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zunächst das allgemeine Resultat heraus, dafs innerhalb der nächsten 200 0 keine Störung ein tritt. Eine einzige Ausnahme bot nur das oben erwähnte phosphorreiche Roheisen C. Dasselbe gab beim Abkühlen bei 900 0 eine deutliche Wärmeentwicklung zu erkennen, welche wahr scheinlich mit der Bildung eines Phosphids zusammenhängt; allerdings zeigte Thomasmetall vom Beginn des Ueberblasens mit 1,3 Phosphor diesen kritischen Punkt nicht. Erst in dunkler Rothgluth tritt nun die tief greifende chemische Umlagerung ein, welche in der Entwicklung der meisten Eisenlegirungen den wichtigsten Abschnitt bezeichnet. Sie besteht in der Ausscheidung der gröfslen Menge des bis dahin noch gleichmäfsig legirten Kohlenstoffs in Form eines Eisencarbids von der Zusammen setzung Fe4C. Diese Ausscheidung vollzieht sich innerhalb eines engbegrenzten Temperatur intervalls und ist von einer derartigen Wärme entwicklung begleitet, dafs bei härteren Stählen eine dem blofsen Auge sichtbare Recalescenz eintritt. In den Osmondschen Curven drückt sich der Carbidpunkt als eine aufgesetzte scharfe Spitze aus, deren Höhe der Stärke der Wärme entwicklung entspricht. Er lag bei weichem Stahl mit 0,2 C bei 660°, bei mittelhartem Stahl mit 0,0 C bei 601°, bei hartem Stahl mit 1,25 G bei 674°, bei weifsem schwedischen Roheisen bei 695°, beim Hämatitroheisen A bei 708°. Diese Zahlen gelten nur für die Ab kühlung. Auch beim Wiedererhitzen der Proben traten die Thermometerslillstände ein, aber bei 30 bis 40° höher gelegenen Temperaturen. Die Menge der beim Carbidpunkt entbundenen Wärme ist für Kohlenstoffstähle dem C-Gehalt proportional. Die einzigen Legirungen, bei denen ein Carbidpunkt in der Nähe von 700° nicht wahr genommen wurde, waren die bereits oben er wähnten Ferromangane und das Ferrosilicium. Osmond war aufserdem noch bemüht, die Gesetze experimentell festzustellen, wonach die Lage des Carbidpunkts von gewissen äufseren Umständen abhängig ist. Wir erwähnen in der Hinsicht nur, dafs die Anfangstemperatur, von welcher aus der Stahl abgekühlt wird, einigen Einflufs hat. Die mitgetheilten Zahlen gelten unter der Voraussetzung, dafs man auf 800 bis 1100° erhitzt. Geschah das Erwärmen aber nur bis auf wenige Grade über 700, so lag der Punkt etwa 15° höher. Umgekehrt zeigte sich eine entsprechende Erniedrigung, wenn harter und mittelharter Stahl über 1100° hinaus bis zum Schmelzpunkt erhitzt worden war. Der Carbidpunkt bezeichnet das Ende in der Entwicklung der Eisenlegirungen; bei weiterem Abkühlen tritt keine moleculare Umlagerung mehr ein. Worin nun der chemische Vorgang besteht, welcher die starke Wärmeentwicklung bedingt, sobald der erkaltende Stahl die kritische Tem- | peratur der Dunkelrothgluth erreicht, ist durch die chemische Untersuchung mit Sicherheit fest zustellen. Indem wir hinsichtlich der Trennungs methoden im einzelnen auf die Originalarbeiten verweisen, sei an dieser Stelle nur bemerkt, dafs Eisen, welches Kohlenstoff gleichmäfsig legirt enthält, sich leicht in kalten verdünnten Säuren löst, wobei aller Kohlenstoff in Gasform verflüchtigt oder in Lösung gebracht wird. Das Carbid Fe4C , mit 5,1° C, hingegen hinterbleibt als schwarzer Rückstand, welcher nur von kochenden Säuren langsam aufgenommen wird. Hiernach ist es möglich, die Menge des legirten und des in Carbidform ausgeschiedenen Kohlen stoffs quantitativ zu bestimmen. Eine rohe coiorimetrische Probe besteht darin, eine blank geschliffene Stelle des Stahls mit verdünnter Salpetersäure anzuälzen. Ist dann viel Carbid vorhanden, so entsteht ein schwarzer Fleck, fehlt es, so bleibt er weifs. Nach der angegebenen Trennungsmethode hat sich herausgestellt, dafs in langsam erkalteten Eisenkohlenstofflegirungen etwa drei Viertel des Kohlenstoffs in Carbidform ansgeschieden sind und nur ein Viertel wirklich legirt verblieb. Durch künstlich verlangsamtes Erkalten, wie es z. B. beim Ausglühen von Stahlgufs geschieht, kann der legirte Kohlenstoff bis auf ein Sechstel herabgebracht werden. Umgekehrt mufs eine plötzliche Abkühlung oberhalb der kritischen Temperatur die Ausscheidung des Carbidkohlen stoffs mehr oder weniger verhindern. Das Mengenverhältnifs des legirt gebliebenen und aus geschiedenen ist natürlich von der Schnelligkeit des Abkühlens, also von der Gröfse und Ober flächenbeschaffenheit des verwendeten Stahlstücks abhängig. In richtig abgeschreckten dünnen Stahllamellen findet man nur Spuren von Carbid. In gehärteten Stäben ermittelte Ledebur* 0,65 % legirten Kohlenstoff und 0,38 % Carbidkohlenstoff. Im abgeschreckten Stahl befindet sich der Kohlenstoff sozusagen im Zustande der Ueber- Sättigung, und die zerstreuten Molecüle trachten sich zu verdichten, sobald ihnen nur die geringste Beweglichkeit gestattet ist. Diese Beweglichkeit ist bei gewöhnlicher Lufttemperatur gleich Null, beginnt aber schon etwas oberhalb der Siede hitze des Wassers. Als der eben erwähnte Stahl Ledeburs nach dem Abschrecken auf die blaue Farbe angelassen war, fanden sich in ihm bereits 0,67 % Carbidkohle und nur noch 0,36 % legirte Kohle. Auch Osmond hat die Vorgänge beim Anlassen gehärteten Stahls in das Bereich seiner Untersuchungen gezogen. Schon früher halte er im Verein mit Werth nachgewiesen, dafs bereits bei 400° die Rückbildung in Carbid vollendet ist. Das Carbid war aber ungleich feinkörniger als dasjenige, welches im langsam aus der Glühhitze erkalteten Stahl gefunden * »Stahl und Eisen«, April 1891.