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Referate und kleinere Mittheilungen. Strafwagenmiethen. Das Verfahren unserer Staatsbahnen bei Ver hängung von Verzugsstrafen für verspätete Wagen rückgabe erhält durch nachstehende Zusammenstellung eine eigentümliche Beleuchtung. Die Angaben ent stammen einem mittelgrofsen Eisenwerk, das jährlich rund 650 000 • Eisenbahnfrachten zahlt. Die betreffende Hütte wird von der Bahn täglich dreimal — Vormittags 6 Uhr, Mittags 12 Uhr und Nachmittags 6 Uhr — derart bedient, dafs die auf der Station angekommenen Wagen in ein bestimmtes Geleise des Werkes gesetzt und die in einem nebenliegenden Geleise zum Abholen bereitstehenden Wagen zur Station zurückgebracht werden. Die Entladefristen betragen in gewöhnlichen Zeiten 6 bezw. 12 Tagesstunden. Selbstredend gelten für entleerte und wieder beladene Wagen, sowie an Sonn- und Feiertagen bestimmte Fristverlängerungen. Im Jahre 1890 betrug die Anzahl der zugestellten Wagen 119 570, die Anzahl der verspätet zurück gegebenen Wagen 1802, darunter um 1 Fahrt verspätete Wagen . . 1 185 , , 2 Fahrten , „ , . 313 » » 3 » » » • • 184 » » 4 » » » . . 58 „5„ " • • 49 » 6 » ■ ■ 13 Summa 1 802 verhängte Strafwagenmiethe .... 4 352,— JI Nachlafs infolge von Einspruch ... 2 182,50 „ Anzahl der früher als vorgeschrieben zurück gegebenen Wagen 6413, darunter um 1 Fahrt früher 5111 „ „ 2 Fahrten 1 280 » " 3 " »- ■ . . . 22 Summa 6 413 Multiplicirt man die Wagenzahlen mit ihren Fahrt verspätungen bezw. Fahrtverfrühungen und summirt die betreffenden Producte, so erhält man 2918 Fahrt verspätungen gegenüber 7739 Fahrtverfrühungen, dem nach eine Ersparnifs von 4821 Fahrten, trotzdem erhob die Eisenbahnverwaltung 2169,50 Verzugsstrafen, während sie bei gleichen Rechten und Pflichten 4821 X 2 = 9642 Jt hätte vergüten müssen. Ein Gesuch um Nachlafs des ganzen Strafwagenmiethe betrages mit Hinweis auf den überreichlichen Ausgleich durch die früher als erforderlich zurückgegebenen Wagen wurde seitens des Herrn Ministers unter dem 17. Juli d. J. abschlägig beschieden. Der Schlufs des betreffenden Schreibens lautet. „Insbesondere ist aus der Rückgabe einzelner Wagen vor Ablauf der Lade fristen ein Grund zu noch weiterem oder gar voll ständigem Verzicht auf Wagenstandgeld nicht zu ent nehmen, da die auskömmlich bemessenen Ladefristen Maximalfristen sind, vor deren völligem Ablaufen die Rückgabe eines Theiles der Wagen vor vornherein er wartet werden mufs.“ Die Eisenbahnen ersuchen bei drohendem Wagenmangel regelmäfsig um beschleunigte Entladung, wollen aber die sachlich und moralisch begründete Gegenseitigkeit nicht walten lassen. Ver spätungen sind ganz unvermeidlich, nicht selten sogar von den Eisenbahnen selbst verschuldet. Wissen die Werke jedoch, dafssie die Scharte durch Beschleunigung wieder auswetzen können, so werden sie doppelten Eifer beweisen, hingegen gleichgültig bleiben, wenn sie auf thatsächliche Anerkennung ihrer Bemühungen verzichten müssen. Die Privatbahnen waren weit rücksichtsvoller, namentlich die ehemalige Rheinische Eisenbahn, welche s. Z. unter Mitleitung des jetzigen Herrn Eisenbahnministers stand, genofs in dieser Be ziehung den besten Ruf. Nennenswerthe Erhebungen von Standgeldern gehörten dort zu den Ausnahmen. Auch in anderen Ländern übt man mehr Milde wie bei uns. Die grofse Pennsylvania Rail Road, eine ameri kanische Mustereisenbahn, gewährt volle 48 Stunden Entladefrist und verfährt obendrein bei Verspätungen sehr nachsichtig gegen ihre Kundschaft. Es ist keines wegs zu verkennen, dafs neuerdings die Eisenbahnen ihre frühere Schroffheit vermeiden und in begründeten Fällen die verhängten Strafwagenmiethen erlassen, aber wer möchte eine von Zufälligkeiten abhängende Gnade geniefsen, wo ihm seines Erachtens ein Recht zusteht. (»Rheinisch-Westf. Zeitung«.) Neues Eisenschutzmittel. Zur Rostschutztechnik geht uns von Hrn. Bau- rath G. J u n k in Charlottenburg ein längerer Beitrag zu, dem wir Folgendes entnehmen: „Es dürften wohl wenige Eisenbahn - Techniker sein, welche nicht zugeben, dafs die heute gebräuch lichen Eisenschutzmittel noch verbesserungsfähig sind, und dies vorausgesetzt, dürfte es nicht sehr gewagt erscheinen, hier auf ein erst jüngst — aber nach mehrjähriger Bewährung — im Grofsbetrieb dar gestelltes „Rostschutzmaterial“ aufmerksam zu machen, welches den Anforderungen nach jeder Richtung hin zu entsprechen scheint, ohne weder Uebelstände nach sich zu führen, noch dem Praktiker Er schwerungen aufzuerlegen, nämlich: die „Schuppen panzerfarbe“ von Dr. Graf & Co. in Berlin. Das Eigenthümliche dieser Farbe ist, dafs sie nicht, wie z. B. alle Blei- und Zinkfarben, auf dem Princip der Metallseifen beruht. (Eine ganz dünne Schicht von Eisenseife, welche ja von vorzüglicher Wirksamkeit ist, wird sich allerdings unmittelbar auf den ge strichenen Metallflächen bilden, wenn diese vorher leicht oxydirt sind.) Vielmehr erhält der dazu dienende Leinölfirnifs eine eigenartige Behandlung (ohne Blei glätte), welche mit der Ozonfabrication in nahem Zusammenhänge steht, und durch welche der Firnifs die nöthige Zähigkeit und Trocknungsfähigkeit er langt. Der beigemengte Farbstoff ist sodann nicht staubförmig, sondern er besteht aus mikroskopisch dünnen, biegsamen, chemisch kaum aufschliefsbaren, auch der Glühhitze widerstehenden, giftfreien Schüpp chen; diese legen sich beim Anstrich „fugendeckend" (wie ein Schuppenpanzer) übereinander und schützen derart die zwischengelagerten minimalen Firnifs- schichten, welche somit ihre Elasticität lange Zeit bewahren, da das Entweichen der flüchtigen Sub stanzen und das Zudringen der Atmosphärilien u. s. w. nur immer an den Rändern der Schüppchen ein treten und eine neue Schicht nur angegriffen werden kann, nachdem die überliegende Schicht zerstört ist. Das Breitenmafs der Schüppchen entspricht nun nach jeder Richtung etwa der Dicke eines kräftigen Oelfarbenstriches = etwa 1/4 mm, und auf die Dicke eines solchen Anstriches entfallen durchschnittlich etwa 10 Schüppchenschichten. Aus diesen leicht zu prüfenden Angaben kann man ein rechnungsmäfsig anschauliches Bild ge winnen.