöthig, noch mehr als in jedem andern Lande, daß die Regierung sich im Lande selbst befinde. Redner legt die bisherige Entwicklung der Regierungs verhältnisse dar und sucht nachzuweisen, daß die konstitutiv nellen Verhältnisse sich vollständig verschoben hätten, insofern dcr verantwortliche Minister einem Reichstage gegenübcrstehe, der sich mit elsaß lothringischen Verhältnissen nicht befaße, wo gegen der LandeSausschuß von Elsaß-Lothnngen nur den unver- anttvortlichen Oberpräsidenien sich gegenüber habe. An die Stelle einer polilischen Regierung trete insolge dessen der Bureankratismus Die Vielheit der Instanzen rufe eine Ver schleppung der Geschäfte hervor und es fehle an einer Direktive und insolge dessen an einer Einheitlichkeit in der Behandlung der Geschäfte. Die ganze gesetzgebende und organisatorische Gewalt sei dadurch lahm gelegt. Allen diesen Uebclständen könne nur begegnet werden durch Verlegung der Regierung nach Straßburg Das sei auch der wiederholt und erst neuer dings geäußerte Wunsch des Landesausjchusjes. Tas letzte Ziel sei die Elablirnng Elsaß Lothringens als selbstständiger Bundes staat mit einem Landtage und mit Vertretung im BundeSrathe. Ob die Lage jetzt schon danach angcthan sei, um alle diese Forderungen zu bewilligen, stehe dahin; das Minimum aber sei die Verlegung einer mit Vollmacht ausgerüsteten Regierung nach Straßburg, die Erweiterung der Rechte des LandeSaus schusses und eine Vertretung im Bunde-rathe, welche in elsaß lothringischen LersassungSangelegcnheiten eine konsultative wäre. Eine solche Regelung der Frage würde segensreich wirken nicht nur sür Elsaß-Lothringen, sondern auch für das Reich und sür die internationalen Beziehungen in Europa selbst, insofern Elsaß Lothringen die Brücke bilden würde zwffchen Deutschland und Frankreich. Abg. Kablv verliest eine Erklärung seiner Freunde, der Angehörigen der elsaß-lothringischen Protcstpartci, nach welcher dieselben dem Anträge gegenüber eine ablehnende Stellung nicht einnehmen könnten, aber der Ueberzeugung seien, daß nichts geschehen könne ohne Mitwirkung einer aus allgemeinen direkten Wahlen hervorgegangenen LanbeSvertretung. In dieser Vor aussetzung würden sie sür den Antrag Schneegans stimmen, indem sie sich bezüglich der Details der Ausführung deS Plan volle Freiheit vorbeyielten. Reichskanzler Fürst v. BiSmarck: Ich hoffe, die Diskussion zu erleichtern, wenn ich jetzt schon das Wort ergreife. Ich kann nicht leugnen, daß die Aeußerungen des ersten Redner» noch mehr aus mich gewirkt haben würden, wenn er es unter lassen hätte, beim Schluffe seiner Rede einen gewißen Blick nach Pari- zu werfen und seine Heimath gewissermaßen al- ein glückliches neutrale» Land darzustellen, «n welchem dir französi- fchen Sympathie» gleichberechtigt mit den deutschen sein würden. (Sehr richtig!- Mir sind d,e autonomen Regungen willkommen. Ich spreche hier als Minister sür Elsaß Lothringen und im Einverständnisse mit Sr. Majestät dem Kaiser. Dujes Einver- ständmß genügt aber noch nicht, um meinen Erklärungen eine volle authentische Kraft zu gewähren, dazu ist nothwcndig eine gemeinsame Thätigkeit dcr gesetzgebenden Faktoren und vor Allem der verbündeten Regierungen im Bunde-rathe. Ich kann nur sagen, was ich Sr. Majestät dem Kaiser vorgelegt habe und bei den verbündeten Regierungen mit Hoffnung auf Erfolg be fürworten will Wenn ich nicht mehr auf dem Standpunkte meiner ersten Jugendliebe für Elsaß Lothringen stehe, jo ist da» wohl erklärlich nach den Zeiten, die wir inzwischen durchge- macht haben. Ich will auf die Momente, die ans meine Ent- mulhigung gewirkt haben, nicht weiter eingehen, ich will nur da- Eine bewerten; der erste Mehlthau, dcr aus meine Hoffnungen fiel, da» waren die ersten Wahlen im Elsaß und der Protest, den wir aus dem Munde deS Herrn Lcuftch und unter Zu stimmung seiner jämmtlichen damaligen College« hörten E» war das dieselbe Tonart, wie wir sie noch heute aus dcm Mimde der geistlichen Vertreter de» Lande« zu hören bekommen. Wenn ich mir vergegenwärtige, daß diese Stimmung auch im Laude vorhanden sein muß, weil sonst die Herren nicht gewählt wor den wären, so werden wir doch immer Alle«, was wir dem Lande an Autonomie concediren, unter dem Gesichtspunkte be trachten müßen, ob eS mit der Sicherheit de» Reich«landc» auch in weniger friedlichen Zeiten, al« sie augenblicklich vorhanden und für die nächsten Jahre zu hoffen sind, verträglich ist. Ich bin bereit, bei den verbündeten Regierungen zu befürworten, daß wir den RrichSlanden dr» höchste Maß der Autonomie geben, die wir mit der Sicherheit de« Reichslande« sür verein dar halten Unter dem Eindrücke der Abkühlung, welch« h»e eben erwähnten Ereignisse bei mir bewirkt hatten, habe ich mich zurückgezogen, und e« ist mir selbst bedenklich geworden, ob t» richtig war, daß ich al« Reichtkanzler zu den allgemeiner«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)