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ringert, aber nicht beseitigt. Dagegen ist beim Verschlufs dieses Gewehrs ein anderer, die Ver einfachung der Ladebewegungen bezweckender Gedanke zur Ausführung gekommen. Alle Kammer verschlüsse sind zum Vor- und Zurückschieben der Kammer beim Oeffnen und Schliefsen des Gewehrs mit einer Handhabe versehen, welche nach rechts seitwärts in den Hülsenausschnitt umgelegt wird, um die Stützwarzen am Kolben kopf zum Auffangen des Rückstofses in ihre Lager zu bringen, den Verschlufs sozusagen zu verriegeln. Das erfordert eine Winkelbewegung. Es ist unbestreitbar, dafs die gerade Bewegung vor und zurück leichter auszuführen und deshalb vortheilhafter ist. Mannlicher liefs bei seiner älteren Construction durch Führung von Zapfen in spiralförmigen Nuten die Verriegelung beim gerade Vor- und Zurückziehen (daher Geradezug- verschlufs) selbstthätig ausführen, doch ist bei seiner späteren Construction des österreichischen Gewehrs 89 statt ihrer die bereits erwähnte Verriegelung unter der Kammer durch Geradezug zur Anwendung gekommen. Auch das Schweizer Repetirgewehr M/89, System Schmidt, hat einen Geradezugverschlufs, bei welchem die Drehung der Kammer mittels eines seitlich der Verschlufs- hülse liegenden besonderen cylindrischen Riegels bewirkt wird. Hier ist der Geradezug durch eine nicht unwesentliche Complicirung des Verschlusses erkauft worden. Ob der Vortheil der Geradezug bewegung überhaupt so belangreich ist, um des wegen eineComplicirung des Verschlusses in Kauf zu nehmen, darüber sind die Meinungen noch getheilt. Das System des Geradezugs vereinfacht aller dings die Ladebewegungen, wenngleich es bis heute technisch noch nicht in befriedigender Weise ausgebildet ist, aber die Feuerschnelligkeit selbst ist dadurch kaum oder nur unwesentlich gefördert worden. Bei der heute so hoch ent wickelten Verschlufsmechanik scheint dies auch nur noch durch den Fortfall der Ladebewegungen des Oeffnens und Schliefsens für den Schützen möglich zu sein. Diese Idee hat unsers Wissens zuerst Maxim im Jahre 1883 in der Weise technisch ausgeführt, dafs er den Rückstofs als Arbeitskraft zum Bewegen des Schlofsmechanis- mus ausnützte. Wie vor ihm Moncrieff (1858) durch den Rückstofs beim Schiefsen Geschütz rohre (es waren die englischen Vorderlader) aus der hohen Feuerstellung in die tiefe und gedeckte Ladestellung hinabdrücken und hierbei gleichzeitig Gewichte heben liefs, die durch ihr demnächstiges Herabsinken das Geschützrohr in die Feuerstellung wieder hinaufschoben, so liefs Maxim bei einem Winchester-Repetirgewehr durch den Rückstofs den Verschlufs öffnen und hierbei gleichzeitig eine Feder zusammendrücken, deren Spannkraft zum Schliefsen des Gewehrs ausreichte; hierbei wurde in der üblichen Weise das Ausziehen und Auswerfen der leeren Hülse und das Einschieben der aus dem Magazin heraufgehobenen Patrone in den Lauf selbstthätig bewirkt. 1890 erhielt dann der bekannte Ballistiker Major a. D. A. Mieg ein Patent (D. R.-P. Nr. 59 354) auf eine selbst- thätige Feuerwaffe mit Cylinderverschlufs und Kastenmagazin. Mit dem Abdrücken des Gewehrs löst der Schütze die Kraft aus, welche nicht nur das Geschofs forttreibt, sondern auch alle Lade- Vorrichtungen bis zum nächsten Abdrücken selbst thätig ausführt. Der Schütze kann im Anschlag liegen bleiben, bis die fünf Patronen seines Ma gazins verschossen sind, und hat dann nur einen gefüllten Patronenrahmen einzusetzen. Dieses System ist unverkennbar aus dem folgerichtig entwickelten Gedanken hervorgegangen, dafs in den entscheidenden Gefechtslagen die Feuerschnelligkeit zum Erfolg beiträgt. Da die selbe bei den heutigen Magazingewehren nur noch durch schnellere Ausführung der Lade bewegungen gesteigert werden kann, so müssen die letzteren mechanisch, statt durch den Schützen, ausgeführt werden. Hierbei ist vorausgesetzt, wie wir wiederholen, dafs das Gewehr alle Bedingungen, auch die entsprechender Einfachheit, erfüllt, die nothwendig von einer Kriegswaffe verlangt werden müssen. Wenn die bisher bekannt gewordenen technischen Ausführungen dieses Gedankens jenen Bedingungen noch nicht entsprachen, so darf deshalb doch keineswegs über die Idee selbst der Stab gebrochen werden. Sie bedarf der Zeit zu ihrer technischen Entwicklung. Das Dreysesche Zündnadelgewehr wurde 1841 in Preufsen eingeführt, und erst drei Jahrzehnte später war das System des Gylinderverschlusses, das von ihm sich herleitet, zur Höhe seiner technischen Entwicklung gelangt. Das Gewehr der Zukunft wird allerdings, dem Anschein nach, ein mechanisches Kunstwerk sein, das schliefst aber keineswegs aus, dafs es nicht doch eine, durchaus brauchbare Kriegswaffe ist. Eine Rückkehr zur alten Einfachheit der Waffen ist unmöglich, solange nicht die Ansprüche an ihre Leistungen entsprechend herabgesetzt werden. Das ist aber nicht mehr zu erwarten. Wir sehen im Gegentheil die Ansprüche beständig wachsen und müssen deshalb auch immer ver- wickeltere mechanische Einrichtungen geduldig in Kauf nehmen. Die Technik hat zwar die schwierige Aufgabe, mit den einfachsten Mitteln das Höchste zu leisten, aber um gewisse Arbeiten zu verrichten, müssen ihr nach mechanischen Gesetzen immer gewisse Mittel zugestanden werden. Wir müssen aufserdem zugeben, dafs die Technik alles Kriegsgeräth, ja unser ganzes Kriegswesen umgestaltet, aber nicht vereinfacht hat; dennoch ist es undenkbar, dafs wir ohne Eisenbahnen, Telegraphen, Telephone und selbst ohne Luft ballons noch Krieg führen könnten. Wie sollten nun die Feuerwaffen eine Ausnahme machen, welche doch die Hauptkriegsarbeit thun sollen!