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Dresdner Journal : 27.03.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187703275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18770327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18770327
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1877
-
Monat
1877-03
- Tag 1877-03-27
-
Monat
1877-03
-
Jahr
1877
- Titel
- Dresdner Journal : 27.03.1877
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O70 »1^. cl« . . 1« N»rk. tritt ?o«t- vock !4^Ldrliot>: 4 Lt»rk tO kk. tullia. ^iorvin« d, uwmvrQ: 10 kt t„«r»t»»prel»«: i iir Ui-u tt»uo» «u»»r ^«p»tt»u«o >0 kk Owtor „Liob«"»o^t" äi» 2«il» bv kL Lr»vk«l»«»r tL^twtl Illit .4u»o»t>m« ck»r 8oao- asck k«»rttz» Xt-siM kür ckea fol^ev<i«o 1°»8 Dienstag, den 27. März. DresdnerZournal. Verantwortlicher Redacteur: Hoftath I. G. Hartmann in Dresden. 1877 Lipitz: >> /Iranistetter, OomuuiuiiooLr «1«, Ore»t1il«r soiuntck»; U»wdur^S«riM-Viell-I.»ii>»>z-L»»»I-kr,,U»u-rr»ükNu^ » N.! I/aa«ene<e»» L t^0A/er, L»rliu Visa S»wdllr^ kr»S-L«ipi>? kr»»ktort ». «-«üuok»»: ^/oeie, L«rU» : L. /c«e»icX:, /nvatrlie^tt«»/, »rswvv^ L üc^tott«, Lr«»I«u: /,. Ltu»Ae»»'« llüivuu,' Ld«wi»r< : /->. I^o»Ft, kritlllclurr ». n.: L. ckue</t^!,cit<- u ck. t/ //errniann'sekv öuodd., vörlil»: /»v- /- , 8»imor«r: 0'. ^c/i«^»^er, k»ri»-L«rUi>-rr»L^rurl » >l. Stut^rt: />ui«L« L Oo, N»iod»rx: L?e»^e,«, V>,oi ^lt l-Metit. llvrausxvbvr: Itönij?!. ^rp8<iitioll üe» Orvsckoer .wurutck», ltivZUvu, Ko. 2t. Amtlichcr Lbtil. Dresden, 25. März. Seine Kaiserlich Königlich« Hoheit der Erzherzog Carl Ludwig ist gestern Abend 7 Uhr 40 Miu. nach Wien abgereist. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute früh gegen 2 Uhr von Berlin zurückgekehrt. Se. Majestät der König bat den erblichen Freiherren stand, welcher dem Peruanischen Consul zu Warschau, Stanislaus Lesser, von Sr. Hoheit dem Herzoge von Sachsen Meiningen verliehen und von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland rücksichtlich des Consul Lesser und seiner dem Russischen Staate angehöreuden ehe- lichen Nachkommen anerkannt worden ist, auch in Be treff des im Königreiche Sachsen staatsangehörigen Sohnes des Letzteren, des Rittergutsbesitzers Ör. pbil. Casimir Alexander Lesser auf Wilkonice, für hiesige Lande allergnädigst anzuerkeunen geruht. Nichtamtlicher Tlieil. Nebersicht. Telegraphische Nachrichten. Zur orientalische» Krage. Tagesgeschichte. (Dresden. Berlin. Posen. Prag. Paris. Bern. Rom. Bukarest. Athen.) Deutscher Reichstag. (Sitzung vom 24. März.) Ernennungen, Lersetzungea «. 1» Sffevtl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzial-Nachrichten. (Leipzig. Zwickau. Limbach b. Chemnitz. Schneeberg. Löbau. Bautzen.) Gerichtsverhandlungen. (Dresden) Vermischtes. Statistik und Lolkswirthschaft. Eingrsandtes. Feuilleton. Tageskalender. Znserate Erste Beilage. Listen der iw Ostertermine d. I. anSgeloostea k. s Staatsschulden Kassenscheine. Znserate. Zweite Beilage. Börsenuachrichte». Telegraphische WitterungSberichte. Inserate. NeltyraphMe Nachrichten. Wien, Sonntag, 25 März, AbendS. (W T. B.) General Jgnatiew ist heute früh hier ringe- troffen und begab sich sofort zu dem russischen Botschafter, v. Nowikow, mit welchem er längere Zeit conferirte. Mittag- machte Graf Lndrassy dem General in dessen Hotel einen längeren Be such. Am Nachmittage besuchte General Jgnatiew den italienischen, den französischen, den türkischen und den englischen Botschafter und begab sich dann zum Grafen Aadrassy, mit dem er eine Stande conferirte. Wien, Montag, 26. März, Mittags. (Tel. d. Dreson. Journ) General Jgnatiew empfing heute Morgen den hiefigen türkischen Botschafter, Aleko Pascha, mit welchem er etwa eine Stunde conferirte, und hierauf den serbischen Agenten Zutic. Die „MontagS-Revue" demrutirt die Nach richten über Vorbereitungen des Vatikans für da» Conclave. Buda-Pest, Montag, 26. März. (Tel. d- Drrödn. Journ.) DaS Abgeordnetenhaus hat den Gesetzentwurf betreffs Ermächtigung zum Ab- Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. K. Hoftheater. — Altstadt. — Palmsonntag den 2b. März: Große Musikaufführung zumBesten des Unterstützungsfonds für die Wittwen und Waisen der königl. Kapelle. Sie galt zugleich der Erinnerung an unsern floßen Tonheros, denn sie fand am Vorabend des fünfzigsten Todestages Ludwig's van Beethoven Statt. Am 26. März Abends, während ein furchtbarer Gewittersturm mit heftigen Donnerschlägen und Blitzen das Firmament durchtoste, verschied Beethoven. Wenige Tage darauf bewegte sich ein endloser Zug mit der sterblichen Hülle des Meisters nach dem Währinger Kirchhofe; Kapellmeister hielten die Zipfel des Leichen tuches, eine große Anzahl Tonkünftler umgaben den Sarg, der mit Kränzen bedeckt war; Orden lagen keine darauf — Beethoven hatte nie einen erhalten, auch nie einen gesucht. Eine Rede von Grillparzer sprach der Schauspieler Anschütz am Eingänge des Kirchhofes. Der Sarg ward in die Erde gesenkt, ohne daß ge sprochen oder gesungen wurde — so berichtet F. Hiller als Augenzeuge —, aber durch die ganze große Volks» mässe, die nach Tausenden zählte, zog es wie ein Wehen von Ehrfurcht und Trauer. Millionen sind seitdem herangewachsen, in deren geistigem Leben Beethoven eine Stelle ausfüllt, welche durch Nichts und Niemanden zu ersetzen sein würde, und auf keinem Felde menschlichen Strebens hat sich bisher im 19. Jahrhundert wieder ein Genius erhoben, in seinem dem Idealen zuge- wandten edlen und nur beglückenden Schaffen so hoch schluffe eines 6procentigen Goldrentenanlehens be- bufs Konversion der schwebenden Schuld von 76'» Millionen mit 166 gcgen 74 Stimmen unver- ändert angenommen, nachdem der Kinanzminister Szell und der Ministerpräsident TiSza die Re gierungsvorlage vertheidigt hatten. Konstantinopel. Sonntag, 25 März, Vor mittags. (W. T. B ) Die montenegrinischen Dele- girten haben telegraphisch nach Crtivje gemeldet, daß die Pforte in ihrer ablehnenden Haltung ge genüber der Forderung der Abtretung von Nikfic, Kuct und Kolatschin verharre und nur eine Be richtigung der Grenze nach Albanien hin zuge- stehen wolle. Zugleich erbaten die Delegirten wei tere Instructionen. Wie versichert wird, habe die englische Regie rung der Pforte die Abtretung von Nikfic nach Schleifung der dortigen Festungswerke empfohlen, doch halte die Pforte die Abtretung auch in die sem Falle für unmöglich. Lur orientalischen /rage. * Berlin, 24. März. Die Protokollepisode, schreibt die „Lt. A. Ztg.", wird allgemein als beendigt angesehen, und man tarf einigermaßen gespannt sein, mit welchen Intermezzos die Diplomatie die Zwischen zeit bis zum Monat Mai, resp. bis zum Beginn einer für militärische Operationen geeigneten Witterung aus zufüllen gedenkt. — Ein St. Petersburger Brief des genannten Blattes bemerkt u. A-, man werde der rus sischen Regierung wenigstens zugestehen müssen, „daß sie nicht ohne Erfolg zu dijsimuliren versteht." Der ganze Brief lautet sehr kriegslustig und kündigt an, daß, wenn es zum Kriege komme, Rußlands Forde- rungen sich erhöhen würden, namentlich würde der Pa riser Friede rückgängig gemacht werden. — Der „Köln. Ztg." telegraphirt man von hier: Die fortgesetzten Ver handlungen sollen weniger das Protokoll, als Beding ungen der Abrüstung betreffen, und zwar soll gerade Rußland auf die Fortsetzung Werth legen. In London indessen glaubt man mehr, Rußland wolle entweder Zeit gewinnen, oder auf anderem Wege England und der Türkei die Verantwortlichkeit des Krieges zuwcisen. War das schon die Absicht bei den letzten Verhandlungen wegen des Protokolls, so wurde sie dadurch durchkreuzt, daß England das Protokoll keineswegs ablehnte, aber die bekannte Garantie verlangte, daß Rußland das Actenstück nicht als europäisches Mandat für den Krieg verwende. Man bezweifelt daher, daß dec etwaige er neute Versuch Rußlands gelingen werde. Was die gestrigen Wiener Nachrichten angeht, Rußland werde sich nöthigenfalls wieder an den Dreikaiserbund wenden, so werde sie dahin verstanden, daß Rußland versuchen werde, angeblich zur Wahrung des Friedens, einen diplomatischen Druck auf die Türkei durch so viele Ca- binete wie möglich, und wenigstens durch die Nord mächte ausüben zu lassen. Graf Schuwalow in London soll noch immer an die Möglichkeit des Friedens glauben. St. Petersburg, 20. März. Der „Pr." wird ge schrieben: In hiesigen politischen Kreisen gilt ein Allianzvertrag zwischen Rußland und Persien als eine ausgemachte Thatsachc. Der religiöse Anta gonismus zwischen Türken und Persern hat schon wiederholt zu Differenzen, ja selbst zu blutigen Kriegen geführt, die endlich den Verlust der westlichsten Pro vinzen Persiens nach sich gezogen haben. Ein Krieg zwischen der Türkei und Rußland wäre eine passende Gelegenheit, die Grenzen Persiens wieder auszudehnen, vielleicht sogar bis nach Bagdad auszudehnen. Die Consequenz der infolge besten zwischen Rußland und dem Schah gepflogenen Verhandlungen führte zur Auf stellung eines Corps von 22,OM Mann an der tür kischen Grenze, welche zum Theil von russischen Offi zieren organisirt, mit russischen Subsidien unter stützt wird. über allen Bewerbern um die Unsterblichkeit stehend, wie Ludwig van Beethoven. Für die besondere Erinnerungsfeier ergab das um 1802 componirte Oratorium „Christus am Oel ber ge" — welches seiner neunten Symphonie hinzu - gefüqt wurde, nur um ein Chorwerk zu geben —, eine allerdings wenig geeignete Vervollständigung des Pro gramms. Es ist sein einziges umfangreiches Werk, das nicht zugleich ein großes ist, ein Mißgriff in Conccption, Ausdrucksweise und im Stil, der sich im Gleise der alten Wiener Schule mit Verschärfung des theatralischen Charakters bewegt. Beethoven hat das selbst ausge sprochen, und die Möglichkeit, es wieder der Oeffentlich- keit zu entziehen, wäre ihm unstreitig willkommen ge wesen. Der Text in seiner wenig würdigen, phrasenhaft versificirten Behandlung eines edelsten Stoffes mag das mit verschuldet haben, erklärt es aber nicht genü gend. In schönen Einzelnheiten des instrumentalen Theils, in der prächtigen Jntroduction tritt allerdings der geniale Schöpfer hervor und überall, wo sich ein rein menschliches Empfinden und Handeln ausspricht, in den Chören der Krieger, im ängstlichen Flehen der Jünger, in dem in großen Linien ausgrführten Schluß- chor: denn in der Kunst ist das Schaffen eines großen Geistes, wenn auch von einem Jrrthum befangen, noch weit fruchttragender, als die Production mittelmäßiger Talente auf richtig erkanntem Wege. Aber welche aufsteigende Wandlungen, welche innere Vertiefung, welches erhabene Gewaltigwerden des Beelhoven'jchen Geistes verkündet uns die neunte Sym phonie, dieses wunderbare Tonepos, eines jener idealen Denkmale des menschlichen Genius, wie sie ihm von Zeit zu Zett, von göttlicher Offenbarung begnadet, in der Kunst zu schaffen gestattet sind. Aus dem wirren, schwer ringenden Kampf deS Ledens »erden wir über St. Petersburg, 24. März. (Tel.) Der Verlauf der Londoner Verhandlungen, sowie die Sprache der englischen Regierungsblätter veranlaßt die meisten hiesigen Blätter, sich in entschieden tadelndem Sinne zu äußern. Vornehmlich wird Hervorgehoden, daß die eng lische Regierung von vornherein den Zweck verfolgt habe, Rußland nur zwischen Beschimpfung und Krieg die Wahl zu lasten. Eine Corrcspondenz der „Agence russe" führt aus, die Frage: ob Krieg, ob Frieden, finde gegenwärtig ihre Entscheidung nicht in St. Peters burg, sondern in London. Das russische Cabinet ging mit seinen friedlichen Absichten bis an die äußerste Grenze; es halte dieselben auch jetzt noch aufrecht; wenn trotzdem der Krieg nunmehr ausbreche, so werde die Vcrautworlichkeit allein England zufallen. * Konstantinopel, 20 März. Ueber die Eröff nung des osmanischen Parlaments entnehmen wir einer Corrcspondenz der Augsburger „Allg. Ztg." Fol gendes: Im großen Ceremoniensaal des Palastes von Dolma Bagdsche, einem in seinen Größenverhältnisien wohlgclungcnen, imponirenden Kuppelraum, besten mäch tige Formschönheit leider durch dilettantische Malcrei- ausschmückung geschädigt erscheint, fand gestern die feierliche Eröffnung des Parlaments Statt. Längs den Wänden des Saales reihten sich die Hellebardiere, deren Uniformen, scharlachrothe Waffenröcke nach ungarischem Schnitt, dunkelblaue Beinkleider, kirschrothe Sammct- mützen mit ungeheuren Reiherbüschen, ebenso ausfallend als geschmacklos sind. Im Hintergrund des Saales, gegenüber der großen Galatreppe, welche von der See seite in den Palast führt und deren mächtige Pforten weitaus geöffnet waren, so daß man sich unter den schweren Säulengängen doch wieder im Freien und in unmittelbarem Contact mit der herrlichen, besonders sonnig lachenden Natur fühlen konnte, stand der Thron, welcher mit den riesigen Krystallleuchtern und dem kolossalen Kronleuchter die Zahl der beweglichen Gegen stände erschöpft, die sich in diesem ungeheurem Dom befinden. Der Thron, in der Form unserer Schlaf divans, stammt vom ägyptischen Sultan Gavri, nach dessen Besiegung durch Sultan Selim I. das Chalisat an die Osmanen fiel. Das historische Erbstück, reichlich mit Golbplatten ausgeschlagen, steht auf einem goldenen Teppich. Im Saal bezeichnen sogenannte Laufteppiche die Standplätze für die Lheilnehmer an der Feierlichkeit. Erst U Stunde nach der angesagten Zeit (7 Uhr tür- Hich --- 1 Uhr "Nachmittags) wurden die Theilnehmer in den Saal eingesührt. Links vom Thron, zwischen den Säulen, nahmen mehrere geladene Gäste und die Korrespondenten auswärtiger Blätter Platz. Unter den Ersteren befand sich der General Klapka und der hier hochangeschene Derwischscheich Osman Efendi, ein Greis mit feingezcichncter Physiognomie. Er hatte wegen seines hohen Alters das Mandat als Deputirtcr niedergelegt. Sodann wurden die Generäle und Admiräle höheren Ranges eingeführt und stellten sich links auf. Hierauf wurde das diplomatische Corps eingeführt. Es ist ziemlich vollzählig und in großer Uniform erschienen. Der russische Geschäftsträger glänzte selbstverständlich durch seine Abwesenheit. Die Deputirten, an ihrer Spitze der Präsident Achmed Vevfik Efendi, betreten gravitätisch ernst den Saal und nehmen ihre Plätze ein, links, gegenüber dem Thron. Alle, mit Ausnahme der Ulemas, sind in die schwarze Reformtracht gekleidet. Auch der Präsident, obschon ehemaliger Minister und Botschafter, ist im einfachen schwarzen Kleid erschienen; ein bedeutungsvoller Contrast zu den goldgestickten be sternten Uniformen der „hierarchischen Türkei". Ihnen folgen die Senatoren, deren Plätze auf gleicher Höhe, rechts sind. Der Senat besagt in der Diehrzahl seiner Erscheinungen, daß eine schwindende Zeit bierhcr ihre letzten Vertreter entsendet habe. Server Pascha wurde zum Präsidenten ernannt, da Mehemev Ruschbi Pascha merkwürdigerweise dieses Ehrenamt ausgcschlagen hatte. Das Silber der Bärte vermählt sich hier mit der Gold überladung der Stickereien und erhöht den Contrast zur nachbarlichen Deputirlenkammer. Der Staatsrath stellt alles Vergängliche hinaus zum ewigen, tröstenden, be glückenden Gut emporgeführt — zu Liebe und Glauben — in begeistertem, dithyrambisch beschwingten Freuden gesange. Der dem Irdischen entrückte, in poetisch idealer Erscheinung sich verklärende Geistcsflug ergreift uns Herz und Sinn mit zwingender Gewalt, öffnet der er schütterten und entzückten Phantasie den Blick in unge- mcssene, übersinnliche und heiß ersehnte Weiten. Die Vorführung beider Werke unter der intelli genten Dircction des Herrn Kapellmeisters Schuch, der für den plötzlich erkrankten Herrn Generalmusik director Or. Rietz eingetrcten, war eine im Ganzen lobens- werthe, ausgezeichnet in der künstlerischen Leistung der Kapelle, trefflich in der Ausführung der Chöre unter Mitwirkung der Drcyßig'schen und Schumann'schen Singakademie, recht befriedigend feiten der Solisten. Als letztere betheiligten sich die Fräulein Reuther und Nanitz, die Herren Link, I. Erl, Degcle und Decarli. Besonders anerkennenswert!) war der Fleiß, mit welchem Fräulein Reuther tue für sie sehr schwierigen Sopran partien studirt hatte, und ihr Fortschritt in reiner In tonation. Stach der in Verdi's „Requiem" an gewendeten, für die Tonwirkung günstigeren Aufstellung des Or chesters, welche bei dieser starken Chorbesetzung unmög lich war, mußte der dumpfe matte Klang der Instru mente, namentlich der Violinen, umsomehr wieder auf fallen und den Gesammteindruck der Symphonie ab schwächen. Die wenigste Einbuße in der Tonwirkung erlitt das außerordentlich schön ausgeführte Adagio. C. Banck. Refidenzthtater. Eine neue Posse von Hm. Karl „Der wahre Jakob", die zum ersten Male am 23. März zu dem vom Publicum freundlich, aber nicht durch zahlreichen Befuch ausgenommenm Benefiz dr- sich rechts auf. Der Scheich-ül-Jslam, im reichfaltigen weißen Ueberwurf, über dem männlich kräftigen Antlitz den weißen Turban mit der Golbbinde, betritt festen Schrittes den Saal und stellt sich, gefolgt vom brünetten Scheriff, links, beim Thron auf. Ihm folgen die Kadiasker und obersten Ulemas in grünen Kaftans, meist hochbctagte gebückte Greise, und nehmen vor der Generalität Platz. Auf der entgegengesetzten Seite, hinter den für die Minister bestimmten Plätzen, reihm sich die Oberhäupter der uichtmuseli»ännischen Gemein den; die Patriarchen in wallenden Gewändern von vivlettfarbener, rother und schwarzer Seide mit nieder- hängenden schwarzen Schleiern und funkelnden Kreuzen, die Rabbiner mit hellgrauen Turbanen. Nun erscheinen die Minister und endlich der Großwestr Edhem Pascha. Der Saal ist gefüllt, aber das ehrfurchtsvolle Schweigen wird durch keinen Laut gestört. Alle Bewegungen dieser gewaltigen Menge vollziehen sich in musterhafter Ordnung, ohne jedes Geräusch, in tiefer Sammlung. Der Großwesir, welcher zu oberst rechts vom Throne steht, winkt nun dem Obercercmonienmeister. Derselbe tritt, nachdem er den Befehl Edhem Paschas empfange» hat, zur Flügclthüre rechts. Lie öffnet sich, der Ober cercmonienmeister verbeugt sich und vollzieht seine Mel dung, in das Nebengemach eintrctcnd. Nach einer Pause zieht er sich unter Verbeugungen rücklings zurück und stellt sich dem Throne gegenüber aus. Der Sultan, gefolgt von zweien seiner Brüder und den Hofbeamten, tritt ein und stellt sich an die rechte Seite des Thrones. Er begrüßt die Versammlung, welche den Gruß stumm erwidert. Die Prinzen und Hofbeamten nehmen hinter dem Throne Platz. Der Sultan, eine feingebildcte Gestalt mit ansprechenden Gcstchtszügen, trägt eine ein fache Uniform, ohne jede Stickerei und Verzierung. Nicht einmal oer übliche Reiher schmückt sein Fez. Vom Fuße der offenen Galatreppe her erschallt wie ein einziger ge waltiger Schrei der übliche Ruf der Soldaten, schon unter den Janitscharen gebräuchlich: „Laug' lebe unf-.r Padischah!" Der Sultan winkt dem Grvßmesir, der sich mit drei Verbeugungen nähert, und übergiebt ihm die Nolle mit der Thronrede. Der Großwcsir tritt mit drei Verbeugungen zurück, küßt das Documcnt, entrollt es, winkt dem ersten kaiscrl. Sccrelär Said Pascha und nimmt seinen früheren Platz wieder ein. Anfänglich wollte der Sultan die Rede selber lesen, aber er be sorgte durch seine innere Bewegung unterbrochen zu werden, desgleichen der Großwcsir, dem der Sultan die Lesung übertragen Halle, mit der Erlaubniß jedoch, sich vertreten zu lassen, was denn auch geschah. Von der umfangreichen Thronrede, deren Verlesung über 20 Minuten währte, konnte ich nichts vernehmen; die Worte verhallten im Raum. Der Sultan, der Groß- wesir und die Nächstftchcndcn schienen tief ergriffen. Nach vollendeter Vorlesung grüßte der Sultan aber mals mit milttärisckem Gruß und verließ dcn Saal, während von dcn Kriegsschiffen die Kanonen oonwrten. Kurz darauf berief er den Großwcsir. „Wie glücklich, wie frei fühle ich mich", rief cr diesem zu, „dieses Werk begründet zu haben. Die Zeit soll beweisen, daß ich meinem Entschluß treu bleiben will!" Ich traf dcn Großwestr nach der Eeremonie und fand ihn sehr be wegt. Voll Zuversicht und Enthusiasmus sagte er niir: „Wir Osmanen können diesen Sultan kaum genug schätzen. Er wird die Ränke unserer Gegner mit Gottes Hilfe zu Schanden machen. Und wenn cs jein muß, wenn das Leyte durchaus nicht vermieden werden kann, so wird sich die Nation wie ein 'Mann um den würdigen Sprossen unserer alten Sultane schaarcn. Er will das Beste und will cs aufrichtig — wir stchcu treu zu ihm " In größter Ordnung und sichtlich in gehobener Stim mung verließen die Anwesenden den Saal und den Palast. Das erste osmanische Parlament ist eröffnet. In dcn Straßen wogte die Menge, Abends war die Stadt beleuchtet. — Die türkische Thronrede hat specüll mit Bezug auf Montenegro noch im letzten Moment einige Modifikationen erlitten. Ein: der wichtigsten Abäude- Herrn Bachmann gegeben wurde, veranlaßt einige Be merkungen, welche bet unbefangener Beachtung dem Verfasser zum Besten dienen könnten. Hr. Karl ist ein als Komiker sehr talentvolles und mit Recht ebenso be liebtes Mitglied des Rcsidcnzthcatcrs. Wir haben schon wiederholt darauf hingcwicsen, daß es vortheilhaft und angenehm für eine Bühne, namentlich für die charak teristische Beschäftigung der Mitglieder derselben sein kann, wenn einer der Komiker zugleich auf eine harm lose Weise als Posscnschrcibcr das Repertoire unterstützt. Hrn. Karl läßt sich eine gewisse Befähigung dazu nicht absprcchcn, noch weniger der gute Wille. Doch gerade zum Nachtheil der Sache und auch dcs Verfassers liegt eben darin ein Mißverhältniß, daß die Stärke dieses guten Willens dem Talent die zu jeder einigermaßen haltbaren Arbeit nothwcudige Zeit nicht vergönnt. Auch die Posse ist ein Gebiet, ans dem der Schrift steller sich selbst und seinem Publwnm noch immer einige Rücksichten schuldig ist. Die Abfassung eines solchen Theaterstückes kann sich durchaus n cht auf cin n Freibrief berufen, der von allen Forderungen an Logik, Wahrscheinlichkeit, Charaktcrnatürlichkeit und an einen genügen Grad von erträglichem Umgangs und Rede ton entbindet. Es führt zu tief hinunter, wenn ohne den Inhalt einer wirtlichen Comp fitwus dec die Erhei terung nur un Baroken, das Amüsement "es Dialogs nur im banalsten Bnmmclton gesucht wird. Einige lustige Situationsscherze und das löbliche Verm idcn von Unsittlichkeiten entschädigen für dergleichen Abir rungen nicht. Hrn. Kart's kecke Laune ve dient Aner kennung und soll durchaus nicht beeinträchtigt werden; wenn er es aber über sich gewinnen könnte, zu seinen Possen (ich glaube, dicjer „Jakob" war die sechste) die dreifache Zeit zu verwenden, so würde er das Theater unv später sich selbst recht sehr zu Dank verpflichien. O- B.
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