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Nr. 8. STAHL UND EISEN.“ 639 August 1891. rung beginnt etwas über 1200°, reines Eisen aber schmilzt nach Osmond bei 1500°, Stahl mit 1 % Kohlenstoff bei 1400°. Dementsprechend mufste die bei jener Temperatur schmelzende Legirung wohl 3 % Kohlenstoff enthalten. Das selbe würde auch von dem vermuthlich bei 1120° schmelzenden FSi gelten. Denn Silicium allein erniedrigt, wie oben berichtet, den Schmelzpunkt des Eisens so gut wie gar nicht. Zu der Formel Fe4C, welche 11 % Si entspricht, wurde Osmond lediglich durch den Umstand geleitet, dafs er den Schmelzpunkt von 11 procentigem Silicil bei 1130° fand. Er läfst aber unbeachtet, dafs diese Legirung ein Hochofenproduct mit 2,38 G und 2,59 Mn war. Demnach müfste sowohl die erste als die zweite Fraction 2 bis 3 % Kohlen stoff enthalten, mit anderen Worten selber Roh eisen sein. Endlich ist es doch sonderbar, dafs die dritte Fraction, welche sofort bei ihrer Erstarrung Graphit ausscheidet, weifses Roheisen sein soll. Uebrigens ist gar kein Grund vorhanden, eine so verwickelte Theorie aufzustellen. Schon in der Einleitung ist darauf hingewiesen , dafs die Thatsachen für eine fractionirte Krystallisation der Eisenlegirungen während des Erstarrungs vorgangs überhaupt nicht sprechen. Das Silicium im speciellen zeigt gar keine Neigung, weder als solches, noch in Form eines Eisensilicits aus zuscheiden. Es verdrängt im Gegentheil den Kohlenstoff aus der Grundmasse. Demnach bleiben wir bei der einfachsten Annahme, dafs auch das graue Roheisen zuerst ganz homogen erstarrt. In diesem Zustande der Homogenität verbleibt es beim Abkühlen, bis es etwa 150° tiefer den von Osmond bestimmten kritischen Punkt erreicht. Hier findet die erste Molecular- bewegung statt, welche die Kohlenstoffmolecüle zu Graphitblättchen zusammenfühlt. Bei weiterem Abkühlen bis unter 800° kann dann aus der kohlenstoffarmen Grundmasse noch eine Carbid absonderung stattfinden. Demnach besteht das langsam erkaltete graue Roheisen aus einer weichen, wenig Kohlenstoff aber alles Silicium enthaltenden Grundmasse, in welcher Graphit und Carbid eingebettet ist. Dafs die Ursache der Graphilausscheidung im Siliciumgehalt des grauen Roheisens liegt, steht längst fest. Merkwürdig ist, dafs die grau machende Wirkung des Siliciums am stärksten bei einem Gehalt von 2 bis 3 % hervortritt und dafs in hochsilicirten Eisenlegirungen die Graphit- ausscheidung wieder geringer wird. Auch ist noch der Umstand zu beachten, dafs in Stahl mit 2 % Silicium bei 1 % Kohlenstoff keine Graphitausscheidung einzutreten pflegt, während im grauen Roheisen der Kohlenstoff bis weit unter 1 %, zuweilen gänzlich, ausgeschieden wird. Man kann diese Thatsache durch eine Art Attractionswirkung der bereits ausgebildeten VIII.il gröfseren Graphitblättchen auf die noch zerstreuten Kohlenstoffmolecüle erklären. Wir können die Betrachtung der kritischen Vorgänge innerhalb der hohen, über 1000° liegenden Regionen nicht abschliefsen , ohne der wichtigen Beobachtungen zu gedenken, welche Dr. Ball im vorigen Jahre (Journ. of Iron and Steel Inst. 1890, 85) veröffentlicht hat. Dieser Forscher nahm Härtungsversuche mit einem weichen Martinstahl von 0,12 G bei sehr hohen Temperaturen vor. Die Untersuchung der ge härteten Stäbe ergab nach Ausweis der folgenden Tabelle ein Härtungsmaximum bei 1300°. Härtungs temperatur 940 1250 1293 1307 1343 1369 Absolute Festigkeit 39,8 69.4 86,2 95,7 93,4 82,6 82,3 Auch magnetische Messungen führten denselben Punkt. auf Es lag die Vermuthung nahe, dafs dieser Ballsche Punkt ebenfalls auf der Bildung neuer Moleculgruppen beruhe. Deshalb dehnte Osmond sein pyrometrisches Verfahren auf die Erkältungs vorgänge weichen Stahls in der Nähe von 1300° aus. In der That gab sich für diese Temperatur zuerst eine deutliche Wärmeentbindung kund. Indessen es verschwand dieselbe, sobald der Versuch innerhalb einer Wasserstoffatmosphäre vorgenommen wurde, und es gelang hierauf nach zuweisen, dafs die zuvor bemerkte Wärme vom Erstarren des Schlackenüberzugs der Stäbchen herrührte. Somit ist der Ballsche Punkt kein kritischer Punkt im eigentlichen Sinne, sondern er deutet auf mechanische Aenderungen im Ge füge des Stahls. Jedenfalls verdienen aber die Ballschen Beobachtungen die gröfste Beachtung. Die Thatsache, dafs ein Flufseisen mit 0,12 G und der Festigkeit 40 durch ein blofses Härtungs verfahren auf die Festigkeit 95,7 gebracht werden kann und Bessemermetall mit 0,13 G auf 91 ist gewifs geeignet, die praktischen Metallurgen zur weiteren Verfolgung dieses Gesetzes anzuregen. § 6. Hiermit verlassen wir die Region der über 1000 0 liegenden Temperaturen. Die meisten Eisenlegirungen, insonderheit das schmiedbare Eisen, durchschreiten dieselbe nach dem Mit- getheilten vom Erstarrungspunkte abwärts, ohne bemerkenswerthe Umwandlungen chemischer Natur zu erleiden. Nur die graphitausscheidenden, silicium- und kohlenstoffreichen Eisenarten er gaben einen ausgezeichneten kritischen Punkt etwas unter 1100 °. Nunmehr schicken wir uns an, den Werdeprocefs des Eisens abwärts bis zur völligen Erkaltung weiter zu verfolgen. Aus den Untersuchungen Osmonds stellt sich 5