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August 1891. STAHL UNI) EISEN.“ Nr. 8. 641 wird. Später ermittelte Osmond mit dem Thermo- Element die Erwärmungscurven für ungehärteten und gehärteten Werkzeugstahl. Die erstere ver läuft gleichmäfsig bis zum Carbidpunkle. Die Curve des abgeschreckten Stahls aber zeigt durch eine Senkung zwischen 200° und 520° das Freiwerden von Wärme im Innern des Stäbchens. Das Minimum der Curve liegt bei 350°. Ober halb 520° zeigt sie einen normalen Verlauf bis 30° unterhalb des Carbidpunkts, wo merkwürdiger weise noch eine kurze Senkung liegt. Gleich darauf aber kündet die lange aufwärts gerichtete Spitze, dafs die kritische Temperatur erreicht ist, bei der sämmtlicher zuvor ausgesonderter Carbidkohlenstoff wieder von der Grundmasse zu einer gleichmäfsigen Legirung aufgelöst wird. § 7. Die mitgetheilten Thatsachen enthalten zu gleich eine Erklärung der Härtung und theil- weisen Enthärtung der Eisenkohlenstofflegirungen. Alles was diese Legirungen vom reinen Eisen unterscheidet, insonderheit der erniedrigte Schmelz punkt und die gesteigerte Härte ist doch offen bar die Wirkung des Kohlenstoffs. Selbstredend kommt dabei nur der in gleichmäfsiger Legirung betindliehe Kohlenstoff in Frage, während der jenige, welcher in Form von Graphit oder Carbid ausgeschieden wird, keinen nennenswerthen Ein- Hufs haben kann. Deshalb ist der langsam ab gekühlte Stahl verhältnifsmäfsig weich, da er infolge der freiwerdenden Umsetzungswärme bei der kritischen Temperatur lange genug verweilt, um drei Viertel seines Kohlenstoffs auszuscheiden. Falls aber durch gewaltsame Abkühlung bis unter 100° den Kohlenstoffmolecülen keine Zeit gelassen wird, sich zu Carbid zusammenzuscharen, mufs der Stahl hart bleiben. Analoge Verhält nisse bestehen auch hinsichtlich der Graphit ausscheidung beim grauen Roheisen. Alles das ist so einfach und zutreffend, dafs man kaum begreift, wie eine durchaus abweichende Theorie der Stahlhärtung auffindbar sein sollte. Und dennoch ist dies geschehen. Osmond selber ist cs gewesen, von dem der Rückschlag ausging. Nach seiner Auffassung rührt die Härte des Stahls oder weifsen Roh eisens gar nicht von Kohlenstoff her, sondern von einer harten Modification des Eisens selber. Letzteres tritt in zwei Zuständen auf, als Hart eisen und Weicheisen. Harteisen existirt für sich nur oberhalb der kritischen Temperatur; beim Ueberschreiten derselben findet die Umlage rung in Weicheisen statt. Der Kohlenstoff wirkt nur indirect, indem er den Uebergang in die zweite Eisenart verhindert. Folgerichtig wird auch die Naturhärte von Wolframslahl dem C-Eisen zugeschrieben. Ja die durch Hämmern und Kaltwalzen hervorgerufene Härte hat Osmond in seinen älteren Veröffentlichungen auf die Um wandlung von ß-Eisen in a-Eisen zurückgeführt. Für einen Unbefangenen klingt dies ebenso selt sam, als wenn Jemand meinte, die Härte der Bronze rührte nicht von der Kupferzinnlegirung als solcher, sondern von ß-Kupfer her, oder als wenn man sagte, im Zuckerwasser sei das Wasser süfs geworden. Selbstverständlich entspringt Osmonds Theorie nicht einer blofsen Laune, sondern es liegen Thatsachen vor, welche seiner Meinung nach zu ihrer Annahme führen müssen. Da ist zu nächst das Verhalten der kohlenstoffarmen Eisen arten während des Erkaltens. Die betreffenden Curven zeigen oberhalb des Carbidpunkts noch zwei schwache Verzögerungen in der Abkühlung. Wir haben also statt des einen kritischen Punkts deren drei zwischen 900 und 600°. Bei wachsen dem C-Gehalt verschwindet zuerst der obere (1), während 2 näher an den Garbidpunkt 3 rückt. Sobald mehr als 0,5 C vorhanden, verschwindet auch 2 und wird scheinbar von 3 aufgesogen. Aehnlich dem Kohlenstoff haben nach der letzten Veröffentlichung Osmonds auch Ni, Si, Al, P die Wirkung, dafs die beiden Punkte 1 und 2 verschwinden, während As und Gu diesen Ein- Hufs nicht zeigen. Sehr merkwürdig verhielt sich elektrolytisches Eisen, indem beim oberen Punkte eine derartige Wärmeentbindung eintritt, dafs das Thermometer bei 855° längere Zeit feststand. Ueber die Dar stellungsweise des verwendeten Eisens ist nichts angegeben, jedenfalls ist die der Elektrolyse unterworfene Lösung G-haltig (Eisencyanid) gewesen, da die Probe 0,08 G enthielt. Uebrigens ist elektrolytisches Eisen stark mit Wasserstoff legirt und zeigt deshalb ein von dem auf trockenen Wege erhaltenen Eisen völlig abweichen des Verhalten. Es wäre demnach wünschenswerth, wenn Osmond Gelegenheit nähme, ein wirklich reines Eisen, wie es durch Umschmelzen redu- cirten Eisens im Magnesittiegel erhalten werden kann, nach seiner Methode zu untersuchen. Indem wir uns über die Ursachen der soeben erwähnten aufsergewöhnlichen kritischen Punkte Rechenschaft zu geben suchen, gelangen wir zu der Ueberzeugung, dafs sie auf Wandlungen im molecularen Gefüge des Eisens selber deuten. Denn sie zeigen sich ja beim reinen Eisen und losgelöst vom Carbidpunkt. Auch anderweitige Thatsachen sprechen für jene Structurveränderung des Eisens. So ergaben die Untersuchungen von Pionchon,* dafs die sp. Wärme des Eisens zwei anormale Steigerungen erfährt, die erste zwischen 660° und 720°, die zweite zwischen 1000° und 1050°. Und, was die Hauptsache ist, es wurde das eigenthümliche Verhalten nicht blofs beim Handelseisen, sondern auch beim reinen reducirten Eisen beobachtet. Weiter zeigte die als Function der Temperatur gedachte thermo elektrische Kraft des Eisens Gangänderungen in * Gomptes rendus GII, 677; Gill 1122.