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1102 Nr. 24. STAHL UND EISEN.“ December 1892. Den deutschen Eisenhüttenleuten wollte ich dar legen, dafs das Uebermafs von Lob, welches man namentlich in parlamentarischen Kreisen der socialpolitischen Gesetzgebung Frankreichs und der Schweiz zu spenden sich gewöhnt hat, durch aus unberechtigt sei, und ich glaube, dafs mir dieser Nachweis gelungen ist. Dafs man die Gewerbeordnung betreffs der Verantwortlichkeit des Betriebsunternehmers ab geändert hat, brauchte ich den Eisenhüttenleuten um so weniger zu sagen, als diese Abänderung, wie ich Hrn. Trilling verrathen kann, lediglich auf eine „Agitation“ unserer seits zurückzu führen ist, wobei wir denn freilich — es war im Jahre 1888 — das bis dahin übliche Verfahren ebenfalls einer höchst „abfälligen“ Kritik zu unterziehen uns genöthigt sahen, was Hr. Trilling, wenn er damals schon Regierungs- und Gewerberath für Oppeln gewesen wäre, vielleicht auch mit der Entrüstung getadelt haben würde, welche ihn angesichts meiner '„abfälligen“ Kritik der in Rede stehenden bundesräthlichen Ausführungsbestimmung augen scheinlich beseelt. Leider sind allerdings auch beute die „Interessenvereine“ noch nicht in der Lage, über die Art und Weise ihrer „Agitation“ vorher ein Gutachten bei Hrn. Trilling einzuholen, ebensowenig wie sie seine Belehrung darüber nöthig haben werden, ob ihre Secretäre „Stören friede“ sind oder nicht. Solche Fragen werden sie vor wie nach ohne den Herrn Regierungs- und Gewerberath für Oppeln zur Entscheidung bringen. Die von mir angeführte, infolge von Staub eingetretene Störung der in einem Ruhrthalwerke aufgehängten Uhren hat aufser dem social- demokratischen „Vorwärts“, der darüber einen besonderen Leitartikel gegen mich schrieb, auch Hrn. Trilling derart aufgeregt, dafs er meint, in solchen Werken dürfe ein jugendlicher Arbeiter überhaupt nicht mehl- beschäftigt werden. Hierzu möchte ich die vielleicht etwas persönliche Be merkung machen, dafs ich in meiner Jugend als Secundaner und Primaner des W eseler Gymnasiums in meinen Freistunden auf der - Tenne meiner elter lichen Wohnung in den Wintermonaten Woche um Woche gedroschen und das Getreide mittels einer Wannenmühle gereinigt habe in einem Staube, der jeder Uhr das richtige Gehen binnen wenigen Wochen unmöglich gemacht haben würde und der mir trotzdem noch gestattet hat, die Stelle des „Secretärs eines Interessen Vereins“ mit ver- hältnifsmäfsiger Frische in meinem 44. Lebens jahre wahrzunehmen. Die jugendlichen Arbeiter in Walz- und Hammerwerken aber auch vor den Stäubchen bewahren zu wollen, die ein Uhrwerk ungangbar machen können, ist ein so charak teristisches Zeichen echt moderner regierungs- und gewerberäthlicher Soeialpolitik, dafs wir es hier in dieser rührenden Weise ausgesprochen zu finden, uns aufrichtig gefreut haben. Was nun die Tabelle anbetrifft, die ich un vorsichtigerweise nicht gelesen haben soll, so ist die Annahme, ich hätte dieselbe durch Hinzu fügung nicht in Betracht kommender Betriebe künstlich verlängert, zu naiv, als dafs sie einer Widerlegung bedürfte. Für jeden verständigen Menschen ist es von vornherein klar, dafs ich die betreffenden Angaben seitens des mir die Tabelle zur Verfügung stellenden Werkes hinzufügen liefs, um eine Vergleichung der den jugendlichen Arbeitern in den verschiedenen Betrieben gewährten Pausen zu ermöglichen. Aber nun zur Hauptsache! — Hr. Trilling behauptet, auf demjenigen Werk, das mir die Tabelle zur Verfügung gestellt, finde eine derartige „Ausnutzung der jugendlichen Arbeiter“ statt, dafs der Herr Regierungs- und Gewerberath für Oppeln „im ersten Augenblicke im Begriff war, die straf rechtliche Verfolgung der durch die Beumersche Ungeschicklichkeit veröffentlichten Gesetzesüber tretungen herbeizuführen“, „dafs“, so fährt er fort, „ich aber in 12jähriger Dienstzeit stets dahin ge wirkt habe, dafs den Arbeitern der Schutz des Gesetzes zu theil wird; die Strafbehörden habe ich jedoch hierbei nie angerufen und mag mich auch nicht durch Hrn. Beumer hierzu reizen lassen. (!) Aus diesem Grunde habe ich auch jetzt die Anzeige unterlassen, glaubte aber pflichtgemäfs zu handeln, wenn ich dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe darüber Bericht erstattete“. Die Leser von „Stahl und Eisen“ werden zunächst über die weite Competenz eines Re gierungs-und Gewerberaths für Oppeln erstaunt sein, der dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe über Dinge zu berichten für gut hält, die in der Rheinprovinz oder in W estfalen vorgegangen — sein sollen. Vorgegangen sind die selben nämlich in der That nicht in der Weise, wie es sich Hr. Trilling denkt. Denn wie ich in meinem Vortrage (S. 4 des Sonderabdrucks, S. 984 der Nr. XXII von „Stahl und Eisen“) angegeben, handelte es sich bei Auf stellung der Tabelle lediglich um die Frage, ob jene Ausführungsbestimmungen sich mit dem Betriebe vereinigen lassen oder nicht. Es kam also zunächst darauf an, durch das zur Ver fügung stehende Personal — eine scharfe Controle, ob die Angaben richtig seien, führte das betreffende Werk nicht — die verlangten Auf zeichnungen machen zu lassen, um auf diese Weise ein Bild der demnächst nöthig werden den Arbeit zu gewinnen. Man fand auf dem be treffenden Werk, dafs thatsächlich dem die Arbeiter „Brodesser und Genossen“ beaufsichtigenden Be amten die Zeit und, auch wohl das nöthige Ver- ständnifs für die Aufzeichnungen gefehlt hat. Es findet an dieser Betriebsstelle regelmäfsig gegen Mitternacht eine Efspause von etwa einer Stunde statt, dieselbe wurde nicht notirt, da, wie der Meister sagte, dieses ja selbstverständlich