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1076 Nr. 24 Grofsbritannien“ entgegenzusetzen. Dafs die deutsche Grofseisenindustrie dieser Forderung nicht zustimme und gesonnen sei, sie zu Falle zu bringen, ist ein in der englischen Presse ver breitetes Märchen, das wir als solches auch an dieser Stelle noch ausdrücklich charakterisiren wollen. Das Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ist auch im Kreise der Eisenindustrie namentlich im Interesse kleinerer Unternehmungen mit Freuden begrüfst worden. Dasselbe dürfte sich auch in erster Linie für die Bildung von Kleinbahn-Unternehmungen als segens reich erweisen. Betreffs der Regelung des Wasserrechts haben wir dem seitens eines besonderen Aus schusses an den Herrn Minister für Handel und Gewerbe gerichteten Ersuchen zugestimmt, dafs vor Erlafs eines solchen Gesetzes alle an dem Wasser- rechte, Betheiligten, also auch die Industriellen gutachtlich gehört werden möchten. In der Handels- und Zollpolitik haben wir die Art und Weise, wie die Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn, mit Italien, mit Belgien und mit der Schweiz zur Behandlung und zur Annahme gelangt sind, auf das tiefste beklagt. Von dem raschen Tempo ganz abgesehen, in welchem der Reichstag über diese weitesttragende Angelegenheit sich schlüssig zu werden gezwungen war, haben unseren Unterhändlern die technischen Kenntnisse gefehlt, ohne welche eine verständige Lösung der bei Handelsverträgen in Betracht kommenden Fragen ganz und gar unmöglich ist. Es ist durchaus nothwendig, dafs bei solchen Anlässen seitens des Handelsministeriums sach verständige Gutachter nicht allein befragt werden, sondern dafs man auch während der Verhandlung Fühlung mit diesen Persönlichkeiten behält, damit nicht Zollermäfsigungen für Artikel gewährt werden, die trotz solcher in das betreffende Land nicht eingeführt werden können, während andere Artikel, für welche die Erlangung von Zollermäfsigungen von gröfstem Werth sein würde, davon aus geschlossen sind. Andere Staaten haben sich den Rath solcher Sachverständigen vor den Verhand lungen und während derselben nicht entgehen lassen. Thatsache ist, dafs die Schweiz bei den letzten Vertragsverhandlungen mit Deutschland Sachverständige in grofser Zahl zur Seite gehabt hat, und darauf sind die zahlreichen Zugeständ nisse zurückzuführen, die schliefslich der Schweiz unserseits bewilligt sind. Zu solchen Verhand lungen gehört nicht blofs die Kunst eines Diplo maten, sondern es sind auch technische Kenntnisse in den einzelnen in Betracht kommenden Zweigen erforderlich, die unsere Unterhändler nicht gehabt haben und schwerlich jetzt bei neuen Verhand lungen haben werden. Da bilden denn die wirk lichen Sachverständigen eine wirklich nothwendige Ergänzung, wenn nicht wieder Vieles verloren December 1892. werden soll. Dafs bei Handelsverträgen Zugeständ nisse von beiden Seiten gemacht werden müssen, liegt auf der Hand; das ist bei jeder Vertrags verhandlung der Fall. Es handelt sich nur darum, dafs man technisch geschult genug ist, um bei Manchem, was der Gegner als „Zugeständnifs“ anbietet, sofort den Nachweis liefern zu können, dafs es gar kein Zugeständnifs bildet. Dafs dies in vielen Fällen der letzten Handelsvertrags- Verhandlungen seitens unserer Unterhändler nicht geschehen ist, dafür bietet der Schweizer Handels vertrag ein klassisches und leider für uns sehr trauriges Beispiel. Möchte es sich bei den neuer dings in Aussicht stehenden Verhandlungen nicht noch einmal zum Schaden unseres Handels, unserer Gewerbthätigkeit und unserer Arbeiter bevölkerung wiederholen! Auch bei etwanigen Verhandlungen mit Rufsland, betreffs deren wir unsere gutachtliche Mitwirkung angeboten haben, ohne bis jetzt eine Antwort zu erhalten, wird man ohne Sachverständige nicht auskommen. Es mufs endlich einmal mit dem Vorurtheil ge brochen werden, dafs man in einem Staate, der, wie der unsrige, eine so umfassende industrielle Entwicklung aufweist, industrielle Fragen ohne die Zuziehung von Sachverständigen erledigen könne. In dieser Beziehung sollte man von einem so kleinen Staate, wie die Schweiz, und von einem so mächtigen, wie England, doch endlich zu lernen suchen. Auch ist nicht zu übersehen, dafs fast alle Goncurrenz-Länder — von den theilweise sehr hohen Zollschranken abgesehen — in ihren Lieferungs- und Fabricationsbedingungen eine Reihe von Prohibitivmafsregeln anwenden, um den Eingang ausländischer Erzeugnisse, wenn nicht zu verhindern, so doch sehr zu erschweren. Im Ausstellungswe s en hat die Gruppe an ihrer Ansicht festgehalten, dafs heute Welt ausstellungen für die Eisen- und Stahl-Grofsindustrie nicht mehr von der Bedeutung sind, dafs sie die enormen, aus der Beschickung erwachsenden Kosten lohnen. Sie konnte deshalb auch die Beschickung der Weltausstellung in Chicago nicht empfehlen, überliefs es vielmehr den einzelnen Mitgliedern, sich an derselben zu betheiligen oder nicht. Betreffs der Berliner Weltausstellung antwortete die Gruppe unter dem 16. Juli d. J. auf eine Anfrage des Herrn Ministers für Handel und Gewerbe: „Die »Nordwestliche Gruppe« hält an ihrer bisherigen Ansicht über den Werth der Weltausstellungen fest, indem sie erklärt, dafs die von ihr vertretene Grofsindustrie vor wie nach für sich einen wesentlichen Vortheil von derartigen Schaustellungen nicht erwarten kann. Die Entscheidung darüber, ob aus allgemeinen und nationalen Rücksichten eine Weltausstellung in Berlin nothwendig und nützlich sei, mufs sie der Regierung überlassen. Sollte diese ,STAHL UND EISEN.“