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546 Nr. 7. »Stahl und eisen? Juli 1891. Studien über den Martinofenbetrieb mit basischer Schlacke. Von Wilhelm Schmidhammer, Ingenieur in Resicza. Als Thomas und Gilchrist die hütten männische Welt mit ihren Entphosphorungs- Versuchen in Staunen und Aufregung versetzten, war die Bedingung, dafs zum Gelingen der Ent phosphorung eine stark basische Schlacke nöthig sei, schon ziemlich allgemein bekannt, wenn diese Erkenntnifs auch durch Vorurtheile verdunkelt war. Es hatte darüber Gruner schon manches geschrieben, und Lowthian Bell sowie Snelus hatten eingehende Versuche auch im grofsen durch geführt. Bell hatte jedoch vorerst nur eine Reinigung des Roheisens vor Augen, ohne zu gleich die vollständige Entkohlung in einem Procefs anzustreben, die noch dem Puddelofen Vor behalten blieb. Einen ähnlichen Vorgang befolgte auch die Kruppsche Reinigungsarbeit. Snelus war durch gröfsere Reorganisationsarbeiten an der Fortsetzung seiner Versuche gehindert. Mittlerweile drängten die Erfolge des Thomas- Gilchristschen Verfahrens im Converter den Flamm ofen in den Hintergrund, so dafs sich die An wendung der basischen Zustellung bei demselben in aller Stille da und dort einbürgerte, ohne dafs für dieselbe von irgend Jemand Patentabgaben gefordert worden wären. Thomas und Gilchrist erwähnen wohl in ihrem ersten Patentanspruch die Anwendung des basischen Futters auch für Flammöfen, scheinen jedoch diese Seite ihres Patentes nicht weiter verfolgt zu haben. Die ersten Nachrichten über die damit er zielten Erfolge, welche aus Dombrova und Alexandrowsk* stammen, ermunterten zum Versuche auch an anderen Orten. Der Umstand, dafs bei einigermafsen ge schickter und sachgemäfser Behandlung des basischen Zustellungsmaterials sowohl bei Her stellung der Böden als Instandhaltung derselben die Schwierigkeiten im laufenden Betriebe be deutend geringer sind als bei den älteren sauren Böden, erklärt die rasche Vermehrung der Werke, welche auf den basischen Betrieb übergingen. Die vorzügliche Qualität des Productes, selbst bei Verwendung von minderwerthigem Roh material, mufste selbstverständlich überall zur Aufnahme von Versuchen aneifern, die dann aus oben angeführtem Grunde bald zum ständigen Betriebe führten. Die Vortheile der Herdschmelz arbeit mit basischer Schlacke gegenüber jener mit saurer Schlacke sind sehr mannigfach und lassen sich am besten würdigen, wenn man die Schwierigkeiten betrachtet, mit welchen die ältere Betriebsweise zu kämpfen hatte. * Vergl. »Stahl und Eisen« 1882, S. 478. Vor Allem war die Qualitätsfrage mafsgebend, da es als ausgemachte Sache galt, dafs im Martin ofen die Reinigung des Metalles von Phosphor nicht möglich sei, was für jene Verhältnisse auch richtig war, daher mufste bei der Auswahl der Rohmaterialien mit der gröfsten Sorgfalt vor gegangen werden. Es waren auch nur jene Hütten imstande, ein Product von wirklich guter Qualität zu erzeugen, welche über Rohmaterialien von entsprechender Reinheit verfügten. Aber auch für diese stellte sich bei der steigenden Production Mangel an jenem Theil dieser Roh materialien ein, der in der gröfseren Menge be- nöthigt wurde. Der alte Martinprocefs wird ja meist als Mischprocefs durchgeführt, wobei der Gesammtkohlenstoffgehalt des eingesetzten Roh eisens und Schrotts nicht viel jenen des be absichtigten Endproductes übersteigt. Die saure Schlacke darf nicht viel Eisenoxyde aufgelöst enthalten, da sie sonst die Ofenzustellung un- verhältnifsmäfsig rasch zerstört: daher übt sie auch eine geringe frischende Wirkung auf das Metallbad. Aus diesem Grunde mufs der Einsatz aus einer geringen Menge Roheisen und einer gröfseren Menge entkohlten Eisens (Schrott) zusammengesetzt werden. Dieses Verhältnifs schwankt zwischen 25 : 75 und 30 : 70. Es ist klar, dafs man über die Qualität des verwendeten Roheisens leicht im klaren sein konnte, wenn die Bezugsquelle bekannt war. Anders verhielt es sich mit dem Altmaterial oder Schrott, so bald man mit dem auf der eigenen Hütte ab fallenden nicht mehr ausreichte. Der Ankauf war dadurch schwierig und unsicher. Daher findet man überall das Bestreben her vortreten, durch künstliche Mittel im Martinofen eine stärkere Oxydationswirkung hervorzubringen, um auf diese Art die Menge des Roheisens im Einsatz vergröfsern zu können. Man versuchte mittels Röhren Wind in das Bad einzublasen, wie es Würtemberger durchgeführt; ja man construirte einen Forno-Gonvertiseur, der jedoch bald in Vergessenheit kam. Andererseits wollte man durch Hinzufügung von Eisenoxyden zum Metallbad Sauerstoff mit denselben in das Metall bad bringen. Darauf zielten die Erzblooms von Ellershausen und Jos. von Ehrenwerths Versuche im Grazer Stahlwerk und Ludwig Tunners in Donnawitz bei Leoben. In Neuberg verwendete man Hammerschlag, welcher in Blech hülsen eingeschlossen war. Jedoch mit allen diesen Mitteln konnte man keine durchgreifenden Erfolge efzielen, da durch die frische Schlacke der Ofen zu sehr litt, und