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November 1892. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 21. 95? Schädigungen und Gefahren nicht mehr möglich, und alle darauf hinzielenden Versuche sind ge scheitert. Die Einführung der vollständigen Sonntagsruhe würde heute mit der Vernichtung der Hochofenindustrie gleichbedeutend sein. Der Schichtenwechsel erfolgt allsonntäglich und zwar so, dafs die Mannschaften, welche die Nachtschicht Sonntag früh verlassen, am Montag früh 6 Uhr die Arbeit wieder aufnehmen, wäh rend die Sonntag Morgen die Tagschicht begin nenden Arbeiter zwei Schichten nacheinander bis Montag Morgen verfahren und Montag Abend 6 Uhr die regelmäfsige Nachtschicht bis Sonntag Morgen beginnen. Also kann den Hochofen arbeitern, d. h. allen denjenigen Arbeitern, welche zur directen Bedienung der Hochöfen erforderlich sind, nur von 14 zu 14 Tagen eine 24 stündige Ruhepause gewährt werden. Die Einstellung von Reservearbeitern ist nicht möglich, weil deren zu viele sein müssen, für welche an den Wochentagen keine Beschäftigung vorhanden ist, und weil der Ofenbetrieb geübte Arbeiter erfordert. Die Hochofenarbeiter beanspruchen überdies auch keine Sonntagsruhe, weil sie genau wissen, dafs solche ohne Gefährdung des Hochofenbetriebes nicht gewährt werden kann; auch hat sich herausgestellt, dafs die Doppelschicht keine nach theiligen Folgen für die Arbeiter nach sich zieht. Alle diejenigen Arbeiten, welche an Wochentagen ausgeführt werden können, werden auch nur an diesen ausgeführt, und es wird jede Arbeit aufs ängstlichste vermieden, welche nicht unbedingt erforderlich ist. Wir bitten daher, den Hoch ofenwerken auch an Sonn- und Festtagen den vollen Betrieb zu gestalten. 4. Stahlwerke, Puddel-, Schweifs-, Walz- und Hammerwerke, Drahtzieherei. Bei der Sonntagsruhe in den Stahlwerken kommen Bessemer-, Thomas-, Martin- und Tiegel stahlwerke in Betracht. Bei allen diesen Stahlwerken bildet der Betrieb mit gleichmäfsiger Tag- und Nachtschicht die Regel, nur auf wenigen Werken wird mit ein facher Nachtschicht gearbeitet. Die eine regel mäfsige Tag- und Nachtschicht unterhaltenden Werke arbeiten in 12 stündigen Schichten von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends als Tagschicht und von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens als Nachtschicht. Dieser Schichteintheilung entspricht auch die Zeit der Sonntagsruhe. Die letztere von Nachts 12 Uhr bis wieder Nachts 12 Uhr dauern zu lassen und um diese Zeit mit einer neuen Schicht zu beginnen, Wäre aus naheliegenden Gründen praktisch unausführbar. Das bisher als Regel geltende Verfahren ist vielmehr folgendes: Die bis Sonntag Morgen 6 Uhr beschäftigten Ar beiter der Nachtschicht nehmen die Arbeit Montag Vormittag 6 Uhr wieder auf, haben somit 24 XXI 13 Stunden Sonntagsruhe, und die Arbeiter, welche am Samstag Abend 6 Uhr die Nachtschicht be endet haben, nehmen Sonntag Abend 6 Uhr die Nachtschicht auf, geniefsen also gleichfalls eine Ruhepause von 24 Stunden. An zwei auf einanderfolgenden Sonn- und Festtagen dauert die Ruhepause bis zum zweiten Festtage Abends 6 Uhr, wobei ebenfalls Schichtwechsel stattfindet, so dafs die Arbeiter beider Schichten eine Ruhe pause von 48 Stunden haben. Dieses Verfahren steht insofern, als die Sonn tagsruhe nicht von Mitternacht zu Mitternacht, sondern von 6 Uhr Abends bezw. Morgens bis wieder 6 Uhr Abends bezw. Morgens dauert, in Uebereinstimmung mit dei Vorschrift im letzten Satze von Absatz 1 § 105 b der Gewerbeordnung, welcher beim Betrieb mit regelmäfsiger Tag- und Nachtschicht zuläfst, dafs die Sonntagsruhe, ab weichend von der allgemeinen Regel der Sonn tagsruhe von Nachts 12 Uhr bis wieder Nachts 12 Uhr, entweder auf die Zeit von Abends 6 Uhr des vorhergehenden Werktages bis Abends 6 Uhr am Sonntag oder von Sonntag Morgen 6 Uhr bis Morgens 6 Uhr des nächstfolgenden Werk tages verlegt wird. Dieses Verfahren entspricht ferner auch der Vorschrift des zweiten Satzes von Absatz 1 des § 105 b, wonach die den Ar beitern zu gewährende Ruhe mindestens für jeden Sonn- und Festlag 24 Stunden zu dauern hat. Wenn man die Vorschrift des § 105 b 1. Absatz überhaupt dahin versteht, dafs den Arbeitern an Sonn- und Festtagen mindestens 24 Stunden Ruhezeit gewährt werden müsse, so entspricht dieses Verfahren überhaupt der Bestimmung des Gesetzes. Nach dem Wortlaut des genannten Absatzes 1 erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die Vorschrift so gemeint ist und ob nicht viel mehr neben dem Verlangen einer 24 stündigen Ruhezeit für die Arbeiter eine 24 stündige Ruhe zeit für den ganzen Betrieb stattfinden mufs. Für letztere Auslegung spricht der Schlufssatz des genannten Absatzes 1, wo es heifst: „wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht“, falls diesem Ausdruck eine selbständige Bedeutung beizulegen ist und man nicht annehmen will, dafs dieser Passus lediglich wieder dasselbe bezeichnen soll, was oben in Satz 2 verlangt ist, nämlich die 24 stündige Ruhepause für die Arbeiter. Je nachdem man die eine oder die andere Auslegung für richtig ansieht, ist das bisherige Verfahren der Sonntagsruhe bei den Stahlwerken nach dem Gesetze auch fernerhin zulässig, da gegen mit Rücksicht darauf, dafs der ganze Be trieb nur 12 Stunden und nicht 24 Stunden ruht, als Ausnahme zu betrachten, die nur auf Grund von § 105d der Gewerbeordnung durch Beschlufs des Bundesraths gestattet werden kann. Geht man von dieser letzteren Auslegung aus, so mufs als dringend wünschenswerth erklärt 4