Volltext Seite (XML)
968 I) Von Errichtung des zweite» franz. Kaiscrthuws rc. Zuave», SipahiS zugetheilt hatte, über die Grenzen bräche, welche Drangsale und Kricgsgräuel den Bewohner» selbst bon diesen wilden Horden bcvorständcn, deren Verwendung unter civilisirten Nationen als eine Verletzung dcS Kriegs- und Völkerrechts angesehen werden konnte. Und doch war noch vor wenigen Jahrzehnten das linksrheinische Pfälzcrland mit scincm Herzen und seinen Sym pathien auf Frankreichs Seite gewesen und hatte sich unter der baicrischen Herr schaft so unglücklich gefühlt. Der vaterländische Geist war aber allenthalben erwacht: die deutsche Literatur und die deutsche Schule hatten an dieser Sinnes änderung keinen geringen Antheil, und Arndt's flammende Lieder: „Zum Rheim übern Rhein, Alldcutschland in Frankreich hinein" waren nicht umsonst erklungen. Hatten Geschichte und Literatur im Spiegel der Vergangenheit unsere Tugenden und Fehler gezeigt, so hatte die Schule Vernunft und Nachdenken geweckt und gestärkt und hatte gelehrt, Wesen vom Schein, Wahrheit von Phrase zu unter scheiden. Mit ernster Andacht strömte alles Volk am 27. Juli, den der gottes fürchtige König zu einem allgemeinen Bettag bestimmt hatte, in die Kirchen, uni für die bevorstehende schwere Zeit Hülfe und Erbarmen vom Himmel zu erflehen und die Seele zu stärken durch inbrünstiges Gebet. Wie im Jahr 1813 war auch jetzt wieder Frömmigkeit und religiöses Gefühl mit Vaterlandsliebe in der deutschen Soldatcnbrust vereinigt und stärkte die todesmuthige Begeisterung und Hingebung für die große Sache. Ohne Unterschied der Confession sah man die Krieger, ehe sie die feindliche Erde betraten, die Evangelischen zum Abendmahl, die Katholischen zur Beichte gehen, um versöhnt mit Gott und im gläubigen Vertrauen auf seine Gnade und Barmherzigkeit in den Todeskampf zu ziehen, Vor den hohen Lebensaufgaben des Augenblicks traten Vorurtheile und confes- sionelle Engherzigkeit, traten die Verschiedenheiten in Cultus und Kirchenform in den Hintergrund. „Die Erhebung dieser großen Tage" — schreibt Treitschke — „offenbarte selbst den Einfältigen und Schwachen zu ihrer eigenen Ucberraschung, wie reich das Leben sein kann, und welchen Schatz bürgerlicher Tugenden dies erwerbende Zeitalter sich noch be wahrt hat. Die Kampsgenosscnschaft in Noth und Tod hat ein festes Band der Treue geschlungen um die Herzen unserer Krieger, mit Einem Schlage tausend gehässige V»e- urtheile zerstört, die den Süden von dem Norden trennten und der friedlichen Ueber- redung nie gewichen wären. Auch eine altväterliche von den starken Geistern des Ra dicalismus oft verspottete Wahrheit kommt wieder zu Ehren: die Einsicht, daß nul fromme Völker frei und tapfer sind. Wie ein Naturlaut brach der Name Gottes aus hunderttausend Lippen, als die Blüthe unserer Zugend in dichten Haufen gleich ge mähten Halmen hinsank. Und wahrlich, nicht blöde Unfreiheit des Denkens, nicht jene knechtische Angst, die noch in allen schweren Zeiten die Franzosen schaarenweise zum Beichtstuhl trieb, sprach aus dieser deutschen Frömmigkeit. Katholiken und Protestan ten, Schriftgläubige und philosophische Köpfe — alle die zahllosen persönlichen Glau bensbekenntnisse, die das freie Geistesleben unseres Volkes mit edler Duldsamkeit um schließt, beugten sich andächtig vor der göttlichen Vernunft, die über den Schrecken und Nöthen dieser Tage sinnvoll waltet. Ohne den männlichen Glauben an das Ewige,