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Sollte der erstere Fall Platz greifen, so würde das im Winter erforderliche Plus von Arbeitern im Sommer jedenfalls brotlos werden, und möchte das doch — da es sich um sehr grofse Arbeiter zahlen handelt — sehr gewichtige Bedenken haben. Man kann deshalb die fragliche Einrichtung nicht ohne Weiteres über Bord werfen und braucht das auch nicht, da in der That die grofse Mehrzahl der Arbeiter Ueberschichten verfahren will und beispielsweise bei der in den letzen Tagen sich vollziehenden Wiederaufnahme des Grubenbetriebs in zahlreichen Fällen die erste Forderung der wiederanfahrenden Belegschaften auf Einlegung von Ueberschichten lautete! Nur dem Mifsbrauche der Einrichtung müfste gesteuert werden; ein solcher hat aber bisher nicht vorgelegen. Was den letzten Punkt angeht, so hat die »N. Pr. Ztg.« ganz recht, dafs während der ganzen Dauer der Arbeiterbewegung die Bergbehörden in der Tagespresse wenig oder gar nicht genannt worden sind; es möchte aber doch ein Irrthum sein, daraus zu schliefsen, dafs diese Behörden unterdessen die Hände in den Schoofs gelegt hätten. Dieselben haben im Gegentheil während der ganzen Dauer der Bewegung eine sehr leb hafte, zum Theil auch auf thunlichste Vermitte lung zwischen den Parteien gerichtete Thätigkeit entwickelt und entwickeln müssen. In der Natur solchen Thuns liegt es aber — und das sollte doch nicht überraschen —, dafs dasselbe wenig oder gar nicht an die Oeffentlichkeit tritt. Aufser dem Studium dieses Erlasses wäre dann Herrn Eschenbach noch ein Einblick in die Resultate der Bochumer Sparkassenstatistik zu empfehlen gewesen, Resultate, denen die Er gebnisse anderer grofser Sparkassen wie Essen, Dortmund, Witten u. s. w. beizufügen wären; er würde dann gelernt haben, dafs gerade von den Bergleuten — und wir freuen uns dessen von ganzem Herzen — viel gespart worden ist und noch viel mehr gespart worden sein würde, wenn sich nicht nur die Vernünftigen an diesem Sparen betheiligt, sondern auch die Masse der jüngeren Arbeiter, welche ihre Ueberschüsse zum gröfsten Theil ins Wirthshaus trägt, an dem Sparen theil genommen hätte. Das Alles hätte, wie gesagt, Herr Eschenbach »lernen« müssen, bevor er dazu überging, andere zu »belehren«. Dieselbe überraschende Kenntnifs bekundet Herr Eschenbach von dem humanen Sinn der rheinisch - westfälischen Arbeitgeber, wenn er S. 20 ff. schreibt: „Nun ist es aber weiter auch eine wieder neu zu Tage getretene Thatsache, dafs eine kaum glaublich grofse Anzahl von Besitzenden sich der Pflichten, welche ihnen ein solcher Besitz den Nichtbesitzenden gegenüber auferlegt, noch bei weitem in dem Mase bewufst ist (soll wohl heifsen: »bei weitem nicht in dem Mafse bewufst« d. lief.) wie dies bei unbefangener Beobachtung unserer socialen Verhältnisse erwartet werden sollte; — und dasselbe gilt, — in vielleicht nur noch höherem Mafse von dem sonstigen Verhältnifs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. . . . Für die Unbegüterten materielle Opfer zu bringen, und seien sie selbst geringfügigeren Um fanges und ohne wesentlichen Einflufs auf die eigene Vermögensmasse, erscheint zahlreichen Menschen noch heute als eine positiv ungerechte Anforderung, der sie nachzukommen durchaus keine Verpflichtung hätten. Die Allgemeinheit oder der unbemittelte Bruchtheil derselben ist für sie nur da, um durch ihn den eigenen Interessen dienen zu lassen, und sie versuchen sogar, wo möglich unter Anwendung selbst von Lug und Trug, den Staatslasten, von denen sie selbst wiederum Nutzen haben, sich zu entziehen....“ Man traut seinen Augen kaum, wenn man diese Zeilen liest, und auf keinen Fall würde Jemand, der das Titelblatt der Broschüre nicht gesehen, auf die Vermuthung kommen, dafs ein solcher Ton gegen die Industriellen von einem Königlich Preufsischen Amtsgerichtsassessor an geschlagen worden wäre. Herr Eschenbach scheint aber keine Ahnung davon zu haben, welch schweren Vorwurf er gegen die Arbeit geber erhebt, wenn er behauptet, dieselben stellten den Arbeiter mit Arbeitsmaschinen auf die gleiche Linie. Von den geradezu grofsartigen, mit Millionen erkauften Wohlfahrtseinrichtungen unserer rheinisch-westfälischen Werke weifs na türlich auch Herr Eschenbach nichts. Der Grund liegt vielleicht darin, dafs er, bevor er das Amt des öffentlichen »Lehrers« übernahm, nur bei Herrn Oechelhäuser in die Schule gegangen ist, dem er im Verein mit Herrn Director Rösicke auch seine Schrift gewidmet hat und den er »einen der gröfsten Arbeitgeber« sowie den »gröfsten Praktiker in socialpolitischer Hinsicht« nennt. Wenn freilich Herr Eschenbach an den Wohlfahrtseinrichtungen unserer grofsen Werke achtlos vorüber gegangen und vielleicht nur in denen der »continentalen Gas-Actiengesellschaft« eingekehrt ist, dann wird er nicht viel gefunden haben, worüber man das Nöthige in früheren Jahrgängen von »Stahl u. Eisen« nachlesen wolle. Im Uebrigen bleibt es tief bedauerlich, dafs Herr Eschenbach sich nicht die Mühe gegeben hat, auch nur oberflächlich die Wohlfahrtsein richtungen der Zechen am Niederrhein und in Westfalen in Augenschein zu nehmen, über welche u. a. selbst ein Ausländer, Herr G. Andr in »The London Colliery Guardian« einen lesenswerthen Artikel veröffentlicht hat, den wir im Philadel phiaer »Bulletin of the American Iron and Steel Association« vom 10. April d. J., also lange Zeit vor Ausbruch des westfälischen Arbeiter ausstandes, abgedruckt finden. In dieser Dar legung heifst es wörtlich: „Die ausgezeichneten Einrichtungen, welche durch zweckmäfsige Woh nungen, Logirhäuser, Trinkhallen, Lesezimmer, Abendschulen, Krankenhäuser und Aehnliches den Bergleuten zur Verfügung stehen, gehören mit zu dem Interessantesten, was auf dem Con- tinent der Bergbau dem Beobachter bietet. Bei einem Besuch, den ich kürzlich im westfälischen Kohlenrevier gemacht habe, war ich von den Fortschritten betroffen (I was struck), welche in dieser Beziehung in den letzten zwei Jahren ge macht worden sind.“ Der Verfasser beschreibt