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916 Nr. 20. STAHL UND EISEN.' October 1892. Erfahrung, die wir schon seit langen Jahren kennen: grofse Heizfläche mit geringer Verdampfung pro Quadratmeter Heizfläche ist zur Ausnutzung der Abgase nöthig, und diese Abgase entstehen meist auf Kosten der Nebenproductgewinnung. Je grölser dieser Verlust ist, desto leichter möglich ist eine gröfsere Verdampfung pro Quadratmeter Heiz fläche zu erzielen. Für Otto-Oefen werden auf jeden Ofen 6 bis 7 qm Kesselfläche zur Beheizung mit überschiefsen den Gasen verwerthet. Würden hierbei noch Kessel zwischen die Reversirventile und den Kamin für die Abhitze, welche eine Temperatur von durchschnittlich 560" autweist, eingelegt, so könnte dieses Verhältnifs noch bedeutend günstiger ge staltet werden; davon abgehalten hat bisher der Gedanke an eventuell zu grofs werdende Wider stände in den Zügen, welche aber durch weite Querschnitte vermieden werden könnten. Zu betrachten würden noch sein die Anlage kosten der verschiedenen Ofensysteme. Da Kessel anlage und Vorrathsthurmanlagen bei alle Syste men ziemlich gleich bleiben werden, so handelt es sich blofs um die eigentlichen Kosten der Oefen und der Gewinnungsanlagen für Neben- produete. Hr. Lürmann rechnet erst 4200 , später 5000 K pro Solvay-Ofen; dies scheint mir bei der bedeutend gröfseren Masse feuerfesten Mauerwerks und den sehr complicirten Ofenkacheln, welche einen vielfach höheren Herstellungspreis als andere Steine erfordern, sehr niedrig; in dieser Ansicht werde ich durch eine mir gewordene Aeufserung eines betheiligten Herrn noch bestärkt. Otto- Hoffmann-Oefen sind in der Gröfse der Solvay-Oefen gut für 4000 K herzustellen, eher etwas billiger. Nehme ich dann die aufs äufserste und ein fachste beschränkte Anlage der Gewinnungs einrichtungen an, wie sie Solvay auf Ruhrort ausgeführt hat, und sehe von der Opulenz und allseitigen Reserve ab, welche Dr. Otto in seinen Anlagen zur Ausführung gebracht hat, so ist der Herstellungspreis bei Dr. Otto nach mehrfachen Rechnungsabschlüssen von bestehenden Anlagen gleich mit dem Preise, wie Hr. Lürmann angiebt, zu 6000 bei noch hohem Gewinne des Unter nehmers festzustellen; also auch hier kein Unter schied. Nach meinen langjährigen Erfahrungen halte ich es aber entschieden für vollständig falsch, die Anlagen ohne alle Reserven so primitiv an zulegen: Verluste und Betriebsstörungen werden in kurzer Zeit den Sparsamen die Augen öffnen, und ich halte dafür, dafs die Firma Dr. Otto & Co. sehr recht auf Grund ihrer Erfahrungen thut, sich durch schwere Reserve und reichliche Anlage zu sichern. Bei der Eigenartigkeit vieler ihrer Verträge bei Uebernahme der Nebenproduct gewinnung müfste man die Firma sonst geradezu der Verschwendung zeihen oder ihr etwas viel Schlimmeres zutrauen, wenn sie unnütze und überflüssige Anlagen ausführte, die nicht zum vollständigen Gelingen bei langjährigem Betriebe nöthig wären. Hr. Lürmann sagt auch noch,, die von Solvay aufgestellten Einrichtungen zur Gewinnung der Nebenerzeugnisse zeichneten sich vortheilhaft vor den in Deutschland bisher aufgestellten Einrich tungen aus. Dieser Satz bedarf jedenfalls noch gründlichen Beweises; ich will ihm helfend damit unter die Arme greifen, dafs ich ihn darüber be ruhigen kann, dafs von unserer Seite Anlagen, welche so viel Verrufsungen wie bei seinen Oefen, Vorlagen u. s. w., so viel Glühendwerden der Steige rohre, solche Abtreibungen der edelsten Theile des Theers in die Luft, solche Verpestungen der Luft mit Benzol- und Naphthagerüchen und mit freiem Ammoniak, solche mangelhafte Kühlung in den Condensanlagen, wie ich auf Solvay-Anlagen angetroffen habe, herbeiführen, noch niemals aus geführt worden sind und im Interesse der Ge sundheit der Nachbarn und Arbeiter, der finan ziellen Resultate und wegen hoher Feuersgefahr auch niemals ausgeführt werden. Und diese Fehler der Construction und des Betriebes drängen mich, noch über ein Gebilde kühner Phantasie, die Holzschuhchemiker, ein paar Worte zu sagen. Thatsächlich liegen die Verhältnisse bei Solvay eher schlechter als bei unseren bisherigen Kohlendestillationen, eben in folge obengenannter Fehler; der höhere Auf sichtsbeamte ist bei ihm sogar sehr und mehr nöthig als wie bei uns, und ja auch thatsäch lich in Ruhrort vorhanden. Möge dieser Beamte nun Chemiker, Ingenieur, Techniker oder sonst wie heifsen, nöthig bleibt er und demzufolge auch die höhere Gehaltsausgabe dafür. Mehr ist bei uns in Deutschland auf gut geleiteten Werken auch nicht gethan, und sind vielleicht einige Werke vorhanden, welche glauben, hierin ein Uebriges thun zu müssen, so ist dies kein Beweis eines Mangels unserer bisherigen Betriebsweise. Ich dehne sogar die Noth Wendigkeit dieses höheren Aufsichtsbeamten auf die gewöhnlichen Koksöfen mit Dampferzeugung aus; wird vielleicht auch der Nutzen desselben nicht sofort in so und so viel Markstücken sichtbar, so wird im Laufe des Jahres durch Vermeidung von Betriebsstörungen, höheres und besseres Ausbringen, längere und bessere Instandhaltung der maschinellen und Ofen-Anlagen, raschere Beseitigung von Störungen u. s. w. das Gehalt eines solchen Beamten leicht mehrfach erspart. Dafs bei einem Hüttenwerke diese Aufsicht bei kleinerer Anlage leichter einem technisch gebildeten Beamten mit übertragen werden kann als bei einem Bergwerke, ist er klärlich; die nebenamtliche Aufsichtsführung ist aber bei einer gewissen Gröfse der Anlage sehr bald ausgeschlossen und mufs ich 50 bis 60 Oefen als solche Grenze bei Kohlendestillations öfen bezeichnen.