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STAHL UND EISEN. Nr. 8. 662 August 1891. Einkommensteuergesetz und Actiengesellschaften -fr ... cse Wgb Die Handelskammer zu Hannover hat an den Finanzminister Dr. Miquel eine Eingabe gerichtet, in welcher darauf hingewiesen wird, dafs sich infolge des. neuen Einkommen- bezw. Gewerbesteuergesetzes neue Einrichtungen bezüglich der Ermittlung des steuer pflichtigen Einkommens der Actiengesellschaften em pfehlen. In der That kommen bei den genannten Gesetzen Gesichtspunkte in Betracht, die eine an gemessene Ermittlung jenes Einkommens nicht allein für die Actiengesellschaften, sondern auch für den Staat und die Communen wünschenswerth machen, die an der gesunden Weiterentwicklung unserer Actienunternehmungen ein um so gröfseres Interesse haben, als die neue Steuergesetzgebung dem Staat in der Form der Einkommen- und Gewerbesteuer einen sehr bedeutenden Gewinnantheil der Gesell schaften sichert. Actiengesellschaften, welche sich in bedrängter Lage befinden, haben sich vielfach dadurch wieder auf eine gesunde Basis gebracht, dafs sie unter Reduction des ursprünglichen Actienkapitals Vor- zugsactien ausgeben. Die Reduction des alten Actien kapitals erscheint dabei in der Bilanz als Gewinn, welcher zu Abschreibungen verwandt wird. Diese so lediglich buchmäfsig erzielten Gewinne belaufen sich häufig auf sehr hohe Beträge. Die in den 70er Jahren vorgenommene Reduction des Actienkapitals der Westf. Union zu Hamm betrug z. B. 11 000 000 «(, bei der Dortmunder Union noch erheblich mehr. Wenn nun der Staal von diesen Summen 4% Einkommen steuer und 1% Gewerbesteuer und die Communen etwa das Doppelte der Einkommensteuer verlangen sollten, dann würde allein durch diese, Millionen be tragenden und deshalb unbezahlbaren Ansprüche von einem rein fictiven Gewinn die Umformung der Gesellschaften ganz unmöglich gemacht werden. Ebenso werden Staat und Commune künftig ihre Procente von dem Betrage erhalten, zu welchem solide Gesellschaften neue Actien über Pari begeben. Endlich erregt die Abschaffung des § 16, betreffend Einkommen der Actiengesellschaften, vielfach Bedenken. Derselbe lautet: „Als steuerpflichtiges Einkommen der im § 1 Nr. 4 und 5 bezeichneten Steuerpflichtigen, (das sind namentlich Actiengesellschaften, Commanditgesell- schäften auf Actien und Berggewerkschaften) gelten unbeschadet der Vorschrift in § 6 Nr. 1 die Ueber- schüsse, welche als Actienzinsen oder Dividenden, gleichviel unter welcher Benennung, unter die Mit glieder vertheilt werden und zwar: unter Hinzurechnung der zur Tilgung der .Schulden oder des Grundkapitals, zur Verbesserung oder Geschäftserweiterung, sowie zur Bildung von Reserve fonds — soweit solche nicht bei den Versicherungs gesellschaften zur Rücklage für die Versicherungs summen bestimmt sind — verwendeten Beträge, jedoch nach Abzug von 31/2% des eingezahlten Actienkapitals.“ Der Wortlaut dieses Paragraphen kann zu der Auffassung führen, dafs bei Actiengesellschaften nicht nur das Einkommen besteuert werden soll, sondern aufserdem noch Beträge, welche mit dem Einkommen gar nichts zu thun haben. Die Schulden müssen abge tragen werden, gleichviel ob die Gesellschaft verdient oder verloren hat. Mit dem Ausdruck »Schulden« werden Kapitalschulden gemeint sein, obgleich dies aus dem Wortlaut nicht hervorgeht. Die Hypotheken schulden sind wirthschaftlich nur dadurch von anderen Schulden verschieden, dafs sie in der Regel nur bedingt kündbar und daneben sicherer gestellt sind. Mit gleichem Rechte könnte man auch die Rückzahlung anderer Schulden mit einer Steuer belegen. Schuld- abtragungen, sowie Ausgaben für Verbesserung und Erweiterung der Anlagen werden aber aus den Mitteln bestritten, welche der Gesellschaft zur Verfügung stehen. Wenn ein gröfseres Werk z. B. in seinen Reserven an Werthpapieren 1 000 000 Jt, besitzt und diese in einem Jahre dazu verwendet, um ein ganz neues Werk zu bauen, so wird bei richtiger Buchführung unter den Activen nur ein Substanzwechsel statlfinden. Statt der 1 000 000 « Werthpapiere werden die Anlagen um diesen Betrag höher erscheinen. Und wenn diese verfügbaren Bestände dazu verwandt werden, um Hypotheken zu tilgen, so wird dadurch der Vermögensbestand der Gesellschaft d. h. der Unterschied zwischen Activen und Passiven nicht im geringsten geändert. Die Activen werden genau um denselben Betrag wie die Passiven vermindert werden. Die Steuer soll vom Einkommen d. h. vom Gewinn erhoben werden; der § 16 kann nur die Bedeutung haben, dafs Ausgaben für Hypotheken tilgungen und für Werksverbesserungen nicht zu Lasten des Betriebes d. i. der Gewinnrechnung ver bucht werden dürfen. Nur wenn letzteres geschehen ist, wenn also der Gewinn durch eine solche Ver rechnung verkleinert wurde, dann sollen diese Aus gaben wieder zum Gewinn-gerechnet werden. Es erscheint bei dem angegebenen Wortlaut des § 16 des Geselzes aber dringend wünschenswerth, i’afs über dessen Bedeutung eine klare Instruction ge geben wird; denn es ist Thatsache, dafs auf Grund der bisherigen Gesetze die Communen vielfach von den Actiengesellschaften aufser vom* Gewinn, d. h. vom Einkommen, Steuern von Ausgaben für Schulden tilgungen uud Staatserweiterungen beansprucht haben. Aus allen diesen Gründen und weil durch strenge, kurzsichtige fiscalische Mafsregeln die gesunde Ent wicklung der Actienunternehmungen aufs äufserste gefährdet werden kann, ersucht die Handelskammer zu Hannover den Finanzminister, dafs der Staat etwa für jede Provinz besonders qualficirte, namentlich mit der kaufmännischen Buchführung vertraute Beamte ernenne, welche an den Verhandlungen der Gesellschaftsorgane, welche die Bilanzfeststellung betreffen, auf Wunsch jener Organe theilzunehmen hätten. Diese würden nach kurzer Zeit in der Lage sein, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob bei der Feststellung der Bilanzen der Actiengesellschaften nach richtigen oder unrichtigen Grundsätzen ver fahren wird. Wenn der Staat von jetzt an aus seiner Gewinn betheiligung bei den Actiengesellschaften sehr bedeutende Einnahmen haben wird, dann dürfen die Gesellschaften wohl erwarten, dafs die zur Prüfung der Gesellschaftsrechnungen bestellten Beamten auch mit der allgemein üblichen und durch die Artikel 28, 29 und 31 des Handelsgesetzbuches vor geschriebenen kaufmännischen Buchführung vertraut sein müssen. .e ... ' 6702 3 -e ogro ■