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vor den Toren Dresdens. Und es muß ein besonders glückhafter Tag frohen Schaffens gewesen sein, als Weher an den Rand seiner „Aufforderung »um Tanz" schrieb: „Rondo für Pianoforte, opus 65; Hosterwitz, den 28. Juli 1819“. Eine Rhapsodie ist — ähnlich der Ballade — eine freie instrumentale Form, ur sprünglich (nach Moser) „vom altgrichischen Harfner (Rhapsode) als episches Bruchstück vorgetragen“. Johannes Brahms nannte eine Anzahl seiner halladesken Klavierstücke Rhapso dien, und Wenzel Tomaschek, ein Zeitgenosse Mozarts und Beethovens aus Böh men, war der erste Komponist, der seine Instrumental-Fantasien über ausländische Volkslieder als Rhapsodien bezeichnete. Das bekannteste zyklische Werk dieser Gattung wurden Franz Liszts 19 Unga rische Rhapsodien, teils für Klavier, teils für Orchester komponiert: Fantasien über Zigeuner- und Volksweisen, ein tönendes Zeugnis für die geniale Doppelbe gabung Liszts als Klaviervirtuose und Komponist, eine klingende Erinnerung an des Meisters ungarische Heimat, die durch diese Rhapsodien zum erstenmal inner halb der musikalischen Weltliteratur genannt wurde. Friedrich Smetanas Ringen um die Bühne war ein Ringen um die national-tsche chische Oper, und es waren oft übermenschliche Widerstände, die sich vor Sme- tana auftürmten. Der Meister ließ sich nicht beirren, er ging seinen Weg konse quent, einen dornenvollen, von Tragik umschatteten Weg. der im Irrenbaus sein Ende fand. Menschen von Fleisch und Blut stehen in der „Verkauften Braut“ vor uns. Es ist das Leben echter Dorfbewohner, das plastisch und realistisch gezeichnet auf der Bühne zu sehen ist, — es sind „typische Charaktere in typischen Situationen“, die die Handlung der Oper bewegen. Und darum spricht das Werk mit seiner groß artig vitalen Ouvertüre auch heute noch in seiner echten Menschlichkeit zu uns, unverwelkt und frisch wie am Tage seiner Uraufführung. Die „slawischen Tänze“ Antonin Dvorahs wurden von dem Verleger Simrock als Auftragswerk für Klavier zu vier Händen bestellt. Während der Meister noch an der Fassung für Klavier arbeitete, begann er bereits mit der Instrumentation, die den Tänzen zu einem Welterfolg verhelfen sollte. „Die Tänze werden brillant instrumentiert“ schrieb Dvorak an seinen Auftraggeber, „und sie klingen wie der Teufel!“ Dvorak war so stark von der Kraft des Volkslieds und Volkstanzes seiner Heimat durchdrungen, daß auch seine eigene Musik von der Größe und vom Reichtum, von der Schönheit und Naivität der heimatlichen Volksmusik durch pulst wurde. Die Landschaften Böhmen—Mähren sind musikerfüllte Landschaften, ihre Menschen sind singende Menschen, und so ist auch Dvoraks Musik eine sin gende, klingende Musik, überquellend von Melodien, kraftvoll, urwüchsig, leiden schaftlich, innig und zärtlich, jedoch nie sentimental. Als Peter Tschaikowskij 1879 drei Wochen in Rom weilte, ließ er sich nicht nur von der italienischen Landschuft bezaubern, er begeisterte sieb auch am frohen Singen der Menschen, an ihren Liedern, wie sie auf den Straßen bis in die tiefe Nacht hinein erklangen. Ein Jahr später teilte der Komponist seiner Freundin und Gönnerin Nadjeshda von Meck mit, daß er eine italienische Fantasie für Orchester schreibe, zu der er originale italienische Melodien verwende. Bei der Uraufführung in Moskau fand das italienische Capriccio seltsamerweise bei den Hörern nur wenig Verständnis. Die Kritik bezeichnete die Musik als banal und trivial. Wer Italien kennt, wird jedoch spüren, wie es Tschaikowskij mit diesem Werke gelungen ist, ein südliches Stimmungsbild von stärkster Leuchtkraft und Vitalität musikalisch widerzuspiegeln. Gottfried Schmiedel i i J III 9 18 JG 003 57