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774 Nr. 9. STAHL UND EISEN.“ September 1891 » 3. Viel zu wenig ist bei allen bisherigen Verhand lungen über die Schulfrage, die Wichtigkeit des höheren Schulwesens für die gewerblichen Kreise, für die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie zur Geltung gekommen. Auf dieser Leistungs fähigkeit beruht aber zum grofsen Theil Deutsch lands Weltsteliung in Frieden und Krieg, zu deren Erhaltung die Industrie die materiellen Mittel, die Technik die Waffen und Werkzeuge liefert. Deshalb ist es Aufgabe der Schulreform, in viel höherem Mase als bisher durch Pflege der neusprachlichen und naturwissenschaftlichen Bildungsmittel die gewerblichen Kreise der Be völkerung zu hohen Leistungen zu befähigen. Damit die Entwicklung der Privatindustrie infolge der von der Reichsregierung vorgelegten Gesetzentwürfe über elektrische Anlagen und über das Telegraphenwesen weder durch die zu erlassenden polizeilichen Bestimmungen noch durch die für die Reichspostverwaltung in Anspruch genommenen Vorrechte mehr, als im öffentlichen Interesse nöthig, gehemmt werde, hat der Verein bereits Eingaben an den Reichskanzler und an den Reichstag gerichtet. Der Vorstand wird beauftragt, weitere Schritte in dieser Richtung zu thun. Dem Kaiser!. Patentamt wird der Verein eine Denkschrift einreichen, in welcher Vorschläge gemacht werden, um mit den Neueinrichtungen des Patentamts auch eine Verbesserung seiner Veröffent lichungen eintreten zu lassen. Für wissenschaftliche Arbeiten bei Gelegenheit der Frankfurter Internationalen Elektro technischen Ausstellung werden 2000 K be willigt und für Festigkeitsversuche an ebenen Wan dungen von Dampfkesseln 2500 K Hrn. Prof. G. Bach- Stuttgart zur Verfügung gestellt. Die nächstjährige Hauptversammlung wird in Hannover und Braunschweig stattfinden. Die gehaltenen Vorträge boten eine reiche Fülle interessanten Stoffes. Hr. Ingenieur E. Schrödter hatte in seinem Vortrage über die Industrie in dem Niederrheinischen Bezirksverein und dem Bezirksverein an der niederen Ruhr die Aufgabe übernommen, seine Zuhörer mit den hauptsächlichsten Zweigen des Grofsgewerbes dieser beiden Bezirke bekannt zu machen. Aus seinen Angaben sei insbesondere eine bisher noch nicht bekannt gegebene Zusammenstellung der 24 neuen Schächte des Ruhrbeckens (davon 5 im Regierungsbezirk Düsseldorf) erwähnt, die eine erheb- liehe Vergröfserung der Leistungsfähigkeit des rheinisch- westfalischen Kohlenbergbaues darstellen. Bezüglich des Verkehrswesens spricht der Redner seine Ansicht unverhohlen dahin aus, dafs der Riesen verkehr der Eisenbahnen nicht wegen, sondern trotz der Verstaatlichung der Eisenbahnen sich ent wickelthabe, und sucht diese Ansicht durch Anführung einiger Mängel zu begründen die naturgemäfs dort, wo der Verkehr am lebhaftesten pulsirt, auch am fühlbarsten auftreten. Der Vortragende schliefst mit einem Hinweis auf die grofsen Dienste, welche die niederrheinischen Industriellen dem Gesammtwohl geleistet haben. Hr. Kaiserl. Marine-Bauinspector Prof. G. Busley sprach über Deutschlands Schnelldampfer und ihre Besichtigung durch Kaiser Wilhelm II. Der Vortragende schilderte zunächst kurz die Ent wicklung der Segelschiffahrt bis zum Beginn dieses Jahrhunderts und den Uebergang zur Dampfschiffahrt. Die fortwährend sich steigernden Ansprüche des Publikums an Schnelligkeit, Sicherheit und Bequem lichkeit der Seefahrt haben unter den betheiligten Nationen und Industrieen einen Wettbewerb hervor gerufen, in welchem Deutschland unstreitig die erste Stelle eingenommen hat, indem seinen beiden grofsen Gesellschaften, dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg - Amerikanischen Packetfahrt - Actien - Gesell schaft, 7 Schnelldampfer zur Verfügung stehen, welche für die Seereise von Southhampton nach New York nur 6 bis 7 Tage brauchen, während England zur Zeit nur 4, Frankreich nur 1 Dampfer von nahezu gleicher Schnelligkeit aufzuweisen haben. Der Vor tragende warnt übrigens davor, aus einmaligen be sonders glücklichen Fahrten sich ein Urtheil über die Durchschnittsleistung zu bilden. Er hebt hervor, welch grofse Zahl von günstigen Umständen Zu sammenwirken mufs, um solche kürzeste Reisedauer zu ermöglichen. Der Redner berichtete dann, zum Theil aus eigener persönlicher Erfahrung, über das eingehende Interesse, welches Kaiser Wilhelm diesem Theile unserer in dustriellen Entwicklung widmet, und schildert aus führlich dessen Besuch an Bord des neuesten Schnelldampfers .Fürst Bismarck“. Ausführliche Pläne dieses Schiffes, auf denen der Weg des Kaisers durch die Maschinen- und Kesselräume kenntlich gemacht war, sowie grofse Zeichnungen der Dampfmaschinen und Kessel unterstützten die Ausführungen des Redners. Von ganz besonderem Interesse waren ferner für die Zuhörer die Modelle des Schnelldampfers Columbia und seiner dreifachen Expansionsmaschine, welche die Direction der Hamburg-Amerikanischen Packet- fahrl-Actien-Gesellschaft zu diesem Zwecke hergegeben hatte. Freudigen Wiederhall werden allerwärts die freund lichen Worte finden, welche der Kaiser nach Besichtigung des Schnelldampfers .Fürst Bismarck“ an Hrn. Prof. G. Busley richtete. Er sprach etwa Nachstehendes: Es hat mich gefreut, dieses stolze Schiff und seine mächtigen Maschinen in vollem Betrieb besichtigen zu können; aber eine noch viel lebhaftere Freude empfinde ich darüber, dafs nach den mir soeben ge wordenen Eindrücken dieser, deutschem Fleifs und deutscher Ausdauer entsprungene, Dampfer sich allen gleichartigen Erzeugnissen anderer Völker würdig an die Seite stellen kann. Möge Deutschlands Industrie auf dem hiermit beschrittenen Pfade sich würdig weiter entwickeln und mögen die deutschen Ingenieure auch in Zukunft bestrebt sein, stets den höchsten Anforderungen zu genügen. Der hierauf folgende Vortrag des Herrn Ober ingenieurs B. Gerdau-Düsseldorf behandelte die Lösch- und Ladeeinrichtungen für Schiffe und Eisenbahnen. Der Aufschwung der deutschen Industrie in den letzten 20 Jahren und die starke Zunahme unseres Ver kehrs hat, wie der Redner einleitend darlegt, auch ein stärkeres Bedürfnifs an mechanischen Mitteln zur beschleunigten Waarenbewegung in den Häfen und Güterstationen zur Folge gehabt. An Stelle der bisher verwendeten Hebewerke für Hand- und Dampfbetrieb hat man neuerdings auch in Deutschsand mehrfach centrale Kraftversor gungen für Lösch- und Ladeeinrichtungen angelegt, bei denen von einer mit den besten Mitteln ausge statteten centralen Maschinenanlage aus ein Kraftmittel an die einzelnen Lösch- und Ladehebezeuge übergeführt wird. Dadurch gestalten sich die einzelnen Hebevor richtungen wesentlich einfacher, die Handhabung wird sicherer, ihre besondere Wartung fällt fort, und der Betrieb wird wesentlich billiger. Von den verschiedenen Systemen der Kraftüber tragung: durch Druckwasser, Prefsluft, Elektricität und unmittelbare Dampfzuleitung, stellt sich hinsicht lich ihres wirthschaftlichen Werthes nach den Dar-