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972 I). Vvn Errichtung des zweiten franz. Kaiserthums rc. der Leitung des genialen Moltke. Auch der Bundeskanzler, Gras Bi smart und der Kricgsministcr v. Roon waren in seiner Umgebung. General Vogel von Falckcn stein leitete von Hannover aus die norddeutsche Küstcnverthcidi- gung gegen die feindliche Flotte. Durch den wohlorganisirtcu Mobilisirungsplan der preußischen Arnicckörper, der wie ein großarngce Räderwerk au allen Orten gleichmäßig und rechtzeitig in Bewegung gesetzt ward, konnten rasch namhaste Streitkräfte gesammelt werden. Saarbrücken, einer offenen gewcrbrcichcn Grenzstadt, hütete eine kleine Saar, preußische Heerab^ Fußvolk und Reiterei, zusammen nicht über 1500 dir sranrö^ch-Mann, die Grenze. Gegen diese rückte ein französisches Armcccorps unter '""' General Frossard von Metz aus ins Feld. Der Kaiser selbst befand sich mit dem Prinzen, zu dessen militärischem Erzieher Frossard bestellt worden war, bei dem Heer, um durch einen glücklichen Anfang das kaiserliche „Prestige" zu befesli- gen. Auf die Kunde von dem Anzuge so bedeutender Streitkräfte wollte man preußischer Seits die geringe Mannschaft zurückziehen; aber der Befehlshaber, Oberstlieutenant v. Pestel, erbat sich die Erlaubniß, den Kampf annchmen zn r. Auz. >s7v. dürfen. So ereignete sich denn das Gefecht bei Saarbrücken, welches, da dir Preußen nach einem auf beiden Seiten gleichen Verluste am Abend sich in guter Ordnung vor der Ucbermacht zurückzogen, von den sranzösischen Zeitungen als ein glänzender Sieg gefeiert und zur Verherrlichung des kaiserlichen Namens ausgebeutet ward. „Saarbrücken ist wieder eine französische Stadt geworden", prahlte man, „das prächtige Steinkohlenbecken an der Saar ist Eigenthuni der Franzosen. Saarbrücken ist die erste Etappe, bald werden wir die letzte, Berlin, erreichen". Der Prinz sollte, wie Napoleon selbst in einem Siegesbericht an seine Gemahlin meldete, mitten im Kugelregen eine seltene Kaltblütigkeit bewiesen und den ersten Schuß aus den Mitraillcuscn mit wunderbarer Wirkung gethan haben. Bald nach diesem militärischen Schaustücke, dessen einziger Erfolg die Bcschm ßung des Bahnhofes von Saarbrücken war, wobei auch die offene Stadt einigen Schaden litt, kehrte der Kaiser nach der Festung Metz zurück. Dies war dec Anfang der Prahlerei nnd Heuchelei, die bei dem Kriege in Scene gesetzt werden sollte. Die gewaltigen Ereignisse, die in den nächsten Tagen wie ein zermalmen- der Blitzschlag über Frankreich hcreinbrachen, haben freilich die kaiserlichen Sü' gesbüllctins schnell zum Schweigen gebracht; aber der übermüthigc Ton der Presse ist sich stets gleich geblieben. Verlogene Berichte hielten Volk und Heer im Unklaren über die wahre Sachlage, und den siegreichen Waffen ihrer Gegner setzten sie Schmähungen und gistigen Haß entgegen. Bis zu Ende des Kriegs wurde die bevorstehende Vertreibung „der nordischen Barbaren" von dem „gehei ligten Boden Frankreichs" verkündigt, und Sieg und Rache als unfehlbares Resultat der französischen Tapferkeit hingestellt. Man hat viel von der Eitelkeit, der Selbstüberschätzung, dem Koniödiantenwescn der Franzosen geschrieben und erzählt; aber so kläglich und lächerlich wie die öffentliche Stimme zu diesen schwe-