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August 1891. STAHL UND EISEN.“ Nr. 8. 637 Zögerung oder Beschleunigung oder auch durch Stillstand und zeitweilige Umkehr der Galvano meternadel kundgeben. Um diese Verhältnisse bildlich darzuslellen, werden die Galvanometer ausschläge, d. h. die ihnen entsprechenden Tem peraturen, als Abscissen eingetragen, als Ordinaten aber die Secundenzahlen, welche bei der Durch messung des zugehörigen Scalentheils verflossen waren. Die so erhaltene Gurve, welche bei regelmäfsigem Verlauf ein Hyperbelstück von schwacher Krümmung sein müfste, wird durch Ausbuchtungen oder aufgesetzte Spitzen die kritischen Vorgänge zur Anschauung bringen. Bevor wir diese Curven genauer verfolgen, haben wir unsere Aufmerksamkeit noch auf denjenigen Temperaturpunkt zu richten, welcher im Dasein einer Legirung eigentlich am meisten kritisch ist, nämlich der Schmelzpunkt. Derselbe mufs sich in der Erwärmungscurve infolge des Latent werdens von Wärme durch eine spitze Hervor- ragung gut markiren, vorausgesetzt, dafs der Uebergang kein allmählicher ist. Als wichtigsten der so gefundenen Schmelzpunkte stellen wil den des reinen Eisens mit 1500° voran, dazu die der reinen Kohlenstofflegirungen von 0,1 C, 0,3 G, 0,9 G mit 1475°, 1455°, 1410°. Weifses schwedisches Roheisen mit 4,1 G, 0,22 Si, 0,12 Mn erstarrte bei 1085°. Die sichere Feststellung dieser wenigen Zahlen mufs als eine wahre Wohlthat bezeichnet werden. Bis dahin mufsten wir uns mit rohen Schätzungen begnügen, und alle darauf fufsenden Berechnungen schweben in der Luft. Dies trifft unter Anderm auch die früheren Theorieen des Bessemerprocesses Man war übereingekommen, den Eisenschmelz punkt bei 1600° anzusetzen, und glaubte dement sprechend, dafs zur erfolgreichen Durchführung des Bessemerprocesses das Eisenbad auf 1650° zu erhitzen sei. Jetzt wissen wir, dafs man 100° tiefer bleiben kann und dafs somit weit geringere Mengen Heizstoff im Bade zu sein brauchen, als man seither annahm. Die Praxis einiger amerikanischer Bessemerhütten hat dies bereits bestätigt. Ich hoffe, auf diesen Gegenstand bald in einem besonderen Aufsatz wieder zurück zukommen. In Bezug auf die Schmelzpunkte anderer Eisenlegirungen, welche Osmond untersuchte, sei noch erwähnt, dafs ein 10 Silicium eisen mit 2,38 G bei 1130° schmolz. Eine von Hadfield hergestellte Legirung mit 0,25 G, 4,2 Si, 0,36 Mn war bei 1400° noch ungeschmolzen. Daraus ergiebt sich, dafs Silicium den Schmelz punkt des Eisens nicht erniedrigt. Dasselbe gilt für das Aluminium. Eine Legirung mit 0,15 G, 0.20 Si, 5,08 Al schmolz erst bei 1475°. Auch Hadfield kommt in seiner, vorigen Herbst ver öffentlichten schönen Arbeit über Aluminiumstahl zu dem nämlichen Schlufs und hebt aufserdem im Gegensatz zu einer viel verbreiteten Meinung hervor, dafs die Dünnflüssigkeit des Eisens bereits durch 0,5 Al deutlich beeinträchtigt werde. § 4. Wir wenden uns nunmehr zu den Vorgängen innerhalb des erstarrten Metalls und betrachten zunächst die den Graphitpunkt enthaltende obere Region von 900° aufwärts. Es stellt sich als Ergebnifs der sehr ausgedehnten und vielseitigen Versuchsreihen Osmonds die Thatsache heraus, dafs alle Eisenlegirungen, die wesentlich nur Kohlenstoff oder Silicium oder Phosphor oder Aluminium enthalten, sich nach dem Erstarren ohne Anzeichen irgend eines kritischen Punkts bis zur Rothgluth abkühlen. Ebenso glatt be ginnen die Curven aller Legirungen mit weniger als 1,5 C, mögen darin noch andere Stoffe enthalten sein oder nicht. Merkwürdigerweise zeigte auch das bereits erwähnte Silicit unterhalb des sehr stark hervortretenden Erstarrungspunktes keine auffallende Wärmeentbindung. Auch 80 % Ferromangan mit ziemlich ausgeprägtem Er starrungspunkt bei 1210° giebt eine Gurve von gleichmäfsigem Verlauf. 20procentiges und 50°- procentiges Ferromangan dagegen, deren scharfe Schmelzpunkte bei 1083° bezw. 1145° lagen, zeigen 50° tiefer bei 1050° bezw. 1110° einen gut hervortretenden kritischen Punkt. Derselbe mufs unzweifelhaft einer Carbidbildung zugeschrieben werden, da diese Legirungen einen tiefer ge legenen kritischen Punkt überhaupt nicht hatten und gleichwohl nach Ledebur sehr bedeutende Mengen Carbid enthalten. Ein ganz besonderes Interesse hinsichtlich ihres Verhaltens in der dem Schmelzpunkt nahe liegenden Region beanspruchen selbstredend die jenigen kohlenstoff- und siliciumreichen Legirungen, welche beim langsamen Erkalten Graphit aus scheiden. Osmond unterwarf zunächst ein tief graues Hämatiteisen A der gekennzeichneten Unter suchungsmethode. Besonders eingehend wurde dann ein Giefsereiroheisen B studirt und mit demselben nicht weniger als 22 Beobachtungs reihen für Erwärmung und Erkaltung angestellt. Aufserdem wurden noch einige Curven für ein Forelleneisen C von der Mosel ausgemittelt. Die Zusammensetzung dieser drei Roheisen arten war folgende: A B C Gesammt-G . . 3,29 — 2,70 Geb. G . . . . 1,04 — 1,20 Graphit. . . . 2,25 — 1,50 Si 2,45 2,13 1,89 S 0,06 0,04 0,03 P 0,05 0,16 1,98 Mn 0,11 2,12 0,74 Bei genauerer Prüfung der Beobachtungsdaten stellt sich zunächst in Bezug auf den Schmelz punkt der besagten Legirungen heraus, dafs es nicht möglich war, denselben auf dem ein-