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Du kannst Dir hierbei jeden der drei Wicklungs theile AC, GB, BA als den Sitz einer elektro motorischen Kraft vorstellen, welche unabhängig von den anderen ihren Stromkreis, z. B. die zwischen je zwei Leitungen brennenden Lampen, versorgt, vorausgesetzt, dafs die drei Zweige gleich be lastet sind, d. h. dafs gleichviel Strom durch die Lampen zwischen A und G fliefst wie durch die zwischen G und B sowie zwischen B und A, welche Vertheilung beim Drehstrom so weit als möglich angestrebt werden mufs. Wenn Du Dir graphisch die drei um 120 Grad gegeneinander verschobenen Wellen der elektromotorischen Kraft bezw. des Stromes aufzeichnest, so ergeben sich eine Reihe interessanter Beziehungen; so vor Allem, dafs die algebraische Summe der drei Ströme bezw. der elektromotorischen Kräfte in jedem Moment gleich Null ist, so dafs der in einem Draht fliefsende Strom gleich der Summe der in den beiden anderen fliefsenden ist u. dergl. m. Dafs auf Grund dieser Beziehungen noch eine zweite Schaltung der Wicklungstheile möglich ist (Fig. 24), möge nur nebenbei erwähnt werden. Was die bei allen diesen Mehrphasenstrom maschinen stattfindende relative Drehung der Pole und des Magnetfeldes gegen das Ankereisen an langt, so ist Dir diese Erscheinung eigentlich nicht neu, da sie in ähnlicher Weise schon bei den Gleichstrommaschinen vorhanden ist, nur dafs hier die Pole bezw. das Magnetfeld räumlich feststehen und das Ankereisen rotirt, wohingegen beim „Drehstrom“ das Umgekehrte stattfindet. Während bei ganz kleinen Drehstrommotoren der einfache, in der oben angegebenen Weise geformte Eisenkern als rotirender Bestandtheil Verwendung findet, erreicht man bei gröfseren Motoren eine noch kräftigere Wirkung, wenn man den vollcylindrischen aber untertheilten Eisen kern mit einer Anzahl in sich geschlossener Wicklungen versieht. Bleibt nun der rotirende Kern bei stärkerer Belastung gegenüber dem rotirenden magnetischen Drehfeld an Winkel geschwindigkeit zurück, so hat dies zur Folge, dafs bei der relativen Bewegung beider gegen einander die geschlossene Wicklung Wirbelfäden bezw. Kraftlinien des Drehfeldes schneidet, wo durch in ihr ein Strom inducirt wird, der die bereits vorhandene Polarität noch verstärkt und somit die Zugkraft vermehrt. Je höher also die Belastung, desto stärker die sog. Schlupfung des Motors, d. i. die relative Drehung des rotirenden Theiles gegen das Drehfeld; ein Synchronismus zwischen Primär- und Secundärmaschine oder Generator und Motor, wie bei dem einfachen Wechselstrommotor, ist deshalb nicht nöthig. Hieraus folgt weiterhin, dafs der Motor beim Anlaufen seine volle Kraft entwickelt ähnlich dem Gleichstrommotor, was ihn den früheren einphasi gen Wechselstrommotoren überlegen erscheinen läfst. Für reine Kraftübertragung bietet er daher gegenüber dem letzteren gewisse Vortheile, die bei gleichzeitigem Lichtbetrieb durch die Forderung gleicher Belastung der drei Zweige und die complicirten Betriebsverhältnisse wieder verloren gehen dürften, zumal auch die einphasigen Motoren neuerdings verbessert worden sind. Es ist ferner hin leicht möglich, dafs aus dem gleichen Grunde der Zweiphasenstrom für die Praxis in Zukunft eine gröfsere Bedeutung erlangt, als der drei phasige „Drehstrom“. Den Drehstrom kann man sonach als einen mehr- oder hier dreiphasigen Wechselstrom be trachten, dessen einzelne drei Wechselströme zwar untereinander verkettet sind, der aber in jedem Stromkreis, für sich betrachtet, einfachen Wechselstrom zeigt, welch letzteren Erzeugung je einem Drittel der Armaturwicklung obliegt. Die Vorzüge der leichten Transformirungsfähigkeit und die damit zusammenhängenden Vortheile sind dem Drehstrom daher in gleicher Weise eigen wie dem einfachen Wechselstrom. Der Gleich strom hingegen kann als ein mehr- oder gewöhn lich vielphasiger Wechselstrom angesehen werden, deren jeder aber mit Hülfe von Gollector und Schleifbürsten in zwei Hälften so zerlegt wird, dafs sich alle positiven bezw. negativen Halbwellen der elektromotorischen Kraft bezw. des Stromes summiren und zwei nahezu constante, gleich grofse elektromotorische Kräfte bezw. Ströme liefern, welche nach aufsen wirken und auf Grund ihrer polaren Gegensätzlichkeit sich in ihrer Wirkung unterstützen oder abermals summiren. Nachdem Du im Vorhergehenden die Eigenart des mehrtheiligen Wechselstromes kennen gelernt hast, will ich den Versuch machen, Dir eine Vorstellung von den eigenartigen Erscheinungen zu verschaffen, welche infolge der Gondensator- und Selbstinductionswirkungen der elektrischen Leitungen auftreten können. Selbstinduction und Gondensatorwirkung sind, wie ich schon früher erwähnte, diejenigen Leitereigenschaften, welche die Verhältnisse beim Wechselstrom sehr stark zu compliciren ver mögen. Obwohl bei jedem Wechselstrom vor handen, spielten sie aber bei den bisherigen technischen Verwendungen gewöhnlich eine nur untergeordnete Rolle; sie können jedoch, wie in den Versuchen von Tesla, bei hohen Wechsel zahlen an Bedeutung so gewinnen, dafs sie gänz lich neue Erscheinungen bedingen und die im allgemeinen geltenden einfachen Grundgesetze, wie das Ohmsche, formell sehr stark abändern, ja ihnen im ersten Anschein zu widersprechen scheinen. Die Selbstinduction dürfte Dir wohl noch von der früheren Entwicklung der MaxwelIschen Anschauung her bekannt sein. Du lerntest ihre Wirkung dort als eine solche kennen, wie sie sich aus einem Trägheitsvermögen der umgeben den magnetischen Wirbel und Frictionsmolecüle