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den nämlichen Temperaturgegenden. Endlich liegt bei 800° auch der Punkt, wo die mag netische Kraft des Eisens verschwindet. . Somit steht es auch für uns fest, dafs das Eisen oberhalb der Rothgluth eine andere Constitution hat, wie bei gewöhnlicher Temperatur. Bei einem 0,5 % übersteigenden Kohlenstoffgehalt fällt der Ueber- gang von a- und ß-Eisen mit der Carbidaus scheidung zusammen. Beide Vorgänge sind aber durchaus verschieden und nur insofern ursächlich verbunden, als die eine Molecularbewegung die andere auslöst. Bis soweit sind wir mit den Thatsachen und Osmonds Interpretation in Uebereinstimmung. Nun aber kommt der überaus gewagte Gedanken sprung: Das ß-Eisen ist glashart und spröde, das a-Eisen weich und zäh. Und da dies ein mal so ist, ist auch der Kohlenstoff kein direct härtender Bestandtheil. Und weil er das nicht ist, mufs die Naturhärte von weifsem Roheisen und Stahl daher kommen, dafs der Kohlenstoff durch seine Gegenwart das ß-Eisen veranlafst auch beim langsamen Erkalten nicht ganz in C-Eisen überzugehen. Da die künstliche Härtung durch Abschrecken nicht beim reinen Eisen, sondern nur beim Kohlenstoffeisen erzielt werden kann, so mufs dem Kohlenstoff auch noch die Kraft innewohnen, den Uebergang von «-Eisen in ß-Eisen zeitlich zu verlängern und zwar nicht der ganzen Menge, sondern eines dem C-Gehalte proportionalen Bruchtheils. Wohl fühlend, dafs diese Hypothesenpyramide doch ein Fundament haben müsse, berichtet Osmond über ein eigens von ihm ausgesonnenes und zu seinen Gunsten ausgefallenes Experiment. Er verwendet einen Stahl mit 0,5 G, bei dem der aufsergewöhnliche, von der Umwandlung des ß-Eisens in a-Eisen herrührende Punkt noch nicht ganz mit dem Carbidpunkt zusammenfällt. Nach seiner Theorie mufs, wenn das Abschrecken zwischen beiden Punkten vorgenommen wird, das Metall keine Härte annehmen, trotzdem der Kohlenstoff gleichmäfsig legirt bleibt. Man mufs zugeben, dafs, wenn man uns einen Stahl vor legte, der bei völlig legirtem Kohlenstoff doch die Weichheit des langsam abgekühlten, carbid reichen Stahls hätte, unsere alte einfache Här tungstheorie fallen müfste. Hören wir, was über das fragliche Experiment mitgetheilt wird. „Man findet: 1. Das Abschrecken vor dem oberen Punkt giebt einen normal gehärteten Stahl, hart beim Feilen, mit seinem Kohlenstoff in Form von Härtungskohle. 2. Nach der Härtung zwischen den beiden Punkten ist der Kohlenstoff noch im Zustande der Härtungskohle, aber das Metall ist weich beim Feilen. 3. Wenn man unterhalb des Garbidpunktes härtet, ist das Metall noch weicher (doux ä plus forte raison) und der Kohlenstoff im Zustand des Carbids.“ Das ist Alles, was über ein Experiment von so aufserordentlicher Tragweite berichtet ist. Es wäre aber eine genauere Mittheilung der Ver suchseinzelheiten um so mehr am Platze gewesen, als die quantitativen Bestimmungen anfechtbar sind. Erstens ist es sehr schwierig, die Härtung ad 2 in dem so engbegrenzlen Temperatur abschnitt vorzunehmen; zweitens ist die Härte prüfung mittels der Feile roh und drittens ist die von Osmond beliebte Carbidbestimmung durch Betupfen mit Salpetersäure erst recht unzuverlässig. Uebrigens geht aus dem obigen Wortlaut noch hervor, dafs der Stahl ad 2 nicht ganz weich geblieben, sondern halb gehärtet war. Demnach mufs dem gedachten Osmondschen Versuch jede Beweiskraft abgesprochen werden. In gleicher Weise hat sich Howe gegen Osmonds Theorie und Versuch erklärt. Letzterer sucht trotzdem in seiner jüngsten Veröffentlichung seine Theorie zu vertheidigen, sagt aber nichts Neueres über seinen Versuch. Ein von Howe ausgeführtes Experiment, bei dem übrigens Aetz probe und Feile ebenfalls Verwendung findet, deutet Osmond zu seinen Gunsten. Aus den ent gegengesetzten Interpretationen geht wohl am besten hervor, dafs Beider Experiment weder nach der einen noch der andern Richtung ent scheidend sind. Diese Erkenntnifs mag in Osmond den Entschlufs gereift haben, nunmehr den Stier bei den Hörnern zu packen und zu versuchen, reines Eisen durch sehr schnelle Ab kühlung mittels Kältemischungen glashart zu machen. Was er in dieser Hinsicht gefunden, ist, dafs ein weicher Stahl mit 0,30 G, welcher im gewöhnlichen Zustande die Festigkeit 50° besafs, nach dem Abschrecken in einer Kälte- mischung 128 K pr. qmm trug. Aehnlich stieg die Festigkeit eines Flufseisens mit 0,22 G von 42 auf 97. Es ist kaum erforderlich festzustellen, dafs diese Versuche nicht das beweisen, was sie beweisen sollen. Denn erstens sind beide Stäbe kohlenstoffhaltig. Zweitens ist nicht die Härte, sondern die Festigkeit ermittelt. Wir können überzeugt sein, dafs beide Stäbchen sich nach dem Härten haben gut feilen lassen. Es wird nie gelingen, kohlenstofffreies Eisen auch nur an nähernd in den Zustand der Härle zu versetzen, wie Kohlenstoffstahl oder weifses Roheisen. Wir stehen am Schlufs unserer heutigen Umschau. Wir hoffen, dafs es uns gelungen, auch den Fernerstehenden über den jetzigen Stand unserer Erkenntnifs der kritischen Vor gänge im Innern der Eisenkohlenstofflegirungen aufzuklären und die grofsen Verdienste ins Licht zu setzen, welche sich Osmond bei der experi mentellen Begründung jenes Gebiets erworben. Das von ihm geförderte reiche und vielseitige Beobachtungsmaterial ist von unvergänglichem wissenschaftlichen Werth, auch wenn einige daran geknüpfte Theorieen sich als unannehm bar erwiesen.