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542 Nr. 7. „STAHL U Man geht aber noch weiter. Um die Wärme- überproduction bei der Vergasung nicht verloren zu geben, versucht man so viel Wasser durch die glühende Kohle zu zersetzen, als dieser Wärme- überschufs gestattet. Diese Wasserzersetzung findet nun schon bei der primitivsten Gaserzeugung statt, da die atmosphärische Luft immer Wasser dampf enthält und auf 100 kg Steinkohle etwa 5 kg Wasser der Zersetzung zuführt. Zur Erzeugung ganz besonders hoher Tem peraturen verwendet man heute sogar allein Wassergas, das durch die Zersetzung des Wassers an glühender Kohle in bekannten, wechselweise betriebenen Apparaten erhalten wird. Da aber dabei.fast das fünffache Volumen minderwerthigen Gases abfällt, für welches nicht immer die ge eignete Verwendung zu finden ist, kann man nur in seltenen Fällen zur Verwendung des Wassergases schreiten, um so weniger, als die Apparate zu dessen Herstellung sehr theuer sind. Man hat darum wiederholt vorgeschlagen, sogenanntes Mischgas darzustellen, das heifst, das Wassergas mit den Abfallgasen gemengt zu verwenden; da die Trennung der beiden Gasarten nicht mehr nöthig wäre, könnten die Apparate viel einfacher und billiger sein, eventuell ganz den bisher in Verwendung stehenden gleichen, man hätte nur mit der Vergasungsluft das ent sprechende Quantum Wasserdampf zuzuführen; auch dieser Weg ist schon eingeschlagen worden, und bis zu einem gewissen Grade geschieht es überall unwillkürlich, da, wie erwähnt, die atmo sphärische Luft stets eine gewisse Menge Wasser dampf mitführt; wieviel Wasserdampf noch überdies hinzugefügt werden kann, werden wir im Folgenden sehen. Die Wärmemenge, welche ein Gas bei seiner Verbrennung abgeben kann, ist nun allerdings von der Verbrennungswärme seiner Bestandtheile abhängig, und man hat von einem minder werthigen Gas nur entsprechend mehr zur Ver brennung zu bringen, um die gleiche Wärme menge zu erzeugen, wobei allerdings die gröfsere Menge der Verbrennungsproducte auch eine gröfsere Wärmemenge der Ausnützung entzieht. Anders verhält es sich mit dem pyrometrischen Wärmeeffect, der um so gröfser ist, je reicher das Gasgemisch an brennbaren Bestandtheilen, und besonders je reicher es an solchen ist, die eine hohe Verbrennungswärme besitzen. Der hohe pyrometrische Wärmeeffect des Wassergases hat seine Ursache nicht nur in dem verhältnifs- mäfsig hohen Wasserstoffgehalt, der übrigens nicht 6 Gewichtsprocente erreicht, sondern haupt sächlich darin, dafs keine oder nur wenig un brennbare Bestandtheile darin enthalten sind. Ein Blick auf die bekannte Formel, nach welcher der pyrometrische Wärmeeffect sich berechnen läfst, macht dies klar. Wo keine hohen Temperaturen erfordert D EISEN.“ Juli 1889. werden, ist es möglich, minderwerthige Gase zur Verwendung zu bringen, indem man durch entsprechenden Mehrverbrauch die erforderliche Wärmemenge erzeugt. Dieser Mehrverbrauch steht aber nicht in demselben Verhältnifs, wie die Verbrennungswärme zu der eines reicheren Gases, er wird um ein Gewisses gröfser sein, da die erzeugte Wärme erst auf die zu erhitzenden Materialien oder Gegenstände übertragen werden mufs und die Raschheit der Uebertragung von der Temperaturdifferenz abhängt. Zur Erzielung hoher Temperaturen sind nur entsprechend reiche Gase dienlich. Die stetigen Fortschritte der Technik in allen Zweigen er fordern aber nicht nur immer höhere Tempe raturen an und für sich, sondern auch immer raschere Arbeit bei möglichster Sparsamkeit. Um diesen Forderungen zu entsprechen, ist das Be streben darauf gerichtet, möglichst reiche Gase zu erzeugen. Nach dem Voranstehenden kann dieses Ziel dadurch erreicht werden, dafs man den Gehalt an unbrennbaren Bestandtheilen möglichst niedrig zu halten und dafür den Gehalt an Bestandtheilen mit gröfser Verbrennungswärme zu erhöhen sucht. Zu den unbrennbaren Bestandtheilen gehört nun nicht nur der unvermeidliche Stickstoff, sondern auch die mitgebildete Kohlensäure und der Wasser dampf. Im laufenden Betriebe ist man nicht im stande, den Brennstoff soweit zu trocknen, dafs er nicht mindestens gegen 10 % hygroskopisches Wasser enthielte, welches in seiner Gesammtheit dem Gase beigemengt wird, sofern man die üblichen Gaserzeuger benützt. Es wäre von aufserordentlicher Tragweite, wenn es gelänge, den Stickstoffgehalt der Ver gasungsluft herabzudrücken. Gäbe es eine Me thode, um billig Sauerstoffgas in gröfser Menge zu erzeugen, so könnte man ohne weiteres ein dem Wassergas sehr nahekommendes Gas dar stellen, indem man zur nothwendigen Verdünnung des Sauerstoffes so viel Wasserdampf beimengen könnte, als man zu zersetzen imstande wäre. Man würde auf 100 kg Steinkohle etwa 60 kg Sauerstoffgas, mit 15 bis 20 kg Wasserdampf gemengt, einblasen können. Die Verdünnung des Sauerstoffes wäre unerläfslich, da sonst durch die allzu energische Verbrennung die Hitze örtlich so gesteigert würde, dafs derselben kein Mauer werk auch nur kurze Zeit widerstehen könnte. Da die billige Darstellung reinen Sauerstoffes oder auch nur eines sauerstoffreichen Gemisches mit Stickstoff aber bis jetzt und wohl auch noch lange Zeit zu den frommen Wünschen zu zählen ist, mufs man sich mit bescheidenen Erfolgen begnügen. Ich habe schon in meinem Aufsatz »über Martinstahlanlagen« in »Stahl und Eisen«, Heft 6, 1888, auf den Uebelstand hingewiesen, der durch die oft sehr wechselnden Mengen dem Gase bei-