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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Freitag, den 18. April 1969, 19.30 Uhr Sonnabend, den 19. April 1969, 19.30 Uhr 7. ZYKLUS-KONZERT MUSIK UND IDEE Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Heinz Schunk, Berlin, Violine Sergej Prokofjew 1891-1953 Sommertag - Sinfonische Suite op. 65 a Der Morgen Kinderspiel Walzer Reue Marsch Der Abend Der Mond steht über der Wiese Antonio Vivaldi 1675-1741 Aus „Die vier Jahreszeiten" op. 8: Konzert Nr. 3 F-Dur „Der Herbst" für Violine und Streichorchester Allegro — Piano e larghetto — Allegro molto Adagio molto Allegro Konzert Nr. 4 f-Moll „Der Winter" für Violine und Streichorchester Allegro non molto Largo Allegro - Lento — Allegro Robert Schumann 1810-1856 PAUSE Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 (Frühlingssinfonie) Andante un poco maestoso — Allegro molto vivace Larghetto Scherzo (Molto vivace) Allegro animato e grazioso HEINZ SCHUNK wurde 1941 in Sonneberg Thür, geboren und begann bereits 7jährig mit dem Violinspiel. Von 1955 bis 1958 besuchte er die Fachgrundschule für Musik und anschlie ßend bis 1963 die Franz-Liszt-Hochschule in Weimar als Schüler von Prof. Ehlers. Nach dem Studium erhielt Heinz Schunk eine Aspirantur bei Prof. Igor Besrodni in Moskau sowie 1962 ein Diplom beim Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb. 1964 wurde er Preisträger beim Inter nationalen Enescu-Wettbewerb in Bukarest. Seit September des gleichen Jahres wirkt er als erster Konzertmeister an der Deutschen Staotsoper Berlin. Neben seiner Konzerttätigkeit im Inland gastierte der junge Künstler in der VR Polen, in der CSSR, in Ungarn, in der UdSSR und in Westdeutschland. Mit der Dresdner Philharmonie konzertierte er erstmalig im Jahre 1965. ZUR EINFÜHRUNG Zu Beginn unseres heutigen Konzertes, das gleichsam dem Rhythmus der Jah reszeiten in musikalischer Sicht gewidmet ist, erklingt ein Werk des sowjetischen Komponisten Sergej Prokofjew, dessen Urfassung unmittelbar während der Arbeit an dem berühmten Ballett „Romeo und Julia" entstand: die Sinfo nische Suite „Sommertag" für kleines Orchester op. 65 a. Prokofjew instrumentierte und bearbeitete 1941 sieben der „Zwölf leichten Stücke für Klavier op. 65", die er als „Musik für Kinder" im Sommer 1935 niederge schrieben hatte, als Konzertsuite „Sommertag“. Es handelt sich hier um kurze Impressionen, um einfache musikalische Charakterbilder, die Landschaftsein drücke oder Beobachtungen von Menschen, insbesondere von Kindern, in der Sprache der Töne widerspiegeln. Prokofjew war ein leidenschaftlicher Natur freund, dem oft auf ausgedehnten Spaziergängen die Einfälle für seine Kompo sitionen kamen. So ereignete es sich auch im Falle dieser sommerlichen Land schaftsbilder, wenn wir an die „Naturschilderungen" des ersten, sechsten und siebenten Satzes der Suite denken: an das Bild des erst träumerischen, dann strahlenden Sommermorgens, an die lyrischen Stücke „Der Abend" und „Der Mond steht über der Wiese". Dazwischen finden sich einige Szenen aus dem kindlichen Leben und Erleben: das turbulente, überraschungsreiche „Kinderspiel" oder die herzzerreißende „Reue" des unfolgsamen Kindes. Und schließlich dürfen bei Prokofjew, dem so dem Tanz verbundenen Musiker, Tanzstücke wie ein eleganter „Walzer" oder ein etwas derberer „Marsch" nicht fehlen. Der Aufbau all dieser reizvollen, graziös-heiteren, traurig-verhaltenen, schelmischen oder zart-verträumten Miniaturen ist denkbar einfach. Weitgehend herrscht naiver „Volkston" vor wie bei Robert Schumann, dem deutschen Meister der artiger „Kinderszenen". Die ersten wichtigen Belege für die Form des Solokonzertes, das sich im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entwickelt hatte, lieferte — neben Komponisten wie Bononcini, Torelli und Gregori — der große italienische Meister Antonio Vivaldi. In Venedig geboren, wurde Vivaldi zunächst gleich seinem Vater Kirchengeiger am Markusdom und war dann als Hofkapellmeister in Mantua, später als Konzertmeister bei einem venezianischen Waisenhausorchester tätig. 1703 wurde er zum Priester geweiht (als solcher erhielt er den Beinamen „II preto rosso" = der rothaarige Priester). Zwischen 1725 und 1735 wirkte er als Opern-Impresario (zum großen Teil auf Reisen) und komponierte in dieser Zeit eine große Zahl von Bühnenwerken. In ärmlichen Verhältnissen verstarb er 1741 in Wien. Vivaldis künstlerischer Rang und seine hervorragende musikgeschichtliche Bedeu tung als eine der großen universalen Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit haben in unserem Jahrhundert, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg, eine Bewer tung erhalten, die einer Neuentdeckung gleichkommt. Jahrhundertelang war das Leben und Schaffen des außerordentlich fruchtbaren Komponisten in ziemliches Dunkel gehüllt. Sein Ruhm beruht vor allem auf seinen Instrumentalkonzerten, namentlich auf den überaus zahlreichen Violinkonzerten; daneben schrieb er u. a. Violinsonaten, Concerti grossi, zahlreiche Kammermusikkompositionen, Kirchenmusik und Opern. Von den ca. 450 erhaltenen Konzerten Vivaldis weisen 28 programmatische Titel auf, und von diesen nehmen die vier ersten Konzerte aus op. 8 „Die vier Jahreszeiten" (Le quattro Stagioni) für Violine und Streichorchester, um 1725 in Amsterdam erstmalig im Druck erschienen, eine Sonderstellung ein. Sie gehörten zu den meistgespielten Werken des Komponisten und sind — nach dem Vivaldi-Forscher Rudolf Eller — „für die Stabilisierung der Konzertform, zugleich für deren Variationsmöglichkeiten, beson ders aufschlußreich. Gegenüber den anderen Werken, bei denen die Programm- Bezeichnungen allenfalls bis zum Einzelsatz reichen, enthalten sie auch Hinweise auf einzelne Motive und Satzabschnitte, sind also Programmusik im engeren Sinne. Jedoch wird auch hier die Konzertform nach Zyklus und Einzelsatz ge wahrt; der Zweiheit von Ritornell und wechselnden Soloepisoden entspricht eine Zweiheit von Grundsituation und Detailschilderung."