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Untersuchungen über den Einflufs der Wärme auf die Festigkeitseigenschaften des Eisens. Ausgeführt von der Königlichen mechanisch-technischen Versuchsanstalt in Charlottenburg. * Im Jahre 1886 beantragte der »Verein zur Beförderung des Gewerbfleifses« in Berlin und der »Verein deutscher Eisenhüttenleute« in Düssel dorf die Ausführung von Festigkeitsversuchen über den Einflufs der Wärme auf Flufseisen von ver schiedenem Härtegrade. Beide Vereine batten zur Vereinbarung des Arbeitsplanes eine Com mission gebildet, welcher seitens des Vereins für Gewerbfleifs die Herren : Geheimer Bergrath Dr. Wedding als Vor sitzender, Maschinenfabricant Hoppe, Berlin, Professor Ludewig, Berlin, Ingenieur Martens, Berlin, und seitens des Vereins deutscher Eisenhütten leute die Herren: Generaldirector Brauns, Dortmund, Generaldirector Massenez, Hörde, und Hüttendirector Minssen, Essen, nach dessen Tode Hüttendirector Asthöwer, Essen, beitraten. Die Anschauungen, welche den Verein für Gewerbfleifs leiteten und veranlafsten, mit dem zweiten Verein gemeinsam vorzugehen, sind in einem Berichte niedergelegt, den ich als Mitglied der Abtheilung für Mathematik und Mechanik des Vereins für Gewerbfleifs erstattete.** Es wird in demselben mit Rücksicht auf eingehende Verhandlungen in mehreren Abtheilungssitzungen festgestellt, dafs das Verhalten der meisten Metalle bei höheren Wärmegraden noch nicht mit genügender Sicherheit bekannt ist. Die älteren Untersuchungen in dieser Richtung sind nicht gleichmäfsig und nicht hinreichend erschöpfend durchgeführt. Ganz besonders ist dies für Stahl und Eisen innerhalb der Wärmegrade bis zu etwa 600° zutreffend. Auch die neueren und um fangreichen Untersuchungen von Dr. Kollmann, deren Ergebnisse in einer vom Verein für Gewerb fleifs preisgekrönten Arbeit niedergelegt sind, lassen wohl im grofsen und ganzen das Gesetz der Festigkeitsabnahme mit wachsender Wärme erkennen und haben im allgemeinen auch eine gute Uebereinstimmung mit den älteren schwe dischen, englischen und amerikanischen Versuchen ergeben, aber einerseits ist die Versuchsausführung * Auszug aus dem vollständigen Bericht, ent halten in Heft IV der »Mittheilungen aus den König lichen Versuchsanstalten«. Die Ited. ** Verhandlungen des »Vereins zur Beförderung des Gewerbfleifses« 1880. /Nachdruck verboten. \Gos. v. 11. Juni 1870.) eine ziemlich rohe und läfst namentlich nicht die Veränderungen erkennen, welche der Elasticitäts- modul, die Proportionalitäts- und Streckgrenze bei den Wärmegraden bis zu etwa 400° er fahren, andererseits ist es für den Constructeur wünschenswerth, eine genaue Kenntnifs derjenigen Festigkeitseigenschaften zu erhalten, welche die von ihm benutzten Metalle unter den im Be triebe vorkommenden Erwärmungen entwickeln. Manche Constructionstheile (Dampfkessel, Heiz rohren, Vacuumpfannen, Sulfitkocher u. a. m.) sind stark und häufig wechselnden Hitzegraden und hohen Druckspannungen ‘ausgesetzt. Dazu kommt noch, dafs in neuester Zeit das für diese Gonstructionen vielfach verwendete Schweifseisen mehr und mehr durch ein Material ersetzt wird, welches neben vielfachen augenscheinlichen Vor theilen auch einige Nachtheile mit sich zu bringen scheint, die in der That in dem Material als solchem oder in dem Zustande begründet sind, in welchem es zur Anwendung kommt. In dieser Beziehung hat vor allen Dingen die eigenthüm- liehe Sprödigkeit viel von sich reden gemacht, welche manches Flufseisen im sogenannten blau warmen (oder schwarzwarmen) Zustande zeigt. Trotz der vielfach angestellten Untersuchungen mangelt es immer noch an einer genaueren Erkenntnifs derjenigen Verhältnisse, welche auf die Festigkeitsänderungen der Metalle vorwiegend Einflufs nehmen und welche dieselben bedingen. Aus diesen Gründen entsprang der Antrag zu den Untersuchungen, über welche im Folgenden zu berichten ist. Als Grundlage für die Versuchsausführung wurde festgesetzt: 1. „Das zu prüfende Material soll Flufseisen sein und nach seiner Festigkeit gruppirt werden. Es sollen 4 Gruppen gebildet werden, welche den Festigkeitsstufen 36, 42, 48 und 54 kg/qmm (im ausgeglühten Zustande verstanden) entsprechen. Die erste Gruppe soll von der Qualität des Nieteneisens sein. 2. Die Art der Herstellung des Materials soll den Hüttenwerken überlassen bleiben, jedoch sollen die letzteren ersucht werden, über die Art der zur Anwendung gekommenen Hüttenprocesse sowie über alle zur Be- urtheilung des Materials und seines beson deren Zustandes wichtigen Nebenumstände möglichst genau zu berichten.